Selten waren bei einem kooperativen Brettspiel tatsächlich alle Mitstreiter so permanent gefordert wie in Magic Maze. Dass bei dem hierzulande im Pegasus-Verlag erschienenen Superheldenabenteuer jeder der Spieler nur bestimmte Bewegungen ausführen und man grundsätzlich überhaupt nicht miteinander reden darf, machen den Diebeszug durch ein Kaufhaus schon in den Einstiegsszenarien nicht gerade leicht. Und das ganze Unterfangen wird von Runde zu Runde ja auch noch schwerer.
Was machen ein Barbar, ein Zwerg, ein Magier und ein Elf in einem Kaufhaus? Und warum dürfen sie nur in seltensten Ausnahmesituationen miteinander reden? Solche profanen Fragen, wenn ein viel versprechendes Spiel das Setting und die Regeln vorgibt, sollte man eigentlich gar nicht stellen. Aber die Anleitung der von Kasper Lapp für “Sit Down!” erdachten und von Gyom illustrierten Herausforderung für 1 bis 7 Spieler ab 8 Jahren, gibt hierzu durchaus befriedigende Antworten. Zum einen: Den vier Superhelden sind wichtige Besitztümer abhanden gekommen – und so bliebe ihnen “nichts anderes übrig, als das örtliche Magic Maze Shoppingcenter zu überfallen und all die Ausrüstung zu klauen, die sie für ihr nächstes Abenteuer brauchen”. Dass sie bei einem solchen Diebeszug so leise und unauffällig wie möglich vorzugehen haben – denn wir leben ja im Hier und Jetzt, und da ist natürlich alles penibel überwacht – versteht sich von selbst. Und so ist auch klar, warum die Menschen, die die Figuren durch ein nach und nach größer werdendes Labyrinth ans Ziel bringen wollen, bei den Missionen weitestgehend zu schweigen haben. Übrigens an alle Schlaumeier: Auch gestikulieren darf man nicht! Bestenfalls einander anstarren. Notfalls aber immerhin auch grimmig anstarren.
Agiert wird bei Magic Maze also stets gemeinsam. Niemand gewinnt hier für sich alleine. Scheitert einer im Kampf gegen die Sanduhr ist der jeweilige Parcours für die gesamte Spielerrunde verloren. Unabhängig von der Teilnehmerzahl – man kann sich übrigens manchen Szenarien auch ganz allein stellen: in einer rasanten Abwandlung eines Geduldsspiels – kommen immer alle vier Heldenfiguren zum Einsatz. Jeder Mitsreiter erhält zu Beginn einer Spielerunde nach dem Zufallsprinzip zugeteilt, in welche Himmelsrichtung er Elf, Barbar und Co. ziehen darf. Das entsprechende Aktionsplättchen gibt auch Auskunft, ob man derjenige ist, der den Superhelden für eine gewisse Zeit das Kurzstrecken-Teleportieren (via “Vortexfeld”) oder – profaner – das Benutzen einer Rolltreppe ermöglichen kann.
Da es auf dem Weg zu den vier verschiedenen Geschäften mit den gesuchten Ausrüstungsgegenständen sprichwörtlich kreuz und quer geht, ist eine sehr gute Koordination untereinander gefragt. Und dann ist da ja eben noch die erwähnte Sanduhr: Magic Maze ist nämlich auch ein Wettkampf gegen die Zeit! Denn auf Dauer kann man der Überwachung durch die Kaufhaus-Security natürlich nicht entgehen: Superhelden, die mitunter nicht einmal ihre speziellen Ausrüstungsgegenstände beisammen halten können, sind eben auf idealerweise blindes Verständnis derjenigen angewiesen, die sie in diesem Abenteuer steuern. Wie das en detail mit jenen Ausnahmesituationen geregelt ist, in denen die Mitspieler dann doch kurz miteinander Worte austauschen dürfen, wie in allen anderen Fällen eine extragroße “Tu was!”-Figur jene Kollegen wachrüttelt, die gerade einen gewichtigen Spielzug zu verpennen drohen, also gerade die gesamte Mission ausbremsen, oder wie das mit dem nach und nach größer werdenden, verwinkelten Spieltableau funktioniert, ist in der Anleitung dieses Pegausus-Spiele-Titels sehr anschaulich und damit leicht verständlich, ausführlich erklärt. Erfreulicherweise gibt es in jedem Spielplanszenario versteckte Spezialorte, an denen die Heldenfiguren die realen Zeitläufte zu ihren Gunsten beeinflussen können, so dass eine Sanduhreinheit die eigentlich nur drei Minuten pro Mission gewährt, für die Mitspieler summa summarum auch mal wie eine gute Viertelstunde erscheinen und die jeweilige Herausforderung damit zumindest ein wenig leichter gestemmt werden kann.
Unserer Einschätzung nach brauchen aufnahmebereite Spieler keine zehn Minuten Vorbereitungszeit um startklar – also theoretisch für alle Abenteuer gewappnet – zu sein. Was sie dann erwartet, ist nicht nur im positivsten Wortsinn absolut kurzweilig, sondern auch vergnügsam und vom Spielprinzip tatsächlich absolut innovativ. Dank der in der Spielanleitung vorgegebenen 17 unterschiedlichen, nach und nach immer schwerer werdenden Szenarien, ist lang anhaltender Spielreiz garantiert. Erst recht, da es nicht “nur” kniffliger wird, sondern in Etappen immer neue Spielregeln hinzu kommen, die das Spielgeschehen nahc und nach noch komplexer und im Umkehrschluss das Gewinnen noch schwieriger machen. Magic Maze ist einer der wirklich allerbesten “turbulenten” Titel, die die vergangenen zwanzig Jahre als Brettspiel konzipiert wurden. Und das erfreulicherweise zu einem Kaufpreis von unter 25 Euro. Der einzige Haken: er ist weniger für Spieletische geeignet, an denen Menschen sitzen, die sich noch nicht so gut oder gar nicht kennen. Denn es gilt wirklich: die Akteure, die die Superhelden steuern, sollten wie ein gutes Fußballteam nach einer betont kurzen Aufwärm- besser gesagt Sondierungs-/Planungsphase ohne große Gesten und Worte situativ und teamorientiert ihre jeweiligen Teilzüge (eben etwa diese oder jene Figur nach Norden, Osten, Süden oder Westen bewegen) möglichst bltzschnell ausführen und über die gesamte Spieldauer hellwach bleiben.