Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Ernüchterung allenthalben

Wenige Tage vor den “Feierlichkeiten” zum Jahrestag der “Wiedevereinigung” startet mit “Kommen Rührgeräte in den Himmel?” ein Film, der sich u.a. mit einem einst in Suhl produzierten, legendären Küchengerät beschäftigt und auch irgendwie allgemein mit dem Themenfeld Wegwerfwahn und eingebaute Obsoleszenz. “Europe, She Loves” hingegen verspricht an den Rand des Kontinents zu gehen, um den Puls jener zu fühlen, die mittendrin im wirtschaftlichen Abstieg leben.

DDR-Ruehrgerät-RG28Es waren Beides Flme auf die sich unsere Redaktion besonders gefreut hatte – im Vorfeld. Und um es vorweg zu nehmen: Beide enttäuschen unterm Strich, wenngleich aus sehr unterschiedlichen Gründen und sind – wir hoffen Sie sind nicht bereits gedanklich aus dem Kino gerannt – trotzdem ansatzweise sehenswert. Denn beide Dokus sind erkennbar gut gemeint und eine sogar auch handwerklich fast tadellos. Fangen wir mit der Geschichte mit dem Rührgerät an: Wenn Sie irgendwo hören oder lesen Regisseur Reinhard Günzler hat sich “auf eine Reise durch die Produktwelt mit ihren immer kürzeren Verfallszyklen begeben”, ist das leider ziemlich geschönt! Zwar schwingt in fast jeder Minute des Films ein Appell zur Nachhaltigkeit mit, auch in jeder zweiten eine recht klare Anklage, dass Hersteller heutzutage – damit der Kapitaismus irgendwie weiterläuft – Obsoleszenz in ihre Geräte einbauen, aber: Da ist eben das große Aber! Außer, dass an einem DDR-Kultobjekt, dem “RG 28” einerseits festgemacht wird, dass es ja mal anders ging – Dinge langlebig und vor allem auch reperaturfreundlich beschaffen waren – und andererseits auch gleichzeitig noch teilweise sehr bewegend über die Perversion vermittelt wird, wie systematisch “der Westen” “den Osten” vor inzwischen mehr als einem Vierteljahrhundert ausverkauft hat, gibt es im Grunde Nichts zu sehen. Sie sagen: spinnen die in der Kulturküche – das ist doch schon eine ganze Menge! Und wenn wir den Film nicht gesehen hätten, könnten wir hier auch nicht widersprechen. Doch die Produktion ist von der ersten Minute an schlecht konstruiert sowie an den falschen Stellen bedeutungsschwanger. Und vor allem – wenn nicht Interviewpartner sprechen – schlichtweg nervtötend: da das Schweizer Testimonial Carmen, welches durch den Film führt und am Anfang vorgibt, für einen aktuellen Verehrer schnell einen Kuchen backen zu müssen (dann hektisch bei Media Markt etwas einkauft, was in der ersten Minute des Gebrauchs den Geist aufgibt, die Frau aber nicht etwa zurück zum Markt geht, sondern nun plötzlich scheinbar ohne jedweden Zeitdruck einen Flohmarkt heimsucht und dann auf das “RG 28” stößt…) so aufdringlich naiv Fragen stellt, oder Gedanken schweifen lässt, und dabei meilenweit mehr Raum erhält, als das eigentliche Problem. Nicht mal am Rande tauchen Tatsachenberichte auch nur in vernünftigen Andeutungen auf, dass schon kurz nachdem die Glühbirne ihren Siegeszug in privathaushalten antrat, findige Wirtschaftsleute so produzieren ließen, dass der Konsum stetig gesichert bleibt. Denn an “ewig” haltbaren Gegenständen lässt sich eben nur einmal Geld verdienen. Immerhin – und das ist der Grund warum wir eingangs schrieben “ansatzweise sehenswert”: Der Film versammelt neben anderen Gesprächspartnern zwei, drei wirklich gelungene Interviewstrecken. Insbesondere einem Mann der gerne schraubt und schon beruflich mit dem DDR-Rührgerät zu tun hatte und unaufgeregt eloquent und engagiert erscheint. Mehr von ihm und oder anderen, von Menschen, die wirklich etwas zu sagen haben; solche Leute noch tiefergehender gequizzt, statt Carmen hier und Carmen da – sie sei übrigens Design-Studentin so suggeriert die Doku bis zum Schluss, “Carmen” ist in Wahrheit aber eine leider nur völlig fehlbesetzte/schlecht gecastete Actresse namens Laura Palacios (der Abspann deutet es an) – und das Ganze vielleicht gar mit wenigstens einem ansatzweise selbstkritischen Unternehmer garniert: es hätte ein wirklich richtig lohneswertes Filmessay über unsere Wegwerfmentalität werden können. Insbesondere, wenn man neben “Carmen” das pseudospirituelle Gefasel, ob Gebrauchsutensilien zufällig eine “Seele” haben, ersatzlos streichen könnte. Aber in seiner grundsätzlichen Machart wie er nun eben herauskommt, ist es bestenfalls etwas, was als TV-Doku, und selbst hier nur phasenweise trägt. Für die große Leinwand ist der Streifen auch formal betrachtet schlicht überhaupt nicht geeignet.

ESL-A1-Poster_FINAL_Andi_outlined.inddZum zweiten Film, der uns diese Woche theoretisch lohnenswert erschien, aufgrund der Verleiherankündigungen: “Europe, She Loves”. Ja es stimmt, das Private ist politisch. Dieser Spruch hat gerade in Zeiten wo Staaten der EU wie Griechenland systematisch platt gemacht werden (insofern auch ein guter Übergang zum vorherigen Streifen, wo ja das Abwickeln aka Zerstören der einstigen DDR-Industrie mitverhandelt wird) seine Berechtigung. Insofern klang es in unseren Ohren extrem viel versprechend, dass sich ein Dokumentarfilmer (der Schweizer Jan Gassmann) an die “Ränder” Europas begeben hat und dabei anhand vierer Paare zeigen will, dass der Alltag “allen ähnliche Probleme bringt und die Beziehungen eine Flucht in die Privatheit” seien “vor den sozialen und wirtschaftlichen Problemen ihrer Heimatländer.” Doch, wir haben es ja oben bereits “verraten”: auch dieser Neustart überzeugte uns in seienr Gesamtheit leider nicht wirklich. Formal, filmtechnisch ist es aber schon mal ein Quantensprung zu den vorstehenden Rührgeräten. Es ist eine Doku – was beileibe keine Selbstverständlichkeit ist – die spürbar für die große Leinwand gemacht wurde und diese (wenn man eben nicht inhaltlich zuviele Widersprüche bzw. mangelnde Universalität der Portraitierten bemängeln müsste) auch weitgehend authentisch und sogar teilweise mitreißend ausfüllt – Ramon Giger führte hier ausgesprochen gekonnt die Kamera. Das größte Problem: die vier Paare aus Saloniki, Tallin, Dublin und Sevilla sind sich in bestimmten Punkten zu ähnlich, und so oder so keineswegs repräsentativ für die Jugend dieser Länder. Denn bei allen acht im Mittelpunkt des Films stehenden Menschen geht es gefühlt 90 Prozent ihres lieben langen Tages nurmehr um Saufen, Ficken, Drogen oder Party – oder um eine Mischung aus zwei, drei oder gar vier dieser Bereiche. Die objektive Perspektivlosigkeit in den Köpfen junger Menschen bleibt trotz allem für den Zuschauer gut nachvollziehbar. Auch wirkt es an sich nicht peinlich voyeuristisch, wenn die Filmemacher offenbar nicht darauf verzichten wollten, alle Paare mehrfachst beim Sex in ziemlicher Nahaufnahme zu zeigen (teilweise mit Blick auf erigierte Gliedmaßen^^) – einzig die Quantität nervt dann doch irgendwann zwangsläufig. Das Ärgerlichste, auch hinsichtlich teils mittelschwerer Drogengeschichten ist vielmehr, dass der Streifen über weite Strecken weit näher dran ist an einem Seelenstriptease einzelner Personen, denn an der Frage, wie die Stimmung im jeweiligen Land generell einzuschätzen ist. Dass ein Typ der ein Kind mit einer nichtgezeigten Frau hat, inzwischen mit einer “Tänzerin” lebt, die ihrerseits einen Sohn aus einer vorherigen Beziehung hat; dass ein anderes Paar wo neben äußeren wirtschaftlichen Problemen auch noch ein größerer Altersunterschied zu schaffen macht… und derlei mehr, wird Filmminute um Filmminute zentraler. Zahllose (Geschlechter-)Stereoytpe zu allem Überfluss inklusive. Und am Ende bleibt hier und da ein kleiner privater Lichtblick. Nicht, dass wir von einem Film erwwarten, dass er Antworten parat haben oder gar immer akribisch Ursachenforschung betreiben müsste. Nein, man kann gerne einfach auch nur zeigen, dokumentieren im engsten Wortsinne. Nur man sollte halt wenigstens, wenn man weder erklären noch wirklich anklagen mag, einen originären Blickwinkel bieten, eine irgendwie besondere Erzählart. Das ist bei “Europe, She Loves” leider nicht wirklich der Fall. Im Gegenteil die Tristesse des paneuropäischen Prekariats wird zwischen den Zeilen fast gefeiert – letztlich ein Film der zwar zum Nachdenken anregen kann, aber so unentschlossen und langatmig daherkommt, wie das Gros des zweiten Teils der Matrix. Von einer Abrechnung mit nur behaupteten “Weten” wie (EU-)Zusammenhalt, Freiheit und Wohlstand kann leider nicht die Rede sein. Käme der Film “offiziell” als reine Abhandlung von Beziehungsgeschichten in die Kinos, würde er hier und da positiv überraschen. So aber dauert die mit Abstand beste Szene nicht einmal eine Minute: ein Stiefvater versucht einen Knirps davon zu überzeugen, dass die offensichtlich sehr dünnen Winterhandschuhe, die er und die leibliche Mutter dem Kleinen mangels finanzieller Spielräume nur bieten können, an sich doch gar nicht so schlecht sind, wie er denkt. Auch wenn das Kind eben nicht aus dem Bauch heraus argumentierte, sondern bei Mitschülern wahrscheinlich zigfach bessere, wärmere, wasserdichtere Winterassecoires selber begutachten konnte.



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