Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Dokumentarfilm: Population Boom

population_boom_022011, bezeichnenderweise just an einem Halloweentag, verkündete die UNO, die Erdbevölkerung sei auf sieben Milliarden Menschen angestiegen. In zahllosen Nachrichten wurden die entsprechenden Meldungen mit einer Riesenportion Horrorszenario garniert: es drohe nun noch mehr Hunger, noch mehr Armut, noch mehr Umweltverschmutzung. Wie ernst ist das Problem mit der Überbevölkerung aber wirklich; was steckt dahinter; wenn jemand “zu viel” auf dieser Erde sein soll, dann wer; und wer bestimmt das eigentlich – das alles und noch mehr fragte sich Werner Boote und begab sich auf eine lange Reise. In „Population Boom“ räumt der österreichische Regisseur („Plastic Planet“, 2009) gnadenlos und mit lobenswerter Leichtigkeit und Schlüssigkeit mit dem Märchen der zu vielen Menschen auf der Erde auf. Der absolut empfehlenswerte Film plädiert für einen optimistischen Umgang mit dem Anstieg der Bevölkerungszahl und für ein Umdenken in der Gesellschaft. Alles nachvollziehbar, kennt man die Gründe, die hinter der Stimmungsmache vor allem in industriellen Ländern stecken.

1974 verfasst der amerikanische Außenminister Henry Kissinger das geheime “National Security Study Memorandum 200”, wo er schrieb: “Das oberste Gebot der US-Außenpolitik ist die Bevölkerungsreduktion.“ Und zwar außerhalb den USA, zum Beispiel in Bangladesch, Pakistan, Indonesien, der Türkei, Ägypten, Brasilien oder Mexiko. Bei der UNO-Bevölkerungskonferenz im gleichen Jahr einigten sich dann 137 Staaten tatsächlich formal darauf, etwas gegen das Wachstum zu unternehmen. An vielen Ecken der Welt begann eine politisch und wirtschaftlich forcierte Reduktion der eigenen Bevölkerung. Zum Beispiel: lässt sich eine Frau aus den Slums von Mumbai sterilisieren, wird sie heute mit einem Mixer oder einem Fernseher belohnt. In China setzte die Regierung rigoros die Ein-Kind-Politik durch, nach dem Motto, dann bleibt mehr Geld für den Konsum. Doch nun hat das Land Probleme mit lauter verwöhnten Einzelkindern, dazu noch überwiegend Männer. Und die Alterspyramide kippt auch dort langsam um. Als in Afrika Menschen an Malaria litten, waren in den vom Ausland versorgten Läden kaum Medikamente gegen Fieber, dafür haufenweise Verhütungsmittel geliefert worden.

Wer beschwört eigentlich am lautesten den Untergang der Erde, wenn die Menschheit weiter wächst? Ist es wirklich ein Zufall, dass es die Reichsten in den wirtschaftlich “führenden” Ländern sind. Wie zum Beispiel Ted Turner, einer der größten Grundstücksbesitzer der Welt und Gründer von CNN. Unermüdlich prophezeit er in Interviews und auf Tagungen das Aussterben unserer Spezies, weil immer mehr Menschen eine noch drastischere Klimaerwärmung verursachen würden – also letztlich Hitze und Dürre und in der Folge also auch Hungersnöte. Im Bundesstaat Georgia (übrigens dem Geburtsort von Turner), in Elbert County, stehen seit 1980 die so genannten Georgia Guidestones, ein anonym (!) in Auftrag gegebenes Monument aus Granitstein mit Inschriften – „Geboten“ – in acht Sprachen. Unter anderem kann man dort lesen: „Halte die Menschheit unter 500 Millionen, in fortwährendem Gleichgewicht mit der Natur, Lenke die Fortpflanzung weise, um Tauglichkeit und Vielfalt zu verbessern“.

Was Werner Boote auf seinen Reisen quer durch alle Kontinente vorfindet, ist gemeinhin keine Überbevölkerung, sondern lediglich überfüllte Städte bzw. künstlich zusammengepferchte Armutssiedlungen. Auf der einen Seite. Andererseits – unterbewusst weiß das jeder von uns und glaubt trotzdem an die Horrorszenarien – unglaublich weitflächige, nahezu menschenleere Landschaften, wo der Boden jedoch gemeinhin nicht den Bauern oder der normalen Bevölkerung gehört. Die Armen haben kein Geld, um sich ein Grundstück zu kaufen. Und die Armen aus Mumbais Slums sind nicht diejenigen, die den Klimawandel verursachen, sondern die industriellen Staaten, die eben diese so genannten Drittweltländer um ihre natürlichen Ressourcen erleichtern. Umso mehr Menschen es gibt, desto mehr konkurrieren um eben diese Ressourcen. Die USA und Westeuropa wollen lediglich ihren Wohlstand sichern. Es ist so offensichtlich. Nicht nur in diesem Film, sondern wenn man auch andernorts das Hirn einschaltet. Aber dieser Dokustreifen erhellt vieles. Und das wunderbar unprätentiös.

„Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier“ – wie einst schon Gandhi so treffend formulierte. Doch mit Schreckensszenarien von hungernden, “zu vielen” Menschen kann man schön von den wirklichen Ursachen der Klimakatastrophe und anderen Perversionen ablenken. Bereits 1971 unterstellte John Lennon den damaligen Machthabern in den USA, mit dem Mythos der Überbevölkerung zum Beispiel den Vietnamkrieg auszublenden. Auch er kommt mit einem alten, gut platzierten TV-Ausschnitt in Population Boom zu Wort. Neben Menschenrechtlern, Bevölkerungsplanern, teils selbst ernannten Experten und erfreulich vielen ganz normalen Menschen. Und natürlich ist Bootes Film kein Aufruf sich über die Endlichkeit von Bodenschätzen oder das Problem der Umweltzerstörung inklusive Klimaerwärmung nicht zu sorgen. Im Gegenteil. Nur er rückt eben ein paar Verhältnismäßigkeiten gerade und regt zum Selber-Nachdenken und Weiterrecherchieren an.



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