Gleich vier Neustarts möchten wir diese Woche beleuchten, die sowohl formal als auch inhaltlich und last but not least qualitativ kaum unterschiedlicher sein könnten: der Jugendfilm “Offline – Das Leben ist kein Bonuslevel”, “Europa – ein Kontinent als Beute” in dem u.a. Dr. Daniele Ganser und Dirk “Mister Dax” Müller zu Wort kommen, “Do Not Resist – Police 3.0”, der einen Blick in die schon vor Trump nurmehr als verbrecherisch anzusehende USA wirft und schließlich “Hitlers Hollywood”, der vorgibt die Propagandamechanismen des NS-Kinos aufzudecken.
Beginnen wir mit dem Unopitischsten: Im Mittelpunkt von “Offline – Das Leben ist kein Bonuslevel” steht der schüchterne Jan (Moritz Jahn), der die meiste Zeit in der Fantasy-Onlinewelt Ragnarök abhängt. Unmittelbar vor einem wichtigen Turnier um die alle Jahre wieder entscheidende „Schlacht um Utgard“ hat ein Widersacher seine virtuelle Identität gestohlen. Nicht mal mehr das Handy funktioniert, wie es der Teenager will. Und so macht er sich auf, den Schuldigen in der realen Welt aufzuspüren, was erwartbar kein leichtes Unterfangen ist. Oder wie es die PR zum Film umschreibt: auf Jan wartet die „größte Quest seines Lebens.“ Bei einem Zwischenstopp an der Zentrale des Game-Herstellers begegnet ihm die leicht überdreht wirkende Karo (Mala Emde), deren Avatar ebenfalls gehackt wurde. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, bei der die reale Polizei immer wieder in unpassenden Situationen auftaucht, ein guter Kumpel endgültig auf einen Urinbeutel zurückgreifen muss und Jan eine Menge über die wirklich wichtigen Dinge im Leben lernt.
Die Geschichte über’s Erwachsenwerden von Regie-Debütant Florian Schnell (es war seine Abschlussarbeit an der Filmakademie Baden-Württemberg), der auch am Buch mitwirkte, macht im Grunde vieles richtig. Computereffekte werden nicht übertrieben eingesetzt, trotzdem gibt es viele überraschende Szenen, in denen die Ebenen verschwimmen (die Animationen stammen von Piranha Bytes, das viele der Assets im Film aus dem hauseigenen “Risen 3” übernommen habe); die Story im real-life steht jedoch im Vordergrund; die jungen Darsteller agieren durchweg authentisch (wenngleich was die Charaktergestaltung anbelangt im wortwörtlichen Sinn ziemlich eindimensional) – gibt im Zusammenspiel das Prädikat: kurzweilig und recht nett. Aber leider auch nicht mehr! Da gab es inhaltlich wahrlich schon zahlreiche bessere Coming-of-Age-Geschichten. Vor allem einige, die auf betuliche Untertöne zu verzichten wussten – denn “Offline”, von der u.a. durch „Fack Ju Göhte“ bekannten Rat Pack Film ist, auch wenn ein dank Youtube leidlich bekannter Vorspieler wie “Sarazar” mitwirkt, eher ein kleiner Abgesang auf die Gamingkultur als solche. Und eine teils wenig dezente Holzhammermethode “den Kids” zu zeigen, wie schön es doch sein kann, die reale Natur zu erkunden.
Do Not Resist – Police 3.0
Der zweite Streifen, den wir diese Woche beleuchten, ist ein Dokumentarfilm aus den USA, der das Hochrüsten des Polizeiapparats der vergangenen Jahre und den leider mehr als latenten Rassismus vieler uniformierter Amerikaner beleuchtet, ohne dass irgendwelche Offkommentare oder Texttafeln den Zuschauer in irgendeiner Form anleiten – vielmehr wird dem Betrachter eine direkte Erfahrung gegeben. Eine der dummdreistesten Zeitungen des Landes – der eng mit dem Flaggschiff der Atlantikbrücke (“Die Zeit”) verbandelte “Tagesspiegel” – schwallt trotzdem von “agitatorisch”. Dabei enthüllen sich die Statements von zahllosen Law-and-order-Typen, die unter anderem auf Sicherheitskonferenzen oder Kommunalpalamentsitzungen eingefangenen wurden, vor einer Kamera eben schlicht unfreiwillig. Beängstigend wird es auf der Leinwand unter anderem, wenn ein gewisser Dave Grossman das Maul aufmacht – ein ehemaliger West-Point-Offizier der nun Polizisten jedwede Tötungshemmung abtrainieren will. Umso bedauerlicher, dass “Do Not Resist” hierzulande kein groß angelegter Kinostart ist – am ersten Wochenende wird die vom “New Yorker” völlig zu Recht als “alarmierender Film” eingestufte, nur 72 Minuten lange Doku lediglich in Hamburg und München laufen, ist aber gleichzeitig auch bereits legal “digital” verfügbar (via itunes oder oder Amazon Instant Video) – unser Urteil: unbedingt sehenswert. Denn Regisseur Craig Atkinson begleitete SWAT-Spezialeinheiten und andere Staatsdiener, denen in aller Regel offenbar durchaus bewusst ist, zu welchen Kampfmaschinen – gezielt gegen die eigene Bevölkerung – sie seit Jahren hochtrainiert und mit welch perfider Technik sie ausgestattet werden. Technik, die man eben vor geraumer Zeit schlimmstenfalls in Kriegseinsätzen vermutete. Und tatsächlich ist es immer öfter “Werkzeug” der Army, das bei lokalen Polizeiwachen auf dem Hof steht: Amerikanische Ortschaften, die weitgehend frei von Kriminalität sind, beschließen die Anschaffung von Panzerwagen – formal als “Geschenk” der “Heimatschutz”-Behörden, finanziert in Wahrheit natürlich vom gemeinen Steuerzahler.
Spätestens seit die letzten Jahre diverse Morde von Polizisten auch an unbewaffneten (!) Schwarzen durch Videos belegt wurden (die feige Erschießung von Michael Brown in Ferguson 2014 ist ein zentraler Angelpunkt im Film, insb. auch die diktatorische Einschränkung des Demnstarationsrechts danach, die bis heute fortdauernden Repressionen…), die bezeichnderweise oft nicht einmal zu einer Anklage führen, erkennen immer mehr Bürger, dass sie längst in einem Polizei- und Überwachungsstaat leben und sie wissen: vielleicht (noch) nicht alle, aber eben too many cops are bastards (#tmcab)! Wie die Doku zeigt, reicht es in den Staaten oftmals, wenn Denunziation von Nachbarn erfolgen oder irgendwelche ihr Testosteron nicht abgebaut kriegende Bullen Langeweile haben, um beispielsweise Häuser von Afroamerikanern kurz und klein zu schlagen – perverserweise dürfen Cops solche Einsätze noch ungestraft als Erfolg verkaufen, weil im Zuge des Rollkommandos tatsächlich irgendetwas zwischen einem und zwei Gramm Gras (!) bei einem Jugendlichen sichergestellt werden konnte. Und diese Verhältnisse der Einschüchterung und Unterdrückung sind keineswegs “nur” in den USA en vogue, wenngleich sich der Film auf Momentaufnahmen von dort beschränkt! Die kriegsbewährten Taktiken und extremen Überwachungsmethoden bis hin zu den dem Vernehmen nach manchen am liebsten zur Geburtenregulierung heranzuziehenden “Predictive Policing Algorithmen”, die in Amerikas Polizeiapparat bereits offiziell Einzug gefunden haben und längst nicht mehr “nur” rund um Banküberfälle und Geiselnahmen zum Einsatz kommen, werden auch in Westeuropa gezielt implementiert. Unter anderem um den Widerstand von Menschen zu brechen, sie zusammengepfercht in Banlieues mundtot und ohnmächtig zu halten. Wer etwa an Hauptbahnhöfen deutscher Großstädte nicht völlig “blind” ist, weiß seit Jahren, wie Polizisten Migranten oder Menschen, die sie dafür halten, tagein tagaus schikaniert werden. Doch die hiesige Medienlandschaft wäscht seit Monaten, nicht nur wenn sie den u.E. stets irgendwie nach Schwefel riechenden DPolG-Wendt vor’s Mikro lässt, die Gehirne der Bürger wieder mit der Mär, wie drnglich es doch sei, dass “wir” mehr in “die Sicherheit” investieren, Gesetze zum “Schutz” von allen möglichen Einsatzkräften verschärfen müssten, weil alle Jubeljahre irgendein Depp tatsächlich mal einem unbescholtenen Krankenpfleger dumm kommt. Und selbst wenn Fälle eigentlich so eindeutig sind, wie Sommer 2014 in Burghausen, als bayerische Zivilfahnder einen flüchtenden, unbewaffneten Cannabisdealer mittels Schuss in den Hinterkopf ermordeten, wird dies seitens der Staatsanwaltschaften und Staatsfunker verharmlost. Leider wird sich das auch nicht ändern, solange der Großteil der Menschheit hier wie da in Schockstarre verharrt, schweigt oder gar noch selber aktiv Opfer von Polizeigwalt verhöhnt oder Kritiker dieser und anderer Missstände beleidigt oder gar zensiert werden.
Europa – Ein Kontinent als Beute
Während der vorgenannte Polizeifilm von uns als unbedingt sehenswert betrachtet wird, muss das Urteil für die interviewlastige Doku von Christoph Schuch und Reiner Krausz gespaltener ausfallen: es ist kein Film, der im Kino trägt. Dabei sind viele Weisheiten und Analysen die insbesondere Historiker Dr. Daniele Ganser (mit Abstrichen auch Dirk “Mister Dax” Müller) zur politisch gewollten Narrenfreiheit international agierender Konzerne von sich gibt, mehr als berechtigt, oftmals durchaus eloquent und gleichzeitg doch so allgemeinverständlich vorgetragen, wie es für gewichtige und teils recht komplexe Zusammenhänge überhaupt nur möglich ist. Und eben doch ist einerseits vieles so oder so ähnlich seit Jahren andernorts gefühlt schon hundertmal gehört und zum anderen ist die Produktion, die auch spanischen und portugiesischen Aktivisten (etwa gegen die Auswüchse von europäischen Subventionsprogrammen für die Wirtschaft) über die Schulter blickt und Fabio De Masi (der für “Die Linke” im Europaparlament sitzt) zu Wort kommen lässt absolut langatmig gestaltet und – was noch trauriger ist – mit sinnfreien Musikteppichen vollgestopft.
Der Film wäre besser als 60-Minüter zur Prime-Time im öffentlich-rechtlichen TV aufgehoben. Aber ARD und ZDF verwenden die Milliarden GEZ-Gelder zu jener Sendezeit lieber für Seichtes und verzichten selbst auf den oft gen Mitternacht ausgerichteten dokumentarischen Sendeplätzen, formal anspruchsvolleren Programmen gemeinhin auf das “klar Kante”, das in “Europa ein Kontinent als Beute” bei all seinen Schwächen im Detail glücklicherweise vorherrscht. Tragikomisch vor diesem Hintergrund ist der Verriss der längst staatskonformen “taz” – die zu diesem Streifen von einem “‘Russia Today’-Sound” fabuliert, und so tut, als sei es ein Hirngespinst, dass auf unserem Kontinent korrupte Eliten immer mehr und mehr einstreichen, oder erstunken und erlogen, dass die EU “unter der Knute der Vereinigten Staaten” steht. Schön wär’s wenn es auch nur halb so schlimm wäre wie im Film angedeutet – aber nicht erst seit dem systematischen Plattmachen der Normalbevölerung in Spanien, Griechenland, Portugal und anderen Staaten durch die unheilige Dreifaltigkeit von Wirtschaft-Politik-und-Massenmedien, lässt sich dieses und anderes eben nicht mehr leugnen. “Unterirdisches Niveau” wie es die “taz” dem Film attestiert, legt nicht dieser, sondern “Journalist” Tilman Baumgärtel selbst an den Tag: denn er belässt es nicht bei seinem rotzfrechen Teaser sondern holt noch weiter aus und behauptet, es gäbe “Verschwörungstheorien, mit verantwortungslosem Gelaber und barem Unsinn” auf der Leinwand. Doch statt auch nur irgendeine explizite Aussage im Film auch nur ansatzweise plausibel zu widerlegen, wird eben in der vorgeblich (!) linken Tageszeitung unter anderem implizit bestritten, dass durch “die EU-Politik im Allgemeinen und ihre Maßnahmen zur Bewältigung der Finanzkrise im Besonderen … die Armen ärmer und die Reichen reicher” würden. Im vierten Absatz outet sich Baumgärtel dann endlich, warum er gar so viel Gift und Galle spuckt – wobei das eben mit diesem Film und Themengebiet nicht mal zwischen den Zeilen zu tun hat: einer der „Talking Heads“, dem die Regisseure tatsächlich viel Raum geben, ist der Schweizer, in der “Kritik” der taz als eitler “Schwätzer” beschimpfte Daniele Ganser, der die letzten Jahre insbesondere auch mit großen Zweifeln an der offiziellen 9/11-Darstellung aufhorchen ließ.
Ach ja, die “taz” ist nicht die einzige “Zeitung” die zürnt: auch die “HNA” (dort namentlich ein Mark-Christian von Busse) geben Feuer, das man sogar als Aufruf zur Zensur von missliebigen Kulturgütern deuten könnte – der Typ schreibt tatsächlich wortwörtlich: “Wie um alles in der Welt hat dieser Film die Auswahlkommission (des Kasseler DOK-Fests”, Anm. kulturkueche.de) passiert?” Gute Nacht Meinungsvielfalt!
Und damit nochmal zurück zum “taz”-Verriss: Kritiker des Neoliberalismus passen dem “Grünen”-Blatt offenbar generell nicht in den Kram, und so wird dort nach Ganser auch Börsenexperte Dirk Müller ausführlich abgewatscht. Ebenfalls zunächst mit Dingen, die im Film keine Rolle spielen. Dann aber, wohl um sich nicht gänzlich lächerlich zu machen, aufgrund einiger Statements rund um ein Buch von Zbigniew Brzezinski, ein Mann der einst Sicherheitsberater von US-Präsident Jimmy Carter war. Eine interessante Episode erinnert Müller damit übrigens. Aber so sehr man “Europa ein Kontinent als Beute” eben gegen die allzu durchsichtige Kritik der “Kollegen” verteidigen muss, ein großer Wurf ist die Produktion trotzdem nicht. Und das nicht “nur” weil eine patente Antwort, wie das Zusammenleben in Europa fairer und solidarischer gestaltet werden könnte, ohne sprichwörtlich alle Paläste niederzubrennen, ausbleiben muss.
Hitlers Hollywood
Aber unter’m Strich allemal sehenswerter als der vierte Film, den wir diese Woche im Vorfeld gleichwohl theoretisch interessant fanden und deswegen für Sie gesichtet haben: spätestens nach einer viertel Stunde ist bei “Hitlers Hollywood” klar, hier reiht ein gewisser Rüdiger Suchsland (bisher bekannt – oder eben nicht – als Filmkritiker) einfach nur Filmschnipsel deutscher “Schaffenskunst” der 1930er und 1940er Jahre wild gemixt aneinander, um die sattsam bekannten Propagandaziele Goebbels zu belegen und gleichzeitig seine These durchzudrücken, dass viele Filme letztlich viel besser seien als ihr Ruf. “Das deutsche Kino im Zeitalter der Propaganda 1933-1945” lautet seine Dokumentation, die er mit einer schlicht nervtötenden Stimme leider selber aus dem Off kommentiert (zu allem Übel alle Meter lang auch noch mit nicht wirklich relevanten privaten Anmerkungen oder dem Raushängenlassen von vermeintlichem “Filmlatein” garniert) im Untertitel. Der Erkentnisgewinn geht indes gegen Null – dass einerseits nicht wenige Produktionen jener Zeit “den Juden” zum Feindbild stilisierten und andere Streifen mit viel Revue-Tamtam von Kriegen ablenken und andererseits die “Moral” für eben jene verbrecherischen Feldzüge stärken sollte, darf als sattsam bekannt angesehen werden.
Hier nun erfährt man nicht einmal Relevantes zu der Frage, welche der weder thematisch noch chronologisch sortierten Ausschnitte aus allen möglichen und unmöglichen Filmgenres bis heute unter die sogenannten “Vorbehaltsfilme” fallen, die nicht für den allgemeinen Vertrieb freigegeben sind und nur eingebunden in kritische Vorträge und anschließende Diskussionen gezeigt werden dürfen. Geschweige denn, dass Suchsland, der immerhin andeutet, dass Opferbereitschaft und Heldentod auch schon vor Hitler bis zum Exzess geprießen worden waren, auch nur ansatzweise ernsthaft anreißt, dass auch in der Gegenwart politische Systeme, insbesondere im Kino, Themen direkt und indirekt zu steuern verstehen bzw. wie heutzutage “Filmförderung” funktioniert. Selbst “Geschichten” über Heinz Rühmann oder Hans Albers wirken in “Hitlers Hollywood” seltsam steril respektive erscheint auch die eine oder andere Bemerkung des Regisseurs über manche “Filmdiva”, die es Suchsland warum auch immer mehr angetan hat, als die bekannteren Damen, die sich dereinst vereinnahmen ließen, nicht nachvollziehbar. Am spannendsten ist die Doku, wenn sie beispielsweise erzählt, dass seinerzeit auch Ingrid Bergmann damals in Deutschland gedreht hat (in “Vier Gesellen”), was sie später kaum noch wahr haben wollte. Oder wenn der Film in wenigen Sequenzen erwähnt, dass es auch “unter Hitler” Regisseure gab, die dereinst Subversives wagen wollten und sogar teilweise hier und da entsprechende Duftmarken setzen konnten. Schade eben nur, dass mit dieser Dokumentation hier offenbar ein “Experte” am Ende den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sah: denn das muss man zu Suchslands Ehrenrettung sagen – in den zwölf NS-Jahren entstanden tatsächlich unfassbare 1.000 Filme. Dazu auch nur drei, vier ersthaft abgegrenzte Stränge zu analysieren ist eine Mammutaufgabe. “Hitlers Hollywood” meistert sie aber nicht einmal ansatzweise.