Ihr neuester Film sei „Eine düstere, makabre Geschichte, in der es keine Wunder und keine Spezialeffekte gibt, die von der Erforschung der menschlichen Natur ablenken können“, so die Drehbuchautorin, Regisseurin und Produzentin Anja Kreis über einen Streifen, der auf betont ernüchternde Art und Weise eine Menge über Doppelmoral im Allgemeinen und das Thema Schwangerschaftsabbrüche im Besonderen erzählt. Auf einer Ebene des Films geht es auch um Familienbande und die Geburt des Antichristen, des teuflischen Kindes.
Am Anfang des hierzulande dank des häufig mit Leinwandperlen glänzenden déjà vu Filmverleih am 30.01. ins Kino kommenden Streifens “Die Vertriebenen” Lehrerin Varvara (Maria Chuprinskaya) diskutiert mit ihren Schülerin über die Theorie, dass Gott tot ist. Und über die Frage nach der Existenz des irrationalen Bösen in der menschlichen Natur. Das Drama, welches mancher auch in das Genre Horrorfilm verorten wird, und nicht “nur” Gedankenwelten von Herodot und Nietzsche streift, ist eine Gemeinschaftsproduktion von Kreativen in Frankreich, Moldawien und Deutschland und dreht sich ein größeres Stück um Varvaras Schwester: Dana Ciobanu verkörpert hier eine Frauenärztin, die die Zahl der Abtreibungen in der “Stadt X” reduzieren soll.
Wenn man als Zuschauer die Hintergrund-Info kennt, dass die Drehbuchautorin, Regisseurin und Produzentin Anja Kreis (geb. Anna Kruglova) selbst Kind einer Gynäkologin ist, wirkt nicht nur die Sequenz in der die Film-Ärztin einer jungen Frau, die glaubt, den Anti-Christ in sich zu tragen, mit einer illegalen Schwangerschaftsbeendigung hilft und den herausgeholten Embryo zu sich mit nach Hause nimmt, gleich noch einmal eine Spur doppelbödiger als ohnedies.
Kreis’ Film, in dem insbesondere einige ältere Männer regelmäßig über einen vermeintlichen Sittenverfall lamentieren ohne diesen näher zu benennen, in dem ein latent gruseliger Priester umhergeistert und auch das Thema Prostitution immer wieder implizit auftaucht, stößt bei Journalistenkollegen eher auf verhaltenes Lob oder sogar ausdrücklich negative Kritik. Der “Filmdienst” etwa schreibt “Ein philosophisches, abgründig gefilmtes, aber auch aufdringliches und prätentiöses Schauermärchen, das seine formalen Stärken durch seine gespreizte Machart verschenkt.” Richtig ist, der Film unterläuft gezielt gängige Sehgewohnheiten und die Art “moderner” Inszenierungen. Darüber hinaus: gerade, weil “Die Vertriebenen” tatsächlich Nichts enthält was sich besagter “Filmdienst” gewünscht hätte (Etwas “Von der fröhlichen Wissenschaft und der freudvollen Provokation des deutschen Philosophen”) ist es ein rundum tiefgehender Film, der auch nicht darauf verzichtet, durchaus triggernde Bilder mit ausgekratzten Embryos und Nachblutung am Boden oder sich krümmende Zehen als stumme Schreie, zu verwenden. Gekonnte Spielereien mit Licht und Schatten, der absolut sinnvolle, sehr umfangreiche Einsatz einer Steadicam schafft neben der vielschichtigen und gerade keine vorgefertigten Antworten mitliefernden Erzählung selbst, ein wahres Gesamtkunstwerk, welches unbedingt die große Leinwand verdient.