Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Von Verkuppelungsversuchen und Weißdornblüten

PR-Info

Fünf mehr als vielversprechende Musik-CDs oder eine “göttliche Komödie” auf DVD abstauben – kurzum, hier und heute heißt es in Ihrer kulturkueche.de wieder GEWINNE, GEWINNE, GEWINNE: Weihnachten ist noch nicht ganz verklungen, da präsentieren wir in dieser Runde schon wieder sechs tolle Themen – konkret wartet Folgendes auf glückliche Gewinner: 1. ein musikalisch höchst abwechslungsreiches Album, bei dem sich alles um Marcel Prousts Roman »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« dreht; 2. die zweite CD eines selbst erklärten Spätzünders, 3. ein Album mit Gitarrenrocksongs bester Güte, beeinflusst vom New Wave; 4. eine DVD über drei Religionen, zwei Männer und ein Kamel; 5. zum 10-jährigen der ersten EP von “Die Höchste Eisenbahn” Musikgenuss auf Vinyl; und last but not least 6.: eine CD mit dem originären Titel “Trauriges Tier”. 

Alles was Sie tun müssen um kostenfrei an wenigstens einen dieser lohnenswerten Kulturleckerbissen zu kommen: Uns bis zum 29.01.2023 per mail mit dem Betreff “lustig” an trueffel@kulturkueche.de verraten, welches ihr allerliebster, lebender, deutschsprachiger Comedian (egal ob w/m/div) ist – schreibt uns das neben Eurer Postadresse und schon seid ihr im Lostopf. Wie bei allen schönen Spielen bzw. Preisausschreiben gilt auch bei uns, dass der berühmt-berüchtigte Rechtsweg ausgeschlossen ist. Erwähnen Sie zudem gerne in Ihrer Einsendung, welches der Gewinnspielthemen Sie ganz besonders begeistert. Werden Sie von unserem Glückself^^ gezogen, versuchen wir dies besonders zu berücksichtigen solange der Vorrat an den unten genannten Preisen reicht.

 

Keimzeit Akustik Quintett

Gleich der erste Song des Albums tönt mit ruppigen Gitarrensounds davon, dass man im stressigen Alltag keine Zeit mehr findet, ein Buch, geschweige denn einen Roman in die Hand zu nehmen. »Schlag ich ein Buch von dir auf, schlaf ich kurz danach ein« heißt es darin. Bei den dann folgenden 12 Stücken geht es, hoppla, um nichts anderes als um einen Roman, um »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« von Marcel Proust. Äußerst abwechslungsreich bewegt sich das Album vom arabisch angehauchten »Scheherazade« über das im luftigen Discosound gekleidete »Nach zwanzig Jahren« bis hin zum chanson-jazzigen »Françoises Welt«. Wie kam es dazu?

Norbert Leisegang, Texter und Komponist des neuen Keimzeit Akustik Quintett Albums mit dem Titel »Schon gar nicht Proust«, legte die Studio-Produktion in die Hände seines langjährigen vertrauten Tontechnikers und Produzenten Jürgen Block. Dieser wählte zum Einspielen diesmal bewusst kein Studio außerhalb Deutschlands in Norwegen oder auf Malta, sondern die technisch sehr gut ausgestatteten Castle Studios in der sächsischen Provinz, in Röhrsdorf nahe Dresden.

In jenem abgeschiedenen idyllischen teil sanierten Schloss ließen sich die Musiker Hartmut Leisegang (Bass), Martin Weigel (Gitarre), Christian Schwechheimer (Schlagzeug) und die Violinistin Gabriele Kienast auf ein Experiment ein, welches mit dem Vorgängeralbum »Albertine« begonnen worden war. Mit dem Keimzeit Akustik Quintett sucht der Kopf der Band Norbert Leisegang nach Möglichkeiten, Themen und Musikstile anzufassen, die sich aus seiner Sicht durch eben jenen Klangkörper mittels szenischer Bilder und deren Atmosphäre wunderbar ausdrücken lassen. In dieser Absicht machten sich im Studio die Musiker mit ihrem Produzenten daran, für jedes einzelne der Lieder, die Leisegang nach Figuren und Orten von Marcel Prousts Roman »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« schuf, einen eigenen Sound zu finden. Wobei sich das Album durchaus auch demjenigen erschließt, der den Roman nicht gelesen hat.

Der Hörer erfährt, wohin es das Sofa von Tante Leonie verschlägt, weshalb sich die Großmutter des Romanhelden fotografieren lässt, was dem Geiger Charlie Morel auf die Nerven geht, wie aus einem verschlafenen Fischerdorf ein verkommener Touristenort an der Atlantikküste wird und dass der Vorzug des Lebens auf dem Land der Mangel an Nachteilen ist.

Die mit Weißdornblüten verzierte Sanduhr des Frontcovers zeichnete die Grafikerin Francisca Drechsler. Die Sanduhr will sagen: Wer sich 37:52 Minuten Zeit genommen hat, das Album zu hören, wird feststellen, dass er weit entfernt von der Gegenwart einen Moment lang mitten im Leben stand.

 

Alexander Liebe

Es ist tatsächlich sein Geburtsname! Was liegt da näher, als unverstellt über das Leben zu schreiben und Musik zu komponieren? Liebe ist schließlich die größte Kraft im Universum, sozusagen unser Leben und das ist häufig pur und ungeschönt. Der Pop-Musiker versteht es, eben dieses Leben in seinen Absurditäten auszudrücken. Mit Charme, Witz und einer Prise wohltuender Melancholie.

Die tanzbaren Indiepop-Sounds sind von weichen, vollen Stimmfarben getragen und der Künstler bedient sich auch den Stilmitteln aus elektronischen Beats und Synthies. Eine geschickte Verflechtung von harmonischen, satten Klängen und philosophisch unverblümten, scharfsinnigen Inhalten.

Sein neues Album (beim Label “unserallereins”) Spielautomat erscheint digital, sowie limitiert auf Vinyl (75 Stk. rot & 75 Stk. hellblau) und CD (75 Stk. rot & 75 Stk blau); produziert und gemixt wurde es von Johannes Stöckholzer (Tipps für Wilhelm, helianth, Josias Ender, …) und gemastert von Ludwig Maier (Marathonmann, Moop Mama, Jesper Munk, Tim Bendzko, Madeline Juno, …).

Alexander Liebe interpretiert den Deutsch-Indie auf seine ganz eigene Weise mit Stilelementen á la Niels Frevert, Die Höchste Eisenbahn, aber ebenso Element of Crime. Als Anspieltipp empfehlen wir den Track “Niederlage“. Seine Leidenschaft zur Musik habe Liebe, der Lehrer an der Kehler Albert-Schweitzer-Schule ist, relativ spät entdeckt. „Ich habe erst mit 17 begonnen, Gitarre zu spielen, mit Mitte 20 hatte ich mein erster Konzert,“ verriet er vor knapp drei Jahren einer Regionalzeitung. Er sei tatsächlich ein klassischer „Spätzünder“, aber seit 2012 betreibe er die Musik eben nicht mehr nur als Hobby, sondern professionell. Zunächst als Singer- und Songwriter, später zusammen mit seiner Band.

 

Thommy Krawallo


Er hat sich Zeit gelassen für sein unlängst erschienenes Album „Irreversibel“. Der Musikproduzent, Gitarrist und Bassist Thommy Krawallo spielt seit Jahren in der Band von Liedermacher Hans-Eckard Wenzel, produziert dessen Alben und die zahlreicher anderer Musiker. Doch im Laufe der Jahre sind auch immer wieder eigene Songs entstanden – Gitarrenrocksongs bester Güte, auch beeinflusst vom New Wave der späten 70er und frühen 80er Jahre. Nun hat er zehn seiner deutschsprachigen Lieder im Kabumm-records Tonstudio produziert und aufgenommen. Dabei war es ihm eine besondere Freude, von der Produzenten- zur Interpretenrolle zu wechseln, der eigenen Kreativität freien Lauf zu lassen und seine Musikerfreunde Hannes Scheffler (Gitarren), Conny Ochs (Schlagzeug) und Caterina Westphal (Keyboard/Backings) zum Musizieren einzuladen.

Die Märkische Allgemeine lobt: „Irreversibel“ ist ein … Album voller mitfühlender und mitreißender Songs, deren komplette Kraft sich auch auf der Bühne entfaltet. Fans gut gemachter, deutschsprachiger Rockmusik, die bereit sind, abseits des Etablierten, Perlen in der Musiklandschaft zu entdecken, sei das Album nahegelegt.

Der Kollege Torsten Gränzer erzählt in seinem Blatt auch eine Hintergrundgeschichte aus den 1980ern zum einzigen Cover-Song auf Krawallos neuem Album: Mit seiner Band „Crash“ spielte der Künstler in der DDR seinerzeit schon eigene Songs. Bei einer der in dieser Zeit üblichen Einstufungsüberprüfungen, mit denen Amateur-Bands ihre staatliche Spielerlaubnis erhalten konnten, hätte “Thommy im Ledermantel und einer im Kostümverleih geborgten US-Polizeimütze auf der Bühne” gestanden “um mit der Band den Extrabreit-Song ‘Polizisten’ zu spielen. Für diese Entgleisung durfte er bei der Einstufungskommission antanzen und sich erklären: ‘Ich sagte denen, dass wir die amerikanischen Polizisten meinten, die in New York Schwarze verprügelten’ – dass der Song auch auf einer anderen Ebene im eigenen Lande zu verstehen war erschloss sich den Ausführenden der Einstufungsmaschinerie nicht.”
Nicht ganz Koscher – Eine göttliche Komödie (Alpenrepublik GmbH)

Drei Religionen. Zwei Männer. Ein Kamel.

In die Wüste geschickt hat sich Ben (Luzer Twersky) glatt selbst. Um den Verkuppelungsversuchen seiner Familie in Jerusalem zu entgehen, bietet er sich kurzerhand an, nach Alexandria zu fliegen, um die einst größte jüdische Gemeinde der Welt zu retten. Der fehlt nämlich dringend der 10. Mann, um das Pessachfest zu begehen.

Nachdem Ben zuerst das Flugzeug verpasst hat und dann auch noch in der Wüste Sinai aus dem Bus geflogen ist, wird Adel (Haitham Omari), ein mürrischer Beduine auf der Suche nach seinem entlaufenen Kamel, Bens letzte Hoffnung. Vorwärts geht es für beide Männer nur gemeinsam, aber wie vereint man ultraorthodoxe Religionspraktiken aus Brooklyn mit Beduinen-Pragmatismus aus dem Herzen der Wüste? Als auch noch das Auto den Geist aufgibt, geht es bald nicht mehr nur ums gemeinsame Essen, sondern ums nackte Überleben…

Mit anderen Worten, neu für’s Heimkino wartet hier eine Culture-Clash-Komödie mit großartigen Wüstenaufnahmen, feinem Humor und einer Botschaft für ein friedvolles Miteinander: Das “heute journal” des ZDF fand es “eine köstliche Komödie, amüsant, nachdenklich und voller Hoffnung.“; “kino kino” beim BR urteilte, dass dieses vielfach prämierte Roadmovie “leicht daher” komme und zugleich große moralische Fragen verhandele; “radio eins” sprach von „Eine(r) schöne(n), eine(r) sehr menschliche(n) Utopie.

Auch viele andere Filmkritiker fanden nur lobende Worte zu der mit dem Bayerischen Filmpreis und dem Fritz-Gehrlich-Preis ausgezeichneten Komödie, die ihre Deutschlandpremiere auf dem Filmfest München feierte. Der überwiegend in der Wüste Sinai spielende Streifen wurde an atemberaubenden Schauplätzen wie dem Wadi Rum in Jordanien gedreht, wo auch „Lawrence von Arabien“ und „Dune“ entstanden.
Immer noch punktuell “unzufrieden”: Die Höchste Eisenbahn – nach zehn Jahren nun auch auf Vinyl!

Irgendwann vielleicht 2010 sind sich Moritz Krämer und Francesco Wilking zum ersten Mal in Berlin Prenzlauer Berg über den Weg gelaufen, nachdem sie einen (weiten) Steinwurf voneinander aufgewachsen waren und ein paar Jahre in Freiburg nebeneinander hergelebt hatten. Wahrscheinlich machte es sowas wie ZOOM, KLICK oder KLONK, denn es genügte ein sanfter Schubs von ihren Konzertagenturen und die beiden standen gemeinsam auf der Bühne, begleiteten sich gegenseitig und sangen zweistimmig.

Das war 2011 im Societaetstheater Dresden und Francesco und Moritz fassten auf der Rückfahrt von dort schon viele zukünftige Auftritte und eine dystopische Rockoper ins Auge.

Die Konzerte wollten sie “mit Freund*innen spielen, das erste mit Gisbert zu Knyphausen in Halle, das zweite mit Judith Holofernes in Berlin”. Danach “ließen sie die Gastsänger*innen weg, spielten aber weitere Shows mit den anderen Livemusikern der ersten Shows: Max Schröder am Schlagzeug, der damals noch mit einem Bein bei Tomte war und Felix Weigt am Bass, der für Spaceman Spiff alle Instrumente spielte und bei den tollen Kid Kopphausen mitmachte. Wir wissen nicht mehr wann die Frage fiel: ‘Sind wir jetzt eine Band?’, aber es muss irgendwann im Prozess der Aufnahmen zur EP ‘Unzufrieden’ gewesen sein”.

Dort hört man zwar noch den Feature-Ansatz – Gisbert und Judith singen auf „Vergangenheit“ – aber vor allem hört man zum ersten Mal den Sound der Höchsten Eisenbahn: Ein-Finger-Casio, Chorus Gitarren, Pluckerbass, Rasseln und Handtuch auf der Snare. Dazu Geschichten von Losern namens Jan und anderen Leuten die zwischen jung und alt und Nacht und Tag ihre Anschlusszüge verpassten.

Es ist 10 Jahre her, aber ein paar Sachen vergisst man nicht. Wie, dass sie eine ganze Nacht Chöre aufgenommen haben für „Die Uhren am Hauptbahnhof“, nur um sie morgens aus Versehen zu löschen. Oder dass Felix einige signature Keyboard-Lines im Liegen eingespielt hat. Das Schreiben der Songs und Aufnehmen ging ziemlich schnell, wie das Coverfoto mit dem Handy im Hof vom Proberaum. Die vier wussten, dass sie auf jeden Fall mehr Platten machen und Konzerte spielen wollten. Es folgten drei bunte Alben mit großen kleinen Songs und award winning live-Shows, aber so leicht ging ihnen nie wieder etwas von der Hand wie diese erste EP.

 

Bastian Bandt – Trauriges Tier (Buschfunk)

Viele, die Lieder machen, sind darin bewandert, ihre eigene Perspektive zutiefst anzunehmen, weit Wenigeren gelingt es, darüber hinauszugehen. Auf seinem dritten Studioalbum, er ist also kein Vielschreiber, sehen wir Bastian Bandt auf einem neuen Gipfel – von dort, wo das Leben schön weh tut: Er lebt am Rande der Uckermark. Fast jedes Wochenende reist er von hier mit seiner Gitarre, links, und dem Rollkoffer, rechts, sowie einer DB-Karte, um auf diversen Bühnen, in Clubs und auf Festivals zu spielen. Er fährt nicht nach irgendwo, sondern nutzt seinen Standortvorteil, um in seinen Texten und Geschichten mit Leichtigkeit, Schwermut und mit poetischer Kraft Intensität zu entwickeln.

Für „Alle Monde“ (2019) verdiente er sich nicht nur den Preis der Deutschen Schallplattenkritik und stabile Platzierungen in der „Liederbestenliste“. Es offenbarte bereits einen gereiften Liederdichter, der sich sein Land und seine Geschichte auf selbstbewusste wie selbstzweifelnde künstlerische Art zurückgeholt hat. Auf „Trauriges Tier“ ist der Blick, der Schmerz, die Lebenslust nochmals geweitet. Er spielt auf zum Tanz: Der Katastrophen. Der zerbrochenen Lieben. Der Träume und Alpträume. Bandt ist dabei außergewöhnlich sprachgewaltig und … sprachzärtlich. Er ist schonungslos – gegen sich und gegen uns.

Musikalisch – auf Gitarre und Harp konzentriert, spartanisch und üppig zugleich, entstehen subtile Klanglandschaften, voller harmonischer Fülle und variantenreicher Melodieläufe. Gitarrenbuch tauglich. Bandt kann Schmerz empfinden, ausdrücken, ohne Selbstmitleid zu produzieren, eine Widerständigkeit entwickeln, die Glücksempfinden einschließt. In den neuen Liedern findet man nie ein sarkastisches Grinsen, eine zartbittere Melancholie hingegen schon. Der Künstler wirkt mal verträumt, mal versponnen, immer souverän, mal zweifelnd, rau oder einfach emphatisch: Pinocchio darf kein Junge mehr sein. Das traurige Tier probt den Aufstand und sein Mädel liegt bei einem ander’n…



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