Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Schwanzvergleich auf hoher See

Regisseurin Athina Rachel Tsangari nimmt sich in ihrem schwarzhumorigen Film “Chevalier” das Thema Männlichkeitsrituale vor und lässt ihre Protagonisten während einer Schiffsreise in einem Wettbewerb “Der Beste in Allem” antreten. Ein schlichtweg tragikomischer Film aus Griechenland über mangelhafte Morgenlatten und nur schwerlich glänzendes Silberbesteck.

ChevalierSechs augenscheinlich wohl situierte Männer unterschiedlichen Alters verbringen gemeinsam Zeit auf einer Luxusyacht – besonders gern mit Tauchen und mit Fischen im Ägäischen Meer. Am Anfang ist es ihre Beute, die sie gegenseitig vergleichen und stolz in die Kamera halten. Als sie dann an einem Abend keine Lust mehr auf profane Kartenspiele zwischendurch haben, beschließen sie “In Allem der Beste” zu spielen, in dem der Sieger mit einem wertvollen Ring – dem Chevalier – belohnt wird. Alle sechs – das sind der alternde Yachtbesitzer (Yorgos Kendros), der von allen nur Doktor genannt wird; sein Schwiegersohn Yannis (Yorgos Pirpassopoulos); dessen pummeliger, trotz etwa dreißig Lebensjahren kindlich wirkender Bruder Dimitris (Makis Papadimitriou); Christos (Sakis Rouvas), ein Playboy in den Vierzigern, dessen Arbeitskollege und Kumpel Josef (Vangelis Mourikis); sowie Yorgos (Panos Koronis), der Ex-Mann beziehungsweise Ex-Freund der Tochter des Doktors und der Ehefrau von Yannis – bewaffnen sich von nun an mit Notizblöcken und vergleichen alles, wirklich absolut alles miteinander: wer sich besonders eloquent auszudrücken vermag, wie sich wer kleidet, wer am coolsten rüber kommt, wer die beste Beziehung vorzuweisen hat, wer am besten das angegraute Silberbesteck auf Hochglanz zu polieren vermag oder am streifenfreiesten die riesigen Boots-Fenster putzen kann, wer wie im Schlaf aussieht, wessen Blutwerte am gesündesten sind – bis hin zu der Frage, wer nach dem Aufwachen die beeindruckendste Erektion aufzeigt. Tag um Tag, Stunde um Stunde wird was als scheinbarer Zeitvertreib begann, zu einem verbissenen und verrückten, immer häufiger auch Mobbing, Trickser- sowie Geheimniskrämerei einschließenden Wettkampf.

Regisseurin Athina Rachel Tsangari, die als neue Stimme der griechischen Filmkunst gefeiert wird, liefert hier einen sehenswerten, tragikomischen Film über männliche Machorituale. Ihr wunderbar agierendes Ensemble – zu oben genannten zählen noch ein Koch und dessen Gehilfe, die ihrerseits untereinander Wetten über den potentiellen Gewinner abschließen und sich täglich gegenseitig von ihren Beobachtungen zu dem Sextett berichten – treibt die herrliche Absurdität des sprichwörtlichen Schwanzvergleichs unter Männern durchweg authentisch wirkend auf die Spitze. Teilweise baut der Streifen eine so bedrückende Atmosphäre auf, dass der Zuschauer mit dem Schlimmsten rechnet. Kaltschnäuzig hält Tsangari der männlichen Psyche den Spiegel vor – ohne belehrend oder abrechnend zu sein – und zeigt, wie schnell Freunde sich im Falle eines Falles bereit sind, sich gegenseitig zu verletzen und zu denunzieren, gerade wenn es “nur” um das Ehrgefühl geht.



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