Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Ein Verheirateter zwischen zwei Musik-Singles

Was haben Udo Jürgens New York-Träumereien in den 1980er Jahren und der Freundeskreis-Hit “A-N-N-A” (1999) mit einem aktuellen französischen Kinofilm zu tun, bei dem Musik nicht mal eine wirkliche Nebenrolle spielt? Die Antwort findet sich in “Nur Fliegen ist schöner” nicht, wenn man nur darauf achtet, wie gut es gelingt, dass Regisseur Bruno Podalydès auch gleich (wieder) die Hauptrolle übernahm oder in einer Reise mit einem Kajak gar eine Flucht “vor der Komplexität der Moderne” vermutet, sondern nur wenn man bereit ist, mit “Beiden” vollends abzutauchen.

nurfliegenistschoenerPodalydès ist hierzulande noch nicht sonderlich bekannt. Eventuell manch einem durch seinen Part rund um das Montmartre-Teilstück in dem starbesetzten, rund zehn Jahre zurückliegenden Omnibus-Film “Paris, je t’aime” (für andere Ecken der Frankreich-Metropole inszenierten unter anderem Wes Craven, Tom Tykwer, Gérard Depardieu oder die Coen-Brüder) oder dank seiner Mysterykomödie “Das Geheimnis des gelben Zimmers”. Beides übrigens Produktionen in denen Podalydès nicht nur Regie führte, sondern auch auch vor der Kamera mehr oder minder zentrale Rollen spielte. Das tut er in “Nur Fliegen ist schöner” erneut und spätestens zur Mitte des Films weiss man: kaum jemand hätte das Alles besser darstellen können. Das “Alles” ist dabei auf den ersten Blick gar nicht sonderlich viel, entsprechend schnell erzählt (ohne Spoiler-Alarm!) und von außen betrachtet auch gar nicht sonderlich aufregend: Ein 50-jähriger Grafikdesigner scheint nicht so recht glücklich in seinem Job, bisher begeisterten ihn außerhalb des miefigen Büros wohl eher Flugzeuge im Leben, aber als er durch “Zufall” auf ein Kajak-Angebot im Internet stösst, ist er von der Vorstellung, auch in so einem Gefährt unterwegs zu sein, angefixt. Erfreulicherweise ist seine Frau generell eine recht lockere und so rät sie ihm mal eine Woche für sich das neue Hobby und schöne Landschaften zu erkunden, sich mal eine richtige Auszeit zu gönnen…

Zu Recht fragen Sie sich liebe Leser was das nun mit “Ich war noch niemals in New York” und vor allem mit A-N-N-A von Freundeskreis zu tun hat. Ersteres ahnen Sie vielleicht? Hauptfigur Michel steckt erkennbar in einer kleinen Midlifecrisis, ehe er zu der Flußfahrt, die ihn unter anderem Bekanntschaft mit der reifen Witwe Laetitia (Agnès Jaoui), der tagträumerischen Mila (Vimala Pons), dem einen oder anderen Angler, einem freundlichen Security-Mann sowie zwei lebenslustigen Männern, die tagtäglich betonen letzte Nacht guten Sex gehabt zu haben, machen lässt, aufbricht. Und dass er in den Weiten des WWW die ansonsten offensichtlich nicht unbedingt seine bevorzugte Wahlheimat zu sein scheinen, überhaupt auf besagtes kayak-Angebot stößt, liegt in “Nur Fliegen ist schöner” daran, dass Kollegen sich eines Tages gerade darin zu übertrumpfen suchten, besonders schöne Beispiele für ein Palindrom zu finden. Und wie bei A-N-N-A liest es sich eben auch beim Kajak (selbst dann wenn man es versehentlich wie den Namen eines Reiseanbieters schreibt) eben von hinten wie von vorn.

Finden Sie jetzt etwas zu hingebogen, das mit den beiden Musik-Singles. Dann sind Sie überreif für diese aber ohnedies wunderbare, mit viel Feinsinn, Leichtigkeit und unaufdringlicher Situationskomik erzählte, durch die Bourgogne führende Komödie, die nur eine gravierende Schwachstelle hat: es gelüstet einem nach dem Betrachten zwangsläufig nach einer kleinen, gerne unkonventionellen Auszeit, man hat unbändigen Appetit auf gute Dorfküche, inklusive dem einen oder anderen Absacker. Und man hat unweigerlich irgendwelche komischen Lieder im Hinterkopf, die man an “normalen” Tagen eigentlich sooo klischeehaft oder sonstwie ausgelutscht empfindet. Wir wünschen Ihnen, dass es dann wenigstens nicht die Beiden von uns ins Spiel gebrachten Titel sind, und dass Ihr Kühlschrank mehr als Fertigpizza und Dosenravioli in der Hinterhand hat. Und einer MiesepetIn einer ohnedies unsäglichen Tageszeitung, die diesem Streifen überhaupt – und gar noch zu viel – schief sitzenden Klamauk andichtet und allen ernstes neben einer unterstellten Flucht “vor der Komplexität der Moderne” gar ein “Die Geschlechterrollen sind rückschrittlich”-Urteil fällt, wünschen wir, da sie auch an Chevalier unlängst sinnfrei herummäkelte, fortan ihre Zeit als Kritikerin nurmehr in seichten deutschen Komödien oder US-Popcorn-Kino absitzen zu dürfen – denn sowohl verträumtes als auch innovatives europäisches Arthouse-Kino scheinen “Kollegin” Dettke tendenziell zu überfordern.



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