Ein Film, der just am 03. Oktober in die Kinos kommt und auch eine Menge über deutsch-deutsche Themen erzählt, wobei es nicht um die Wiedervereinigung geht, auch eigentlich überhaupt nicht um “Westdeutschland” (außer im Abspann) sondern implizit um die ehemalige DDR (insbesondere auch die Zeit vor deren nahendem Ende) und immer auch über die NS-Zeit, hat einen ganz eigenwilligen Stil. Und eine ebensolche Erzählweise. Beides im positivsten Sinn des Wortes. Christina Friedrichs “Zone” – unbedingt sehenswert, und zwar unbedingt auf großer Leinwand!
Erst im Abspann bekommt die Protagonistin einen Namen. Und auch da keinen richtigen, sondern eher einen Titel: (die) Rebellin. Ebenfalls nur in den einen experimentellen, sehr frei illustrierten und eher assoziativ gehaltenen Ritt durch verschiedene Jahrzehnte abrundenden Texttafeln wird explizit auf die Nachwendezeit Bezug genommen: die Folgen der Treuhand-Plünderungen werden dann kurz erwähnt. In den über zwei Stunden davor durchwandert besagte Protagonistin zunächst “den mythischen Harz und erforscht die Landschaft, die unter dem Berg Kohnstein liegt. Sie entdeckt eine beunruhigende Welt. Der Krieg kehrt in ihre Träume zurück. Sie möchte glauben, hoffen und lieben und erlebt Zwang. Wächter mit Hunden, in einer hermetisch abgeriegelten Zone, begrenzen ihre Welt. Das Mädchen wächst in einer großen Familie auf. Als ihre Mutter seelisch erkrankt und lange Zeit in einer Klinik sein muss, verändert sich die Kindheit des Mädchens. Zunehmend greift das gesellschaftliche System in ihr Leben ein. Die stille Rebellin macht sich auf die Suche nach einem Leben, das sich wie das Eigene anfühlt…”
Mitten in der Wendezeit wird sie ein Kind zur Welt bringen, davor aber eine mystisch angehauchte Reise durch die Zeit durchstehen und eine Menge interessanter, meist wortkarger Begegnungen (u.a. mit einer traurigen Göttin und einem Priester in einer Zelle) haben, nachdem sie ein Loch in einer Wand freigelegt und somit eine Reise durch die Zeit begonnen hat. Dreh- und Angelpunkt ist der Großraum des thüringischen Nordhausen, wo einst KZ-Häftlinge unter Tage Hitlers vermeintliche Wunderwaffe, die V2, bauen sollten. Der Zuschauer von “Zone” bekommt aber weder irgendwelche nachgespielten Weltkriegsbilder präsentiert, geschweige denn irgendwelche NS-Uniformen, Reden oder Taten.
Stattdessen: Exzellente Bildkompositionen, eine oftmals poetische Sprache (der Film beruht auf einem eigenen Roman der Regisseurin Christina Friedrich namens “Keller”), stets stimmiger Einsatz von Sound und Musik, eindringliche Sequenzen, die nur einer beherzten wie aufwändigen Motivsuche und einer ebensolchen Vorbereitung für die gesamte Crew entsprungen sein können. Man ist verleitet irgendwelche dann aber doch bestenfalls ganz entfernt, nur ansatzweise passende Formulierungen wie kafkaesk zu strapazieren. Oder Anleihen bei Buñuel oder Peter Tscherkassky zu suchen und sich auch damit gehörig zu verheddern. Zone ist vielmehr tatsächlich ziemlich “unique”! Wenn auch wirklich sehr viel Aufmerksamkeit einfordernd. Wenn es um wirkliche Sehnsucht, um innere wie äußere Konflikte und dem wohl zu kalkulierenden Weg nach Widerstand geht, aber ein vergleichsweise kleiner Preis.
Zumal der Kinogänger auch noch mit durch die Bank überzeugenden, oft sehr berührend agierenden Darstellern belohnt wird: größtenteils unverbrauchte, im Sinne von weitgehend unbekannte Gesichter (von der als “Erika Burstedt” aus “Stromberg” bekannten Martina Eitner-Acheampong einmal abgesehen). Vor allem die junge Hauptdarstellerin: schlicht bravourös! Die 1996 geborene, in Berlin lebende Kea Krassau und ihre blau-grünen Augen kannte man bisher bestenfalls aus zwei Folgen der TV-Serien “Die Toten vom Bodensee” und “Soko Stuttgart” sowie einem Kurzfilm (“Vom Stehen und Fallen”), der aber auf einigen Festivals recht erfolgreich lief. Kinogänger werden ihr Gesicht fortan hoffentlich öfter sehen können, und vor allem noch viel mehr von der sie perfekt inszenierenden Regisseurin. Christina Friedrich ist übrigens Jahrgang 1965, passenderweise im Spielort ihres Films geboren und hat hier somit also tatsächlich sehr viel Biographisches verarbeiten können.