Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Kulturtipps 15.-30. November 2013 – u.a. mit Matthias Egersdörfer und Lisa Batiashvili

Nachdem Michael Krebs im Schlachthof und Nick Cave & The Bad Seeds im Zenith unlängst bereits “ausverkauft” vermeldeten, konzentrieren wir uns im Folgenden u.a. auf die Herren Egersdörfer, Uthoff und Deutschmann, die sinnigerweise alle in der gleichen Location – namentlich dem Lustspielhaus Halt machen. Neben weiteren Wortakrobaten wie Zimmerschied und Willemsen empfehlen wir Konzerte mit Lisa Batiashvili sowie den Klazz Brothers.

batiashviliLisa Batiashvili & BR-Kammerorchester Prinzregententheater (11 Uhr!)
Sie gehört derzeit weltweit zu den gefragtesten jungen Geigerinnen: sie trat etwa auf mit dem New York Philharmonic Orchestra
auf, war beim Europakonzert der Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Sir Simon Rattle dabei, und sie konzertierte mit weiteren namhaften Künstlern. Für ihre Interpretation des Violinkonzertes von Jean Sibelius wurde die in Deutschland lebende Georgierin mit dem Klassik Echo 2008 als beste Nachwuchskünstlerin (Streicher) ausgezeichnet.
1991, im Alter von 11 Jahren hat sie ihre Heimatstadt Tbilissi Richtung Ingolstadt verlassen. Wie viele anderen auch, emigrierte ihre Familie wegen des Bürgerkrieges in Georgien. Das Land, das grade mal die Unabhängigkeit von der damals noch existierenden Sowjetunion errungen hatte, verstrickte sich schon damals in innenpolitische Machtspiele. Während Freunde und Verwandte zurückblieben, nahm die kleine Lisa ihre ungebremste Lust zu musizieren mit. Sie kann sich gar nicht entsinnen, je ohne Musik gewesen zu sein.


Schon ihr Vater Tamas Batiashvili war ein bekannter Geiger in Georgien, der in einem von ihm gegründeten Streichquartett spielte, und auch Privatstunden gab.  Die Mutter war Klavierlehrerin. Beide haben zu Hause unterrichtet, so war Lisa, ein Einzelkind, in der Familie, permanent von musizierenden Menschen umgeben. Lisa Batiashvili erinnert sich, dass sie schon mit zweieinhalb Jahren eine Geige bekommen habe, “und dann mit vier Jahren wirklich lernen wollte, wie man darauf spielt. So habe ich meinen Vater gebeten , dass er mir jeden Tag beibringt, wie man aus ihr  schöne Töne herausbringt.” Tamas Batiashvili blieb bis zum ihren 12. Lebensjahr ihr einziger Lehrer. In Deutschland schickte der Vater sie dann zuerst nach Hamburg, an die dortige Musikhochschule, und zwei Jahre später kam Lisa nach München in die berühmte Geigenklasse von Ana Chumachenko, deren Schülerinnen immer wieder für Furore sorgen, wie Arabella Steinbacher, Julia Fischer oder Susanna Yoko Henkel. Die Ausbildung zeigte auch bei Lisa Batiashvili rasch Erfolge, mit 16 gewann sie als jüngste Teilnehmerin den 2. Preis des Sibelius-Wettbewerb in Helsinki – das war im Jahr 1995. Weitere Auszeichnungen kamen dazu, unter anderem der Bernstein Award beim Schleswig Holstein Musikfestival 2003 oder eben jüngst der Klassik Echo. Ohnedies wissen Kritiker und Musikwissenschaftler seit langem um die Vorzüge der so genannten russischen Schule, zu der Ana Chumachenko und ihre Art des Unterrichts zählt.


Batiashvili zählt sich selbst nicht hundertprozentig zur russischen Schule, weil sie in Deutschland schließlich mit vielen europäischen und amerikanischen Musikern zusammengearbeitet habe. Die junge Frau ist heute eine der angesagtesten Geigerinnen weltweit, so trat sie neben dem New York Philharmonic Orchestra oder unter der Leitung von Sir Simon Rattle beispielsweise auch mit Dirigenten wie Vladimir Ashkenazy, Christoph Eschenbach, Lorin Maazel, Zubin Mehta oder Sakari Oramo auf. Verstärkten Druck aufgrund der Popularität verspürt sie allerdings kaum: “Sobald man ins Rampenlicht kommt, hören Menschen ein bisschen anders zu,… aber für die Bühnenauftritte hat sich eigentlich wenig geändert. Das ist ja auch was ich seht zehn Jahren mache… Für mich ist es wichtig, wie man auf der Bühne steht, was für eine Leistung man dort bringt… So lange ich mich selbst akzeptieren und  kritisieren kann, dann bin ich mehr oder weniger zufrieden.”


In München wird Batiashvili (Violine) begleitet von François Leleux (Oboe) und dem Kammerorchester des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks und unter Künstlerischer Leitung von Radoslaw Szulc u.a. Johann Sebastian Bach (Doppelkonzert c-moll für Violine, Oboe und Orchester BWV 1060) sowie Arnold Schönberg (“Verklärte Nacht” op. 4 spätromantisches, melodisch-reiches Sextett in der Wagner-Nachfolge in der Orchesterfassung nach einem Gedicht von Richard Dehmel) zum Besten geben.


egersdoerfer_muenchen17.11. Matthias Egersdörfer – Lustspielhaus


Mittlerweile ist die Fangemeinde des gelernten Medienberaters, der unüberhörbar aus dem Nürnberger Land stammt, bundesweit ins Unermessliche gestiegen. Der 1969 geborene studierte Germanist, Philosoph und Künstler ist dabei vor allem dank seiner vielen Wutausbrüche in nur wenigen Jahren auch bei den rar gesäten anspruchsvollen TV-Unterhaltungsformaten ein gern gesehener Gast. Es ist ja auch nahezu unmöglich, ihn nicht ins Herz zu schließen, diesen korpulenten Mann mit dem schütteren Haar und dem grimmigen Gesichtsausdruck, wenn er von ganz gewöhnlichen Alltagssituationen erzählt, die im Verlauf des Abends immer abstruser werden. Oder wenn sich Egersdörfer in Rage redet, das Publikum anbrüllt. Man könnte glauben, der Mann explodiere gerade. Ob als kleiner Bub mit der Mutter an der Wursttheke, im Kampf gegen Kundenkartenwahnsinn im Supermarkt, beim Rätseln über die Art der Gegenstände die sie auf deutschen Autobahnen umherfliegen oder bei seinen angsteinflößenden Erinnerungen an die Schulzeit – Papierschiffebasteln inklusive. Seine Geschichten sind stets brüllend – oder zumindest tragikomisch. Und daher gehen wir davon aus, dass auch sein neues Programm “Vom Ding Her” sehenswert wird, zumal^^ es gut möglich sei, dass in den neuen Geschichten auch sprechende Singvögel vorkommen und drei Gerüstbauer.



classic_meets_cuba20.11. Klazz Brothers – Prinzregententheater


Für ihre Alben „Classic meets Cuba“, „Jazz meets Cuba“ und „Mozart meets Cuba“ wurden die Klazz Brothers & Cuba Percussion mit zwei Echo Klassik, zwei Jazz Awards und einer Grammy-Nominierung ausgezeichnet. Nach mehr als 500.000 verkauften Alben weltweit und zehn Jahren „Classic meets Cuba“ mit über 500 Konzerten geht nun die Fortsetzung des Erfolgsprogramms auf Tour. Dabei werden Sie u.a. Klassik-Ohrwürmer wie Khatschaturians „Säbeltanz“, Vivaldis „Vier Jahreszeiten“, Beethovens „Ode an die Freude“ und die „Mondscheinsonate“ mit Swing, Merengue, Afro und Latin Jazz zusammenzuführen.


zimmerschied22.11. Sigi Zimmerschied – Kulturzentrum Trudering


1953, in der Bischofsstadt Passau geboren machte sich Zimmerschied im Alter von 22 Jahren bei heimischen Konservativen nachhaltig unbeliebt. Zuvor hätten bereits einige Lausbubereien für Unmut gesorgt. Das Premierenstück der mit Bruno Jonas frisch gegründeten Kabarettgruppe „Die Verhohnepeopler“– es hieß „Himmelskonferenz“ – wurde zum Skandal. Zimmerschied bekam eine Klage mit dem Vorwurf der Gotteslästerung und wurde erst nach einem halbjährigen Ermittlungsverfahren freigesprochen. Beim Bayerischen Rundfunk blieb Zimmerschied daraufhin gleich für weitere drei Jahre auf dem Index. Vor einigen Jahren erinnerte er sich im Exklusivgespräch mit kulturkueche.de an diese Zeit “als ob es gestern war: Es ging um die Personifizierung des Himmels. Dargestellt wie ein völlig bankrotter Himmel. Müder Gottesvater, ständig besoffener Heiliger Geist, Jesus, der nur kifft, Maria, die zum zweiten Mal schwanger ist. Und diese ganzen Amtskirchenfunktionäre, Petrus, der politische Geschäfte macht. Die Entmystifizierung des Himmels, das war eigentlich der Auslöser.”


Weitere Klagen sollten folgen. Seiner Lust am Provozieren tat das keinen Abbruch. Während für Zimmerschied Passau zum Sinnbild für Beschränktheit, und für das Erzkonservative in Bayern wurde, beschimpfte man ihn landauf landab als Nestbeschmutzer. 1980 bekam den Mann mit der unglaublich bewegten Mimik den Deutschen Kleinkunstpreis für Kabarett und im gleichen Jahr wurde er auch mit dem Friedrich-Baur-Preis für Darstellende Kunst ausgezeichnet – als erster Kabarettist überhaupt. Es wurde Zeit sich mit Passau auszusprechen. Und so entstand das etwa auch auf der CD „Sigi Zimmerschied – Werkschau 1983-1989“ enthaltene, an mehr als einer Stelle doppelbödige „Samma wieda guat“. Seiner Kritik an der katholisch-konservativen Kirche blieb er natürlich treu. Dabei war er als Kind und Jugendlicher ein fleißiger Kirchgänger: durchlief einen katholischen Kindergarten, war Ministrant, Lektor und Pfarrjugendführer. Der Passauer studierte sogar vier Semester lang Religionspädagogik. Umso mehr er sich aber mit dem Papst und seinen Konsorten beschäftigte, desto abstruser und fremder wurde ihm das Thema. Vor etwa zwanzig Jahren trat er denn zusammen mit seiner Frau aus der Kirche aus: “Es war ganz eigenartig: Wir wollten das schon lang, und während ich mit meiner Frau am Standesamt war, im Zuge dieser Heiratsformalitäten fragt uns der Standes-beamte „Und: Konfession?“. Dann haben wir gesagt „Um Gottes willen, wir wollten ja austreten“, haben den dann sitzen lassen, sind ins nächste Zimmer, beide ausgetreten und zurück haben wir dann konfessionslos rein geschrieben.”


Die Kirche ist aber weitem nicht das einzige Ziel von Zimmerschieds politischem Kabarett: Das bayerische Urgestein spürt sprichwörtlich überall Missstände respektive Wunden auf, in denen er sprichwörtlich bohren kann. Ob gewalttätige Grenzpolizisten, dank denen Flüchtlinge bei der ohnedies fragwürdigen Abschiebung auf einem scheinbar stinknormalen Linienflug ums Leben kommen, Oberflächlichkeiten der Medien oder zubetonierte Köpfe in Politik und Gesellschaft.. Überhaupt: Tabus kennt Zimmerschied nicht, schließlich hat er auch eine ganz eigene Definition von Komik: “Der Mensch an sich ist ein heilloser Witz und von daher schon grenzenlos. So muss auch ein Witz grenzenlos sein”.


In seinem neuen Programm “Einwürfe eines Parasiten” spielt Zimmerschied übrigens den “skrupellosen Opportunisten und Hausvermieter Alois”.


willemsen22.11. Roger Willemsen – Gasteig


Im Rahmen der 54. Münchner Bücherschau heißt es heute Abend “Es war einmal oder nicht. Afghanische Kinder und ihre Welt” – Auf seiner letzten Reise im Herbst 2012 von Kabul bis ins Panshirtal hat Willemsen das zivile Leben Afghanistans durch die Augen von Frauen und Kindern betrachtet. Seinen mit Briefen und Aufsätzen von jungen Menschen, deren Alltag der Krieg ist, angereicherten Bericht von dieser Reise begleiten die mal rührenden, mal amüsanten, mal erschütternden Bilder, auf denen sich die afghanischen Kinder ein Bild von ihrem Leben machen. Sie sagen zum Zeitpunkt, da internationale Truppen das Land verlassen, auch etwas aus über das Leben, das dort zurückbleibt.


uthoff24.11. Max Uthoff- Lustspielhaus (Nachtrag “ausverkauft”*)


Vor vier, fünf Jahren noch schien es so, dass außer Hagen Rether und Georg Schramm im deutschen Kulturbetrieb kaum mehr einer wirklich den Mund aufmacht. Doch die, die dahingehen, wo es wehtut, sind anscheinend doch noch nicht ausgestorben! Politisch anspruchsvolles Kabarett hat seit geraumer Zeit wieder ein relativ junges neues Gesicht zu bieten! Das, was wir an Ausschnitten aus Max Uthoffs aktuellen Aufführungen kennen, tut im besten Wortsinne weh. Wir zitieren, statt selber über den grünen Klee zu loben, im Weiteren dennoch nur aus der Programmwerbung – die ist schlicht zu schön: “Kabarett ist unanständig. Denn es bedeutet sich in aller Öffentlichkeit über sein Personal lustig zu machen. So etwas tut man nicht. Max Uthoff weiß das. Er tut es trotzdem. Max Uthoff ist oben. Als Mann, Weißer, Westeuropäer. Da heißt es, die Pfründe zu sichern gegen die Hungrigen, die ihr Stück vom Kuchen abhaben wollen: Migranten, Arme, Frauen. Und so ruft man Ihnen zu: Das Leben ist kein Wunschkonzert! Eher eins von Rammstein. Zu teuer, schlecht im Geschmack, das Böse anbetend. Die gute Nachricht lautet: Wir Deutschen haben auch anständig bezahlte Leiharbeiter: Politiker. Wir leihen ihnen die Arbeit, von der wir ahnen, dass sie zu schmutzig ist um sie selbst zu machen. Das ist gut so, denn für eine gerechtere Weltordnung haben wir selbst keine Zeit. Hereinspaziert, meine Damen und Herren, in das Panoptikum des alltäglichen Wahnsinns. Max Uthoff gibt sich die Ehre als Reiseführer durch ein Land, in dem sich jeder Zehnte nach einem starken Führer sehnt. Und das trotz Roland Pofalla. Lassen Sie sich verunsichern durch ein Programm, dass sich den wichtigsten Fragen wie immer verweigert: Ist die Justiz nur eine Freisprechanlage der Mächtigen? Was wächst von unten: Stalaktiten oder Antisemiten? Und wenn deutsche Eltern ein kluges Kind wollen, müssen sie dann eins aus Südkorea adoptieren?”

* An gleicher Stelle – namentlich am 29 +30.11. – gastiert übrigens auch der Kabarettist Matthias Deutschmann. Und Uthoff selbst tritt im Lustspielhaus auch am 29. und 30.12.2013 sowie am Mi, 08.01. und 24.02.2014 auf.



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