Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Tore tanzt – Regie: Katrin Gebbe

tore_tanztTore (Julius Feldmeier) liebt “den Herrn” aus ganzem Herzen. Der dürre, lang gewachsene Twen gehört nach gerade erfolgter Taufe im offenen See nun auch offiziell zu einer punkigen Jesus-Gemeinde, die unter anderem mit Rockkonzerten unkonventionelle Gottesdienste feiert. Zu so einem Event hat Tore auch Benno (Sascha Alexander Gersak) eingeladen, den er im Grunde gar nicht kennt. Aber nachdem er das nicht anspringende Auto dieses irgendwie düster wirkenden Familienvaters scheinbar nur durch die Kraft eines Gebets zum Laufen brachte, fühlt er sich von Gott quasi persönlich berufen. Bei diesem zeitnahen Wiedersehen wird für den Zuschauer klar: Tore leidet an Epilepsie.

Da sich von Tores bisheriger Ersatzfamilie, den Jesus Freaks, niemand so recht um den jungen Mann kümmert, nimmt ihn Benno mit sich in seinen Schrebergarten, wo er mit Astrid (Annika Kuhl) und zwei Kindern – der 15järigen Sanny (Swantje Kohlhof) und dem kleinen Dennis (Til Theinert) – offenkundig nicht nur die Freizeit verbringt, sondern dauerhaft wohnt. Als Tore am nächsten Tag mit seinem besten Kumpel wegen Keuschheitsfragen in Streit gerät, zieht er kurz entschlossen komplett zu den Vieren, schläft aber nicht mit ihnen in der Hütte sondern draußen, in einem Zelt und revanchiert sich für die Gastfreundschaft zunächst indem er bei der Gartenpflege hilft. Auf den ersten Blick scheint alles wie eine kleine Idylle, doch sehr bald beginnt der schöne Schein Stück für Stück zu bröckeln. Erst mit einer wie ein Scherz wirkenden Balgerei, dann auch mit schmerzhafteren Erfahrungen – Tore steht vor der härtesten Prüfung seiner Nächstenliebe.

In drei Kapitel – Glaube, Liebe, Hoffnung – hat die 30jährige Regisseurin Katrin Gebbe ihr Langfilmdebüt “Tore tanzt” unterteilt. Das erinnert natürlich nicht zuletzt an Ulrich Seidls großartige Trilogie “Liebe. Glaube. Hoffnung” und seine Reise in die seelische Abgründe der Menschen und ist von der Grundstimmung mindestens (!) genauso verstörend, wie die Werke des Österreichers. Durchweg hervorragend gespielt, vor allen glänzt Theaterakteuer Julius Feldmeier, der für die Hauptfigur zum ersten Mal vor einer Kamera stand, erzählt “Tore tanzt” die Geschichte eines jungen Mannes, der mit seiner Anwesenheit die Unstimmigkeiten und mehr oder minder heimlichen Übergriffe in Bennos Familie für alle sichtbar macht. Wie ein Stein, der ins Wasser fällt und lange Kreise zieht, hat Tore unfreiwillig die Fassade der funktionierenden Familie zerstört. Das bleibt nicht ohne Folgen. Während Swantje langsam Vertrauen zu ihm fasst, wird Tore nun selbst zum Spielball für die sadistischen Neigungen der Erwachsenen. Der Film ist von Anfang bis Ende absolut stimmig – doch mehr vom Inhalt zu verraten scheint uns hier nicht angezeigt. Diesen provozierenden, erschütternden ja durchaus sogar subversiven Film um einen ebenso enthusiastischen wie arglosen jungen Mann müssen Sie einfach gesehen haben, auch wenn er ihnen durch Mark und Bein gehen wird.

 



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