Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Speziell unreif geerntet soll eine indische Frucht “idealer Fleischersatz” sein

In den USA gilt die tropische Jackfrucht bei Veganern und Vegetariern schon länger als trendy. Ein Unternehmen aus Rheinland Pfalz, das sich seit mehr als 25 Jahren ganzheitliche Ayurveda-Ernährungslehre auf die Fahnen geschrieben hat, stellte dieser Tage auf der Nürnberger BIOFACH-Messe seine leicht zuzubereitenden Schnetzel- bzw. Würfel-Sets als “idealen Fleischersatz” vor: weil die in ihrer südostasiatischen Heimat überwiegend im reifen Zustand gegessenen, für Hauptgerichte nun aber speziell unreif verarbeitete Variante ein passenderes Mundgefühl erziele als zum Beispiel Tofu und zudem sehr gesund sei. Wir haben zwei Produkte der Govinda Natur GmbH getestet.

Zunächst ein paar allgemeine Infos zur “größten Frucht der Welt”: sie stammt aus der Familie der Maulbeerengewächse, kommt in unterschiedlichen Größen und Formen, aber gemeinhin mit einer genoppten, harten Schale daher; Jackbaumfrüchte können bis zu 50 cm Durchmesser erreichen und über 15 kg schwer werden. Sie hängen direkt am Stamm eines immergrünen Baums und reifen in der Regenzeit von Juli bis August in allen tropischen Gebieten. Ursprünglich kommt die Jakobsfrucht aus Indien, vergleichsweise lange wird aber auch in Bangladesch, Thailand (dadurch auch unter dem Namen Khanun bekannt), Indonesien, Sri Lanka und Nepal angebaut. Nicht zuletzt weil sie auch unanhängig von der Fleischersatz-Idee vielseitig verwendbar sind: süß im reifen rohen Zustand; getrocknet als Obstchips; geröstete Samen können auch zu Mehl verarbeitet werden; unreife Früchte, die während des Wachstums entfernt werden, damit bei einem überfüllten Baum andere „Jacks“ besser reifen können, werden als Gemüse verwendet oder sauer eingelegt.

Nach den USA sollen nun auch Fleischverweigerer in Europa, die “trotzdem” etwas Fleischähnliches auf dem Teller haben wollen, geködert werden: In ihrer Konsistenz imitiere (sic!) die unreife Jackfrucht, die Fasern von Fleisch und durch die Zugabe von Gewürzen könne man auch einen fast identischen Geschmack erreichen, so die Werbeversprechen. Außerdem wird die Jackfrucht gern als Nährstoff-, Mineralstoff- und Ballaststoffreich sowie fettfrei angepriesen – unter anderem ihr hoher Kalium-, Kalzium- und Magnesiumgehalt hervorgehoben. Vor allem ein Händler hat auf der jüngsten Biofach-Messe in Nürnberg mit gleich zwei Produkten das Thema in den Mittelpunkt gestellt: „Jack’s Fruchtfleich Schnetzel“ und „Jack’s Fruchtfleich Würfel“ kommen in jeweils 200 Gramm Inhalt ausweisenden Packungen daher, die mit unterschiedlichen Gewürzbeuteln bestückt, für jeweils 3,99 Euro auch im hauseigenen Onlineshop zu beziehen sind.

Das in einem Beutel eingeschweißte Fruchtfleisch ist vorgekocht, also quasi küchenfertig. Laut Hersteller soll es zunächst mit etwas Öl und mit der mitgelieferten Gewürzmischung 5 bis 15 Minuten lang mariniert und danach so verwendet werden, wie man möchte: verarbeitet in einer Nudelsoße, in Eintöpfen, in der Pfanne gebraten… Für erste Ideen legt der Händler auch ein Heftchen mit sechs Rezepten von Tomatensuppe über “Curry-Jack-Gulasch” bis hin zu Frikadellen und gefüllten Paprika bei.

Wir haben – um uns ausschließlich auf Geschmack und Mundgefühl zu konzentrieren, die Produkte – vorher nach Anleitung mit der jeweils mitgelieferten Gewürzmischung mariniert (man kann natürlich auch nach eigenem Gusto würzen) und in der Pfanne gebraten. Keiner unserer Tester hatte vorher mit Jackfrucht als “richtigem” Essen zu tun . Die erste Irritation entstand, als es hieß, „bis zur gewünschten Bräunung anbraten und mind. 2 Min. durch garen“, denn die Fruchtstücke aus der Packung waren bereits “von Haus aus” rötlich-bräunlich und haben ihre Farbe beim Anbraten auch nicht verändert. So gab es Diskussionen, wie lange man anbraten sollte, ob die Farbe nicht vielleicht doch noch dunkler werde. Kurzum: Die Angabe mag für rohe Früchte Sinn machen, die im Naturzustand weißlich-gelblich sind, aber nicht für die vorgekochten Produkte von Govinda.

Nachdem wir das geschnetzelte „Fleisch“ – vom Aussehen entfernt an Pulled Pork erinnernd – durchgebraten haben (vermutlich etwas länger, als nötig, was aber dem Geschmack wohl nicht geschadet hat, zumindest verglichen mit den Eindrücken, die wir beim Verkosten der “Würfel”, die kürzer angebraten wurden, sammeln konnten), haben acht Leute mit unterschiedlichen Essgewohnheiten von vegan über vegetarisch bis hin zu überzeugten Fleischessern eine erste Runde getestet. Kaut man mit geschlossenen Augen – Geschmacksfragen zunächst außen vor – ähnelt die unreife verarbeitete Jackfrucht durch ihre Feinfaserigkeit tatsächlich „wirklichem“ Fleisch, besonders in Würfelform. Die Gewürze die Govinda dazu verkauft, können allerdings den Geschmack, der etwas wässrig, leicht säuerliches an sich hat, nicht ansatzweise übertünchen und auch die Geschmacksnerven von Menschen, die Fleisch gänzlich abgeschworen haben, nicht irre führen.

Während zwei Tester beide „Jack’s Fruchtfleisch“-Produkte komplett abgelehnt haben, zwei mehr oder midner übereinstimmend “naja, halt genauso so lasch wie Tofu” fanden und ein Flexitarier ein “absolut unterdurchscnittlich” vergab, waren die Meinungen bei den restlichen Probanden halbwegs positiv: Ja, mit dieser Frucht könne man gut kochen, insbesondere wenn man nicht unbedingt an der Vorstellung festhält, einen “idealen” Fleischersatz vor sich zu haben. Zwei dieser drei Tester fanden aber auch, dann man lieber versuchen sollte, nach eigenen Ideen zu würzen – die vom Hersteller mitgelieferte Mischung fanden sie nicht einmal suboptimal.

Schade finden wir auch, dass Govinda-Geschäftsführerin Doris Maiwald zwar betont, dass insbesondere auch “ökologische Verantwortung” zu den “festen Werten” in den Unternehmensgrundsätzen zähle und an anderer Stelle auch das Thema Ethik unterstrichen wird, aber dann Nichts zum ökologischen Fußabdruck, den die Jackfrucht mit ihrer langen Reise nach Europa hinterlässt, oder zur Frage der Beschäftigungsbedingungen der Erntehelfer in Indien auf ihrer Webseite zu erzählen weiß, und sich vielmehr begnügt, dort das Aufwachsen in “nach EU-Bio-Standards zertifizierten Biobetrieben” herauszustreichen.

 

 



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