Schon manche Filme des japanischen Regisseurs Sabu (“Drive”, “Monday”, “Chasuke’s Journey”), der mit bürgerlichem Namen Hiroyuki heißt und dessen Künstlername auf die so genannten Yakuza Bezug nimmt, drehten sich um Verfolgungsjagden und asiatische “Unterwelten”. In “Mr. Long”, seinem neuesten Streifen, startet auch alles mit einer Gewaltszene. Besser gesagt gleich zweien. Doch dann gönnt sich die Geschichte erst einmal den einen oder anderen kulinarischen Ausflug.
Die ersten Filmminuten spielen in der taiwanesischen Großstadt Kaohsiung. Ein paar kurze Kameraschwenks auf Streetfood-Märkte und Neonreklamen und man ist mitten drin in einer Gangsterszenerie, die außer für eine Person sehr blutig und sehr tödlich enden wird. Und dabei hat der Protagonist nur ein einziges Messer im Einsatz und gleich fünf Gegner. Nur die sanfte Musik im Hintergrund will nicht so recht zu dem passen, was abläuft. Beziehungsweise passt sie denn eben doch perfekt: denn gerade bei Filmen von Sabu ziehen sich Gegensätze gerne an und ergeben letztlich ein stimmiges Ganzes. So auch hier: “Mr. Long” lebt durchweg von einer wohlportionierten Mischung aus Komik und Tragik, wie man sie im europäischen Kino in der Form selten, im US-Kino fast nie antrifft.
Der überlebende Auftragskiller (Chen Chang) aus dem ersten “Kapitel” droht wenige Filmmeter später – die Handlung ist da bereits in Japan angekommen – jedenfalls selber zum Opfer zu werden: Die Situation für ihn ist schier aussichtslos. Er steckt nach einem misslungen Profilerauftrag wehrlos in einem Sack und viele mordlustige Rächer der Yakuza prügeln bereits gnadenlos auf ihn ein. Und es ist hier nicht sein kriminalistisches Geschick, welches sein Überleben sichert, sondern ein eher aberwitziger Zufall. Gleichwohl ist er ziemlich stark verletzt und ohne Pass, als er – noch im Sack steckend – in eine Wellblechhüttensiedlung fliehen kann. Ab dann wendet sich die Handlung von “Mr. Long” für sehr weite Strecken vollends. Der namenlose Gangster macht die Bekanntschaft des Jungen Jun (Bai Runyin) und seiner heroinabhängigen Mutter Lily (Yiti Yao). Und trifft über kurz oder lang auf eine leicht schrullige, aber im Grunde sehr liebenswerte Nachbarschaftsclique. Was dann alles passiert oder fast passieren könnte, pendelt irgendwo zwischen Patchworkfamilie und unverhoffter zweiter Karriere bzw. Überbrückungsjob in höchster Not. Denn “Long” braucht für seine Flucht aus Japan rauszumindest Reisegeld. Und da nimmt er die Idee seiner neuen Freunde sich als Graküchenbetreiber zu verdingen dankend, allerdings konsequent schweigend an. Im Grunde redet die Hauptfigur nahezu den gesamten Film über ausschließlich mit dem kleinen Jun.
Für europäische Sehgewohnheiten hat der Streifen manche Längen. Auch sind viele Szenen im Grunde tendenziell vorhersehbar. Aber mit welchem Charme, mit welchem stimmig bleibenden Wendungsreichtum Sabu hier erzählt, ist absolut sehenswert. Erst recht, da der Film dank feiner Kameraarbeit sowie dem zurückhaltenden, aber gleichwohl nuancierten Spiel von insbesondere Killer und Kind, eine Herzenswärme ausstrahlt, die man in einem Gangsterfilm so schon lange nicht mehr gesehen hat.