Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Neu im Kino: Der blinde Fleck

Am 26. September 1980 explodierte eine Bombe auf dem Münchener Oktoberfest. 13 Menschen kamen dabei ums Leben, über 200 wurden verletzt, einige davon schwer. Auch der mutmaßliche Attentäter, der 21jährige Gundolf Köhler starb an diesem Tag. Bis heute sind die Hintergründe des schwersten Terroranschlags in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland unaufgeklärt. Für die damalige Staatsanwaltschaft war der Student bloß ein verwirrter Einzeltäter, der aus rein persönlichen Gründen gehandelt habe. Trotz vieler offener Fragen und unter anderem zahlreichen Zeugen, die Köhler kurz vor der Explosion in Bergleitung mit anderen Personen und im Streit mit diesen gesehen haben wollen, wurden die Ermittlungen gegen Unbekannt 1982 endgültig eingestellt.

Der Spielfilm “Der blinde Fleck” von Daniel Harrich erinnert nun an dieses Attentat. Er basiert auf dem autobiographischen Buch von Ulrich Chaussy. Der BR-Journalist, verkörpert von Benno Fürmann, wurde seinerzeit skeptisch wegen der Einzeltätertheorie. Gemeinsam mit einem Anwalt der Anschlagopfer befragt er Augenzeugen, fährt zur Familie Köhler, trägt Ungereihmtheiten zusammen und macht Radiosendungen darüber. Er bekommt von einem Unbekannten die für die Öffentlichkeit geheim gehaltenen Akten zugeschanzt, die bei ihm noch weitere Fragen und Skepsis bezüglich der Rolle des Bayerischen Verfassungsschutzes aufwerfen. Köhler gehörte zu einer sogenannten, im äußersten rechten Bereich anzusiedelnden Wehrsportgruppe, gegründet in den 1970er Jahren von Karl-Heinz Hoffmann, welche Monate vor dem Bombenanschlag in München verboten worden war. Diese Spur will die Staatsanwaltschaft nicht konsequent verfolgen, vertuscht sie gar.

Bis etwa zu seiner Hälfte baut der Film ziemlich gekonnt eine große Erwartungshaltung beim Zuschauer auf. Selbst der gemeinhin eher eindimensional wirkende Benno Fürmann spielt die Rolle des Journalisten sehr ordentlich. Der Titel spielt mit der “Blindheit” der exekutiven Organe Richtung Rechtsextremismus, das Aufgreifen der NSU-Morde gegen Ende des Streifens soll dieses tatsächlich tiefgehende und alles andere als neue Problem noch unterstreichen. Allerdings bleibt der Regisseur nicht durchgehend konsequent, liefert letztlich nur für Menschen die bisher von berechtigter Skepsis gegenüber staatlicher Behörden gänzlich unempfänglich waren – weil nicht sein kann was nicht sein darf – ein wenig Neues. Aber immerhin: Denkanstöße.

Hingegen, die Rolle von Franz Josef Strauß etwa bei der (Nicht-)Aufklärung, der 1980 seine Wahlkampangie fuhr und auf keinen Fall schlechte Publicity gebrauchen konnte, das Thema Oktoberfestattentat gar auf seine perfide Weise auszuschlachten versuchte, wird nur gestreift. Behördlicherseits gibt es im Grunde nur einen bösen Buben, dem zweitwichtigsten Mann in Bayern, wie er sich selbst nennt, den Chef des Landesverfassungschutzes (Heiner Lauterbach). Und dann wird auch noch die Dramaturgie schlecht: Der Film fokusiert immer mehr auf Ulrich Chaussy, heroisiert ihn und kratzt teils nicht mal mehr an der Oberfläche der Geschichte. Dabei geht die ohnedies nur gestreifte Ungeheuerlichkeit, dass Tatortasservate – allen voran eine durch die Explosion abgerissene Hand, die damals nie zugeordnet wurde und vermutlich einem bis heute unbekannten (Mit)Täter gehörte – schon vor vielen Jahren wegen angeblichem Platzmangel vernichtet wurden, fast unter.

Eine kleine Randnotiz: Im Vorfeld des Filmstartes, Anfang Januar, hat Karl-Heinz Hoffmann der Gründer der ehemaligen Wehrsportgruppe Strafanzeige gegen eines seiner früheren Mitglieder, Walter Ulrich Behle gestellt. Dieser ging nach dem Verbot der Wehrsportgruppe zusammen mit Hoffmann nach Damaskus. Dort soll er in einer Bar mit seiner Beteiligung am Oktoberfestanschlag geprahlt haben. So die Zeugenaussage eines tunesischen Barkeepers gegenüber den Vertretern der Bundesanwaltschaft und des bayerischen Landeskriminalamts im März 1981. Die Aussage wurde von Behörden als glaubhaft eingestuft. Diese Spur wurde von Ermittlern allerdings nie ernsthaft weiter verfolgt, unter anderem weil Hoffmann und Behle am Tattag nicht am Tatort gewesen seien. Behle, der sich später als V-Mann des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen entpuppte, wollte sich später nicht an die im Suff getätigte Äußerung erinnern. In seiner Strafanzeige distanziert sich Hoffmann von Behle, dessen Aufenthalt heute unbekannt ist.



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