Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Dokumentarfilm: Zonenmädchen von Sabine Michel

zonenmaedchenSabine Michel und ihre vier Freundinnen sind einige der letzten Abiturienten zu DDR-Zeiten. Es ist 1990. Die Mauer ist weg. Und nebenher auch viel anderes, positiv Vertrautes: die jungen Frauen aus Dresden stecken plötzlich im System des ehemaligen Feindeslands. Vielleicht aus einer Mischung aus Flucht und Neugier auf eine gänzlich andere Kultur fahren sie nach Frankreich, nach Paris – als Au-Pair. Doch recht bald geht jede des Quintetts ihren weiteren Weg alleine. Sabine Michel etwa wird Regisseurin, hat bis heute schon einige spannende Produktionen realisiert, für  “Take a picrute – Die Fotografin Sibylle Bergmann” erhielt sie 2012 sogar den Adolf-Grimme-Preis. Nun hat sie sich selbst und ihre damaligen Schulfreundinnen zum Objekt eines Dokumentarfilms gemacht. Über zwanzig Jahren nach dem Mauerfall fragt sie sich in “Zonenmädchen”, was aus den alten Träumen ihrer Clique geworden ist? Alle fünf fahren wieder nach Paris, zu ihrer ersten Station nach dem Verschwinden ihrer Heimat, gehen den Spuren ihrer Vergangenheit nach, befragen teils ihre Eltern, und forschen, was die “Zone” für sie und ihr Umfeld (noch) bedeutet.

Es ist ein sehr persönlicher, unprätentiös erzählter Film, der seine Protagonistinnen ernst nimmt und teilweise Einblicke in ganz private Themen gibt. Es ist die Generation der ca. 1971 geborenen, die gerade von der Schule freigeworden, erlebten, wie ihr Umfeld von heute auf morgen verschwindet, ihre Zukunftspläne auf den Kopf gestellt werden und sie mit der neuen Situation klar kommen müssen. Für Vera, Deutschlehrerin für die Gymnasialstufe in Paris, ist Frankreich zur Heimat geworden. Ihre Schüler wissen nicht, dass sie aus der “Zone” kommt. Claudia ist eine erfolgreiche Rechtsanwältin in einem deutsch-französischen Büro und pendelt zwischen den Ländern. Mit Claudi, der Psychologin, die bis zur Absetzung der “Super-Nanny” Katharina Saalfrank beriet, gerät sie aneinander, wenn es um die Definition des Begriffs Kapitalismus geht, unterstellt ihr marxistisch-leninistisches Denken. Verusha gibt Einblicke in ihre Kindheit als Einzelkind einer überforderten alleinerziehnden Mutter. Heute betreibt sie eine Kneipe in Dresden, Ende der 1980er hatte sie sich vorgenommen zu studieren. Sabine Michel selbst musste bis zu ihrem 16. Lebensjahr wegen der Verkrümmung der Wirbelsäule ein eisernes Korsett tragen. Sie erlebt die Befreiung quasi doppelt. “Zonenmädchen” ist kein reiner Film über die DDR und ihre früheren Bewohner, sondern auch eine zeitlose Geschichte über Menschen, über Träume, über den Umgang mit dem eigenen Leben und über Freundschaften, die sich im Laufe der Jahre gravierend verändern. Sehenswert!



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