In ihrer Doku “Krieg und Spiele” spricht Regisseurin Karin Jurschick mit Menschen, die sich aus unterschiedlichsten Motivationen mit bereits real existierenden oder – noch – fiktionalen Tötungsmaschinen auseinandersetzen, u.a. in der Computerspielebranche oder eingebunden in die Militärindustrie. Der Film geht dabei neben dem Thema künstliche Intelligenz an sich auch der Frage nach, wie moderne Waffen, etwa Drohnen, die “Philosophie” eines konventionellen Krieges verändern.Sience Fiction Stoffe bieten seit jeher einen unglaublichen Fundus an Gegenständen, die zumindest in ähnlicher Form Realität werden könnten und oft auch real geworden sind. Einige davon sind harmlos im Bezug auf die Gefahr für Menschenleben, andere dienen der Tötung. Man sollte hier übrigens nicht immer nur an Literatur oder Film denken. Erfinder von modernen Ego-Shooter-Spielen werden inzwischen gar offiziell zum Berater der Kriegsindustrie, wie zum Beispiel der Engländer Dave Anthony – Autor, Regisseur und Produzent des erfolgreichen Videospiels “Call of Duty: Black Ops I und II” -, den das Pentagon zu sich gebeten hat. Er ist auch einer der Protagonisten in Karin Jurschicks Dokumentation “Krieg und Spiele”, die dem Vernehmen nach unter anderem nachforschen möchte, wie für’s Spielen erfundene Maschinen zu realen Tötungsgeräten werden und was das für die moderne Kriegsführung bedeutet. Auch die künstliche Intelligenz bei Robotern spielt in ihrem Film eine große Rolle: Isaac Asimov lässt grüßen.
Aus einfachen Modellflugzeugen wurden allmählich zunächst mit Kameras und dann auch mit Waffen ausgerüstete Drohnen, die – teils aus zig tausend Kilometern Entfernung gesteuert – überwachen und gezielt töten: Auf fremden Territorien, ohne Absprache mit den jeweiligen Ländern, ohne Gerichtsbeschluss, nur mit der Annahme, die Zielperson könnte die Sicherheit gefährden oder hat bereits dem eigenen Land in der Vergangenheit direkt oder indirekt geschadet. Die Drohnensteuerungskonsole, die das Militär tatsächlich Produkten der Spielindustrie nachempfunden hat, wird gemeinhin von jungen Menschen bedient – sie sind als Gamer sozialisiert worden, wirken nun ohne Bezug zu den Ländern, deren Gebiete sie mit “ihren” Drohnen ausspionieren, und ohne Bezug zu den Menschen, die sie dann durch einen finalen Knopfdruck in die Luft jagen. Die Morde sehen für diese im Sinne der US-Politik “guten” Täter auf ihren Bildschirmen auch überhaupt nicht mehr nach Krieg aus – alles ganz anders, als wenn eine Armee irgendwo einmarschiert und die Soldaten, die letztlich “Gegner eliminieren”, diesen teils noch in die Augen schauen mussten und sich somit ggf. noch genötigt sahen, abzuwägen…
Aber statt etwa (auch) mit virtuellen “Piloten” aus Ramstein zu sprechen – von der US-Airbase in der deutschen Pfalz werden seit Jahren zahllose militärische Tötungspläne in die Tat umgesetzt – unterhält sich Jurschick zunächst lieber mit Entwicklern des ersten unbemannten Flugobjektes (aus dem Jahr 1977) für die israelische Armee. Zwar interviewt sie in der Folge ihres rund 90 Minuten langen Films zu Tötungswaffen auch einen (israelischen) Drohnenpiloten und -ausbilder, der aber, wie die alten Männer davor, quasi nichts anderes als perfidesten Werbesprech für Drohnen abzuspulen vermag und eben keine Grautöne bei der Beurteilung seiner eigenen Arbeit erkennen lässt. Gleichzeitig erlebt der Zuschauer diesen Gesprächspartner auch nicht als absolut heiklen Zeitgenossen – im Gegenteil, mit der “Doku” wird man letztlich Stück für Stück eingelullt, das sich durch moderne Techniken, durch unbemannte Flugobjekte die Zahl der Toten gar erfolgreich minimieren lasse, weil man einen Terroristen gezielt(er) angreifen könne beziehungsweise man sehen könne, dass in einem Gebäude, wo er sich verstecke, auch Unschuldige sind, und man dann angeblich von einem Schlag absehe. Immerhin schneidet Jurschick zu diesem Interviewpartner einen Mann, dessen Vater in Palästina zu einem “Kollateralschaden” der israelischen Armee wurde – es ist leider die einzige Stelle, die konkretes Unrecht von Militärs greifbar macht. Fundierte Kritik an der selbsternannten “humansten” bzw. “demokratischten” Armee, dem israelischen Militär, dass allein 2014 im Gazastreifen mehr als 2.000 Menschen – größtenteils Zivilisten – auf dem Gewissen hat, sieht anders aus.
Obwohl der Film immerhin nicht hektisch daherkommt, bleibt vieles an der Oberfläche. Und so philosophiert irgendwann ein “Wissenschaftler” über Kriegstheorien an sich und über die Moral des Tötens in der heutigen Zeit. Auch er – aus scheinbar neutraler Sicht – bricht eine Lanze für die Drohnen. Gegenrede gibt es auch: ein US-amerikanischer Colonel “alter Schule” ist überhaupt nicht gut auf die Jünglinge aus der Silicon Valley-Schule zu sprechen, die das gezielte Tötung als Spiel verstehen würden. Weitere Interviewpartner kommen aus dem Entwicklerbereich, in dem es zum Thema Roboterintelligenz gearbeitet wird.
Fraglos: Die Regisseurin reißt ein spannendes und relevantes Thema von mehreren Seiten an. Man darf aber letztendlich die Unbedarftheit von Jurschick, die sie in einigen Sequenzen (beispielsweise spielt sie einmal an einem Drohnensteuerknüppel herum) betont, bezweifeln. Denn eine Auswahl von Interviewpartnern erfolgt niemals planlos: und die Menschen, die hier zu Wort kommen, spielen sich die Bälle eben gegenseitig zu – denn die Frage ist lediglich ob konventioneller oder Drohnenkrieg die bessere, weil humanere Lösung ist – nicht wie pervers Kriege an und für sich sind. Es hätte keines Agit-Prop-Films bedurft, um im Bezug zu Militärdrohnen herauszuarbeiten, wie systematisch heutzutage solche “Kriege” insbesondere durch die USA geführt werden, wo “unsere” eigene unmittelbare Sicherheit oftmals nur als vorgeschobener Grund fungiert. Man hätte als Filmemacher neutral bleiben können, und trotzdem wenigstens eine nachdrückliche Kritik an Geostrategie, Militärprojekte, um die Macht über Bodenschätze zu erlangen, oder Kriege an und für sich wenigstens anklingen zu lassen. So ist das Ganze leider weder Fisch noch Fleisch.