Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Ein Film über einen Film und die Zustände in Moria

Die Regisseurin Lina Lužytė begleitet einen afghanischen Filmemacher, der mit seiner Familie auf der Insel Lesbos zusammen mit anderen Asylbewerbern festsitzt. Der Mann dreht selber einen Spielfilm „Picknick in Moria“ mit Laien über das menschenunwürdige Leben der Geflüchteten in griechischen Lagern.

Ursprünglich als Screening-Center und Abschiebehaftgefängnis für knapp Einhundert Menschen gedacht, wurde das Lager bei der Gemeinde Moria auf der Insel Lesbos 2015 im Zuge der so genannten Flüchtlingskrise sehr schnell überbelegt und auf 2.800 Plätze ausgebaut. Bis zu einem großen Brand 2020, bei dem die Behausungen zahlloser Hilfesuchender samt deren Hab und Gut komplett vernichtet wurden, lebten bis zu 15.000 Menschen in Europas größten und heillos überfüllten Flüchtlingslager.

Einer dieser Asylsuchenden in diesem Film im Film, der am 08.06.2023 in Deutschland im Kino startet, ist Talib Shah Hossaini, ein 37-jähriger afghanischer Filmemacher und Schauspieler, der mit seiner Frau Yasamin und den drei Töchtern Farima, Parisa und Marjan vor dem Regime der Taliban geflüchtet ist nachdem er aufgrund journalistischer Arbeiten bedroht worden sei. Alle fünf leben sie nun in einem Bretterverschlag, mit Decken auf dem Boden haben sie es sich ansatzweise wohnlich gemacht. Selbst Wasser müssen sie täglich von einem Gemeinschaftsbrunnen in der Mitte des Lagers heranschleppen. Nach einem Jahr in solch unwirklichen Zuständen beschloss Hossaini einen Spielfilm  über die Zustände zu drehen: mit einer kleinen Kamera und seiner Familie und einigen anderen Lagerbewohnern als Schauspieler. Er schreibt das Drehbuch, führt Regie, spielt auch selbst einige Szenen. Seine Intention: der Film soll seinen Zuschauern die Lebensumstände der Flüchtlinge im Lager schonungslos aufzeigen, ihre Verzweiflung wegen der ungewissen Zukunft greifbar und nachvollziehbar machen, warum mancher Refugee trotz vermeintlich sicherem Boden unter den Füßen Selbstmord begeht. Schließlich, da ist sich Hossaini sicher, “berührt Kino die Menschen auf der ganzen Welt.”

Die in Litauen geborene Regisseurin Lina Lužytė begleitet Hossaini in  „Picknick in Moria – Blue Red Deport“ wiederum mit ihrer Kamera bei seinen Dreharbeiten, aber auch bei seinem realen Alltag in Moria. Das Thema ihrer Dokumentation, die den gleichen Titel wie sein Streifen trägt, ist unglaublich spannend, und die Einblicke, die man aus dem Lager bekommt, erschreckend und tatsächlich förmlich greifbar. Allerdings hätte es ihrem “Meta-Film” mit dem sie “den Schmerz und die Angst der Geflüchteten ins Bewusstsein bringen” möchte, besser getan, wäre die Trennung zwischen den Inszenierungen und Aufnahmen von Hossaini und ihren eigenen Bildern durchweg klarer. Da sie keine stille Beobachterin ist – Lužytė ist selbst zwar nicht im Bild als Interviewerin beziehungsweise auch keine hörbare Off-Stimme – ist manchmal nicht nachvollziehbar, ob  die Aussagen ihres Gegenübers, unter anderem einer der Töchter des Protagonisten, die über den schweren Fluchtweg spricht, einstudiert im Rahmen des Spielfilms sind oder eben spontan  im Rahmen der Interviews erzählt werden.

Vor allem aber kommt eine nachdrückliche Kritik an der generellen europäischen Asylpolitik viel zu kurz, schon gleich gar nichts ist auch zwischen den Zeilen erfahrbar, was Situationen außerhalb Griechenlands betrifft. Dort ist bzw. war es zwar tatsächlich besonders menschenverachtend, aber etwa auch die Situation in den so genannten bayerischen “AnkER”-Zentren ist alles andere als annähernd sozial.  Und das obwohl oder vielleicht gar weil so genannte “Institutionen” wie AWO, Caritas und Diakonie dort formal mitmischen, in Wahrheit aber oft nur eine Menge Geld kassieren, Missstände gar aktiv negieren, aber zumindest selten systematisch gegen staatliche Repression den Mund aufmachen.

 

 

 

 



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