Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Von Rindern, Hirschen und einer ganz besonderen Büroliebelei

Der wichtigste “Film der Woche” ist weder etwas für eingeschworene Veganer, noch für Menschen, die allzu rational gestrickt sind: “Körper und Seele”, eine betont poetische, aber keine Spur kitschige Liebesgeschichte, spielt größtenteils in einem Budapester Schlachthof sowie in den getrennten Schlafzimmern zweier seiner Angestellten.

Vor rund zwanzig Jahren erzählte die ungarische Regisseurin Ildikó Enyedi in ihrem Spielfilm “Winterliebe” die schwierige Liebesgeschichte zwischen einem Bergbauarbeiter und einer Kindergärtnerin. Bereits 1989 – man nennt jene Zeit auch gerne die, in der sich der “eiserne” Vorhang in Europa öffnete – errang sie in Cannes mit ihrem Debutstreifen “Mein 20. Jahrhundert” erste Kritikerpreise. Zeitsprung in den Februar 2017: mit “Körper und Seele”, hagelte es bei dem allerdings generell seit vielen Jahren nicht mehr besonders überdurchschnittlichen, bekanntesten deutschen Filmfestival – der Berlinale, die in dieser Saison aber immerhin auch Aki Kaurismäkis ebenfalls wunderbares Flüchtlingsdrama “Die andere Seite der Hoffnung” bereit hielt – wichtigste Auszeichnungen.

Enyedis Geschichte indes ist auch jetzt, viele Monate später, einer der besten, vor allem innerhalb der Kategorie melancholische Filme, die dieses Jahr in deutschen Kinos starteten. Die Handlung dreht sich wie eingangs erwähnt um zwei Menschen, die im selben Betrieb arbeiten. Namentlich um die Qualitätskontrolleurin Mária (Alexandra Borbély) und den deutlich älteren Endres (Géza Morcsányi), den Direktor des Schlachthofs. Beide aus unterschiedlichen Gründen Außenseiter.

Die junge Budapesterin leidet offenbar schon seit Kindheitstagen an unter Zwangsstörungen bzw. einer leichten Form von Autismus. Sie hat Angst auch nur beiläufig berührt zu werden, kann auch noch nach Tagen auf Zuruf beispielsweise den siebzehnten Satz eins zu eins zitieren, der ihr über zwei getrennte Gespräche hinweg von ihrem Gegenüber gesagt wurde. Er hingegen hat eigentlich “nur” einen lahmen Arm, aber mit dem Leben und der Liebe schon länger abgeschlossen. Glaubt er zumindest.

Was der Zuschauer nach kurzer Zeit weiß, muss den beiden Protagonisten eine aufgrund eines Diebstahls zufällig in den Betrieb herbeigerufene Psychologin offenbaren: dass zwischen Mária und Endres eine märchenhafte Seelenverwandtschaft besteht. Die Beiden träumen seit einigen Nächten den selben Traum: als Hirsch und Hirschkuh sind sie in winterlichen Landschaften unterwegs und nähern sich zaghaft einander an. Der von poetischer Leichtigkeit und Melancholie geprägte Streifen ist wahrlich ein flammender, wenngleich durchweg leiser Appell, eine etwaige Komfortzone zu ver- und sich auf das Leben einzulassen. Und es ist nebenbei bemerkt ein Film mit einer nicht nur überragenden Hauptdarstellerin sondern auch einer, mit einer durchweg einnehmenden, eindringlichen Bildsprache, die weder beim Rinder-Schlachten noch bei einem einmal im Hintergrund laufenden Porno auf Explizites verzichtet. Vor allem nicht, wenn es um die Einblicke in die beiden sehr verletztlichen Seelen von Mária und Endres geht, etwa wenn es gilt, uneingestandene Sehnsüchte greifbar zu machen. Und nicht einmal, wenn auch “nur” die dringend nötige Anschaffung eines Handys skizziert wird.

Kurzum: Glasklar der “Film der Woche”. 



Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *