Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Die alte Eiche lebt noch

Mit „The Old Oak“ startet am 23.11. der wohl letzte Film des britischen Regisseurs Ken Loach: In einem heruntergekommenen Dorf , in dem vor allem ehemalige Minenarbeiter leben, wird offenbar recht unvermittelt eine Busladung syrischer Flüchtlinge untergebracht.

„The Old Oak“ ist der Name des einzigen Pub in einem Bergarbeiterdorf in der Grafschaft Durham im Nordosten Englands, das seine beste Zeit lange hinter sich gelassen hat. Nur die großformatigen schwarz-weiß Fotos im nun abgesperrten Festsaal, wo einst Hochzeiten gefeiert und während der Streikwellen der Minenarbeiter gemeinsam gekocht und gegessen wurde, zeugen noch vom früheren Gemeinschaftsgedanken. Heute bewirtet TJ Ballantyne (Dave Turner) nur noch wenige arbeitslose Männer und Frauen. Die, die bei ihm regelmäßig Bier trinken, fühlen sich gemeinhin vom System verraten, sind arm und verbittert: viele ihrer Freunde und Verwandten die es sich leisten konnten sind weggezogen, und die Häuser  derer die blieben sind heruntergekommen, verlieren drastisch ihren Wert und werden zum Spottpreis von irgendwelchen Konzernen aufgekauft und nun “sogar” zur Unterbringung von syrischen Flüchtlingsfamilien an den Staat weitervermietet, was den allgemeinen Frust in der Gegend verstärkt – wie auch leider oft in Deutschland, entlädt der sich dann an der falschen Stelle, richtet sich gegen die Hilfesuchenden, denen es aber tatsächlich noch schlechter geht, als den vielen die schon “immer” hier leben und tatsächlich auch allzu oft vor der Frage “Heat or eat”, also der Entscheidung es angenehm warm im Haus zu haben oder sich halbwegs ordentlich zu ernähren – stehen.

Der mittlerweile 87jährige Regisseur und Drehbuchautor Ken Loach ist bekannt für seine sozialen Dramen. Er macht die unsichtbare “Unterschicht” sichtbar, gibt ihr eine Stimme. Viele seiner Filme tragen den Zorn über die soziale Ungerechtigkeit in sich, sie sind zutiefst menschlich und dadurch auch politisch. Viele liefen auf großen Festivals, unter anderem in Cannes (Goldene Palmen für „Ich, Danile Blake“, 2016, und „The Wind That Shakes the Barley, 2006). Auch „The Old Oak“ war Bestandteil des Festivalprogramms an der Côte d’Azur. Es werde sein letzter Film sein, hatte der Brite dabei angekündigt – der Filmemacher setzt sich also wohl tatsächlich zur Ruhe. Erwartbar: Auch in der Minenarbeiter-Geschichte “der alten Eiche” bleibt er sich treu, erzählt über Verluste, Zukunftsängste und Zusammenhalt.

Angesiedelt ist die Geschichte um die Freundschaft zwischen Pub-Besitzer TJ und der jungen Syrerin Yara (Ebla Mari), die immer mit einer Fotokamera unterwegs ist, im Jahr 2016. Die Zeit, als die Briten sich aus der EU verabschieden und in England rassistische Hassverbrechen förmlich explodieren. Doch in Loachs Bergarbeiterdorf bekommen nicht “nur” nur die rassistisch Gesinnten unter den Einheimischen ohne Zukunftsperspektive eine menge Kritik zwischen den Zeilen, es gibt auch wunderbare, wie nebenbei eingestreute Szenen die wohlsituierten Zuschauern vermitteln, dass sozialer Neid eine tiefergehende Ursache hat, und der Staat auch seine eigenen Leute sträflich abgehängt hat. Sehr gut auf den Punkt trifft etwa die unprätentiös eingefangene, auch überhaupt nicht aggressive Reaktion eines Dorfjugendlichen als ein syrisches Mädchen von Flüchtlingshelfern ein Fahrrad geschenkt bekommt…

Der zentrale Handlungsstrang verläuft jedoch rund um das Pub: als Yara von TJ kurz in den sonst eigentlich streng verschlossenen ehemaligen Festsaal gebeten wird um ihr mit der durch einen Dorfbewohner stark lädierten Kamera zu helfen, die ein Geschenk ihres verschollenen Vaters war, ist sie sehr angetan von den alten Fotos an den Wänden und den Geschichten dahinter. Und so schlägt sie vor, durch gemeinsames Essenkochen für Flüchtlinge und die armen Menschen des Dorfes selbst Bewohner wieder zusammen zu bringen. Ganz wie in den kämpferischen Zeiten der Bergbauer und ihrer Suppenküche.

Die darauf folgende Euphorie bekommt einen heftigen Dämpfer. Aber Loach will ein gutes Ende, auch wenn für viele Zuschauer völlig weltfremd erscheinen mag. Es ist sein Wunschdenken, dass ein Unglück jeden in der Gemeinde vereinen kann. „The Old Oak“ ist damit zwar auf den letzten Metern eine Spur zu verträumt, man könnte es auch sehr nah am Kitsch bezeichnen, aber trotz dieser Schlussminuten ein definitiv sehenswerter Film, der die Seele wärmt.

[UPDATE/NACHTRAG 23.11.*:]
Und vielleicht kann so ein Schlussakkord gar manch einem, der sich schon vor Besinnlichkeit besoffen und geheuchelter Mitmenschlichkeit erhaben fühlt in diesen Wochen vor Weihnachten daran gemahnen, dass gesellschaftlicher Solidarität – bezogen auf deutsche Verhältnisse – nicht in finanziellen oder gar militärischen “Hilfen” für die kulturell und religiös vorgeblich nahestehende Ukraine beschränkt sein darf. Vielmehr gibt es eben noch immer auch Menschen aus zum Beispiel Syrien, die todtraurige Gründe haben aus ihrer Heimat zu fliehen. Und dass in “Nahost” gerade ein wirklicher Völkermord gestartet wurde, während wir uns über vermeintlich steigenden Antisemitismus (zu dem eben nicht gezählt werden darf, wenn Humanisten gegen schändlichste Kriegsverbrechen Israels ihre Stimme erheben) sorgen, in Wahrheit aber medial und politisch  befeuert, Islamophobie und Hass und Hetze gegen “arabisch” gelesene Menschen bedrohlich durch’s Land schwappen, hat in der deutschen Mehrheitsgesellschaft bisher bestenfalls Ignorieren ausgelöst.

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* Wer sich fragt, warum wir eine Kritik zum neuesten und vielleicht letzten Ken Loach Film (er behandelt zwar auch in diesem Streifen – es würde die lokal angesiedelte, und trotzdem bewusst universell erzählte Geschichte auch konterkarieren – nicht mal zwischen den Zeilen die jahrzehntelang fortdauernden Verbrechen Israels) um den vorstehenden Absatz ergänzt haben: ein “Leserkommentar” warf uns vor einen Antisemiten abzufeiern, und empfahl uns ein Vorbild ausgerechnet am Tagesspiegel zu nehmen… Das tun wir hiermit gerne, wir verurteilen die Hetze und Verleumdungen die seit Jahren just von Gazetten wie dem “Tagesspiegel” ausgehen und dem Dreck den insbesondere die Medien der SPRINGERstiefelpresse verbreiten in Nichts nachstehen! “Lieber” Philip P.:  NEIN – wir schätzen die Arbeit von Loach nicht nur hinter der Kamera, sondern auch im realen Leben. Denn er hat – soweit wir allerdings nur einige seiner Interviews kennen! – mit seiner Kritik am Apartheitsstaat Israel seit vielen Jahren grundsätzlich recht. Indes: wer wie Sie, oder die Schmierfinken in vielen deutschen Medien, Menschen wie ihn, Roger Waters und neuerdings ja auch Amnesty International oder Greta Thunberg verleumden, ist Mittäter. Verantwortlich für allein in Gaza allein in den letzten Wochen weit über 14.000 ermordete Zivilisten. Und nein, damit relativieren wir die Morde der Hamas an israelischen Zivilisten nicht im Geringsten. Diese Taten verurteilen wir ebenfalls auf’s Schärfste. Aber die Geschichte begann eben keinesfalls am 07.10.2023 – und die tagtäglichen Kriegsverbrechen des IDF und auch mancher “Siedler” (oftmals nicht nur verbal äußerst gewalttätiger Landräuber) sind durch Nichts zu rechtfertigen. 



2 thoughts on “Die alte Eiche lebt noch”

    • Wir kennen die perfiden Anwürfe die Loach, Waters und andere Prominente seit Jahren von solchen “Medien” wie dem auch aus vielen anderen Gründen besonders peinlichen Tagesspiegel erfahren, weil sie es wagen, grauenhafte Dinge als grauenhaft zu benennen. Nur hat das was Loach und andere äußern eben Nichts mit Antisemitismus zu tun. Dafür das was Netanjahu und seine hochgradig faschistischen Kollegen in der aktuellen Regierung Israels tun sehr viel mit Genozid und Kriegsverbrechen zu tun!

      Aber danke “Philip P.” – wir haben unsere Kritik eigens für Sie um einen Absatz ergänzt. Es dürfte Ihnen nicht gefallen.

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