Von ihm stammt einer der unseres Erachtens aller wichtigsten europäischen Filme der letzten zehn Jahre: Nocturama. Nun kommt mit “The Beast” die neueste Arbeit des französischen Filmregisseurs Bertrand Bonellos (*1968) in die Kinos in Deutschland. Ein Epos der besonderen Art, eine Reise durch verschiedene Zeiten, mit den immer gleichen Hauptfiguren. Ein Film in dem Tauben, ein immer mit mit der Zeit gehender Club und auch Masken eine große Rolle spielen und man sich “die DNA reinigen, die im Laufe vieler verschiedener Leben geernteten Traumata eliminieren lassen kann…wie eine Hormonregulation, nur auf höherer Ebene!” So zumindest de Theorie, mit der eine KI lockt.
Zu Beginn ist Léa Seydoux, die in der Rolle als Gabrielle in allen Handlungssträngen und Erzählzeiten in puncto glaubwürdigem Spielen jeden Bruchteil einer Sekunde zu glänzen vermag, in einem Greenscreen-Room, ein Regisseur gibt ihr die Anweisung sich ein Monster vorzustellen und sich dementsprechend zu verhalten. Bei einem ersten Zeitsprung weit in die Vergangenheit wird sie der von George MacKay ebenfalls herausragend interpretierte Louis an ihre selbst da bereits Jahre zurückliegenden diffusen Ängste vor etwas Unbeschreiblichem wie Unausweichlichen erinnern und sich als guter Wächter andienen.
Dazu gesellen sich im Laufe der Zeiten irgendwann Fragen a la “wie ist der Gesichtsausdruck einer “neutralen” Puppe, welchen die Protagonistin – sie befindet sich da gerade wieder in einer lange vergangenen Epoche- statt mit der vorgegebenen Palette an Möglichkeiten von glücklich über traurig und ängstlich formal lapidar mit “nicht zu emotional, so dass das Spielzeug eben möglichst viele Leute anspricht” beantwortet, wobei sie selbst die Klaviatur der Gesichtsausdrücke gut nutzt. Bei einem späteren Louis wird es Gabrielle hingegen außer mit einer grundsätzlichen Faszination phasenweise auch mit der Angst zu tun bekommen. Denn da ist ihr Gegenüber ein von zu vielen Körben des anderen Geschlechts gerade dabei einen Amoklauf aus Rache “an den Frauen” zu starten. Ohnedies gibt es einige Tode in diesen drei fließend verwobenen Geschichten.
“The Beast” ist im besten Sinne vielschichtig, was natürlich durch den Ritt durch unterschiedliche Epochen verstärkt wird – und auch emotional ohne je pathetisch rüber zu kommen. Vor allem schafft es Bertrand Bonello wie bereits 2016 im hierzulande völlig unterschätzt gebliebenen “Nocturama” (mehr als ein Film über die sogenannte verlorene Jugend) durchweg authentisch zu erstrahlen. Der eigentliche Handlungszeitpunkt ist jetzt 2044, menschliche Emotionen gelten als Hindernis, derer man sich entledigen muss. Nur dann kann man – wie KI-gestützte Programme – noch als produktive Arbeitskraft in Erwägung gezogen werden. Doch wie sieht es für Menschen aus, die nach eigener Aussage weder Buddhistin noch Roboter sein wollen. Ohne zu spoilern: verdammt schwierig!
Bonellos Sci-Fi-Film stellt aber nicht nur das Verhältnis des Menschen zur KI auf den Prüfstand. Er behandelt nicht nur die Angst vor großen Gefühlen. Es ist eine komplexe und gleichsam alptraumhafte Produktion, selbst eine Nutzung gleich mehrerer Schubladen vom Thriller, über Science-Fiction und der unglücklichen Romanze oder (trotz der formalen Schwenker in Vergangenes und Zukünftiges) Gegenwartsfilm wird dem Ganzen nicht mal ansatzweise gerecht. Daher nur der abschließende Hinweis noch: “The Beast” ist eine Produktion, die man unbedingt auf großer Leinwand gesehen haben muss! Prädikat: Film des Monats!