Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Aufstehen und stehen bleiben

Eine Doku mit viel Musik und einer Unmenge mehr an zeitlosem politischen Sprengstoff: Leider kommt „Soundtrack to a Coup d’Etat“  nur mit diesem recht ungelenkigen Titel in diesen Tagen auch in die deutschen Kinos. Denn, der Film hat ein breites Publikum und unbedingt auch die große Leinwand verdient: er behandelt alles andere als ein Nischenthema aus der Vergangenheit, auch wenn formal der “Kalte Krieg” und der Kolonialismus im Kongo im Mittelpunkt steht. Es geht unter anderem um Staatsstreiche der CIA, die UN und die Sehnsucht aller Menschen nach Freiheit.  So spielen beispielsweise auch Syrien und Tesla eine Rolle!

Patrice Lumumba und die große Intellektuelle des Postkolonialismus: Andrée Blouin

Nebenbei lernt man in diesem rund 2,5 Stunden langen, aber keine einzige Sekunde langatmigen Streifen der auch beim Sundance Film Festival 2024 für Furore sorgte, unaufdringlich, warum manch aufgeklärter Geist nicht etwa in vergleichsweise banalen Genderfragen sondern auch noch immer beherzt zu Begrifflichkeiten wie “Lumumba” nach Sprachsensibilität begehrt. Dabei wird an der heutigen Verwendung des Wortes etwa auf deutschen Weihnachtsmärkten im Film selbst keine Sekunde verschwendet. Aber es arbeitet mit ziemlicher Sicherheit in nicht wenigen Zuschauerköpfen spätestens im Nachgang. Denn hinter Lumumba “versteckt” sich – auch wenn Google mit dem Ranking bei entsprechender Sucheingabe, dem ersten Treffer auf Wikipedia ( welcher schon im Titel des Kurzlinks einzig auf ein Getränk resümiert) – ein in den 1960er Jahren wie andere prominente, “dem Westen” unbequem erschienenen Staatschefs vor ihm letztlich “beseitigter” Freiheitskämpfer. Der kongolesische Patrice Lumumba ist denn auch ein Motiv das wie Dwight Eisenhower, Nikita Chruschtschow (wer verbindet mit diesem Namen heute noch einen Mann der u.a. zum “Tod der kolonialen Sklaverei” aufrief?), Malcolm X aber auch wie “Jazzer” Louis Armstrong große politische Sprengkraft versprechen: dabei ist die Doku da noch nicht einmal fünf Minuten alt.

Der auch als  „Ike“ bekannte ehemalige US Präsident Eisenhower wird in dieser fulminanten Collage ein paar Minuten später übrigens mit seinem dereinst tatsächlich unverhohlen präsentierten, feuchten Traum im O-Ton zitiert, dass er dereinst schon den “Geist der Menschen erobern” wollte. Ausschnitte aus Aufnahmen von formal wie inhaltlich höchst unterschiedlichen politischen Reden schwarzer und weißer, russischer, afrikanischer, europäischer und eben amerikanischer Köpfe ihrer Zeit – erfreulicherweise auch vieler weiblicher Akteure aus Afrika beziehungsweise Afroamerikanerinnen wie Abbey Lincoln oder Andrée Blouin – TV-Sequenzen von bahnbrechenden Staatsbesuchen, Interview-Fetzen von propagandistischen Radio-Machern und Impressionen von Auftritten und von der amerikanischen Führung angeleierter Reisen von Jazz-Musikern in “ferne” Länder und auch mancher vielsagende O-Ton der Künstler selbst werden hier perfekt arrangiert. Es gibt fast im Minutentakt teils absolut überraschende Übergänge – und trotzdem wirkt keine Sequenz gehetzt. Es werden Assoziationen nahe gelegt aber nichts mit dem Holzhammer verabreicht. Der Film glänze letztlich auch dadurch, dass eine riesige Menge Geschichtliches, wie dass einen Tag nach Nikitas Rede vor der UN zur globalen Entwaffnung die Börse in New York um 1.7 Milliarden Dollar an Wert sank, sachlich in Erinnerung gerufen wird. Oder,d ass nicht nur  Lumumba sondern – unter anderem auch jemand wie UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld “verstarb”.

Es geht auf den ersten Blick fast ausnahmslos um die Zeiten des offiziellen Kolonialismus und des Widerstands gegen Selbigen. Doch hier schlummert nicht nur eine Menge mehr. Diese Menge atmet jede Sekunde. Es setzt beispielsweise Streiflichter auf “Schätze” die für Kriegsführungen wichtig waren und sind – Atombombenmaterial inklusive. Man kann – wenn man generell fähig ist bis wenigstens drei zu zählen gelernt hat im Leben, nicht umhinkommen, um über die Auswüchse aka Ausbeutungen so genannter Globalisierung nachzudenken. Dabei werden viele Zuschauer tendenziell zum ersten Mal in ihrem Leben überhaupt von Ereignissen wie der Bandung Konferenz erfahren; diverse Verbrechen, Attentate und Staatsstreiche der CIA schwappen zwar nicht erst seit “9/11” immer mal wieder selbst am Rande im Mainstream auf, doch hier werden Zusammenhänge wirklich greifbar; ein anderes kurzes Kapitel widmet sich der “Erfindung” der so genannten UN-Friedenstruppen.

Werte Leser! Geben Sie mal “Operation Straggle” in der bereits oben erwähnten Suchmaschine ein – fällt Ihnen etwas auf? Wenig Deutschsprachiges wird da gefunden! Dabei ist auch das ein höchst Spannendes Thema, was die CIA 1956 nach Syrien (sic!) führte und was sie dort mehr oder minder im Verborgenen aufführte. In der Doku kommt nebenbei auch Tesla ins Spiel. Es gibt also immer wieder Fingerzeige in die Gegenwart, auch wenn es vordergründig betrachtet: primär um eine Collage von schwarzen US-Jazz der 1950er und 1960er mit den dramatischen Ereignissen um die antikoloniale Bewegung der damaligen Zeit geht, worauf sich die meisten deutschen mainstream-Medien die den Film immerhin insgesamt recht positiv würdigen, feige zurückziehen. Dabei wäre gerade bei Trumps jüngsten Ausrottungs-Plänen des Staates Palästina soviel im Feuilleton zu sagen. Doch wie in der “Corona”-Zeit herrscht über soviel Perverses und Explosives auf der Welt weitgehend gähnendes Schweigen.

Für den Zuschauer dieses brillanten Kino-Ereignisses indes bleibt schon nach einer halben Stunde anspruchsvollstem Sehvergnügen die Frage im Raum, ob Musik “nur” im Kulturkampf des Kalten Krieges diente, oder ob – und wenn ja wie – auch heute Staaten Künstler (und – räusper – auch Jornalisten wie dereinst die berühmten Stimmen von “Voice of America”) für sich vereinnahmen. Denn Johan Grimonprez’ Doku verharrt – tatsächlich nicht nur zwischen den Zeilen  -keineswegs “nur” auf  die zumindest zeitweise höchst fragwürdigen Willfährigkeiten eines Louis Armstrong oder von Minus-Medien wie dem “Tagesspiegel” lapidar “koloniale Kämpfe” getauften Verbrechen der USA, Belgiens und anderer in den 1950er und 1960er Jahren und Erinnerungen an eine längst in Vergessenheit geratene “Bürgerrechtsbewegung”. Wenn man bereit ist sich auf dieses Werk wirklich tief einzulassen ist es bestes Gegenwartskino mit einem leisen Appell aufzustehen und stehen zu bleiben. Aktuell auch nicht nur deshalb, weil – wie es der “Zufall” so will – die “Demokratische Republik Kongo” just in den tagen des Starts in den Lichtspielhäusern Deutschlands – aufgrund “der Eroberung der Stadt Goma im Osten durch die Miliz M23” wieder in die Nachrichten schafft.



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