Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Ein Mercedes-Stern über Auschwitz und Paris ohne Liebende

Von den aktuellen Neustarts im Kino beleuchten wir “Die Blumen von gestern”, eine Komödie (!) mit Lars Eidinger als Holocaustforscher, den seine eigene Familiengeschichte quält. Und Arne Körners “The Bicycle”, eine Paargeschichte in der Stadt der Verliebten. Nur einer der beiden Streifen vermag zu überzeugen – dafür voll und ganz.

Erst vor vier Wochen startete hierzulande ein sehenswerter Film mit Adèle Haenel (“Das Unbekannte Mädchen” von den Dardenne-Brüdern). Und nun also “Blumen von gestern”, wo sie wie man in den ersten Filmminuten glauben könnte eine scheinbar sinnfrei herumnervende Praktikantin namens Zazie mimt: Die französische Jüdin ist Holocaustforscher Totila Blumen (Lars Eidinger) zugeteilt. Und der ist wiederum ein Typ, der ohnehin wirkt, als ob er zum Lachen immer in den Keller geht. Und nun soll ausgerechnet er auch noch abnicken, dass der Kollege (Jan Josef Liefers, hier gleichzeitig heimlicher Lover besagter Praktikantin) der den Job innehat, den eigentlich er verdient, einen Kongress über Auschwitz in ein werbefinanziertes Medien-Event verwandelt? Nein, das schluckt der junge Wissenschaftler nicht – zumal es seinem gerade verstorbenen “Spiritus Rector” ganz sicher ebenso missfallen hätte. Zuhause in der Beziehung mit der Ehefrau (Hannah Herzsprung) ist der misanthropische Toto im Übrigen auch nicht wirklich gut aufgehoben – sie geht mit seiner Zustimmung offenbar regelmäßig mit anderen Männern ins Bett. Doch das ist im Grunde nicht weiter wichtig. Die eigentliche Geschichte des Films wird relativ schnell aufgedeckt – daher ist es nicht wirklich gespoilert, wenn wir verraten, dass sich Zazie alsbald erklärt, sich gezielt vorgenommen zu haben, speziell mit diesem Historiker zusammenzuarbeiten: ihre Großmutter wurde von den Nazis ermordet und zwar mutmaßlich von Totos Großvater.

Wer nun “fürchtet” es gehe im Weiteren nurmehr bierernst zu, wird sich wundern: das Gegenteil ist der Fall. Irgendwann fliegt gar ein Mops aus einem fahrenden Auto; die alternde Filmdiva Rubinstein (Sigrid Marquardt), die Toto als Ehrengast für den Auschwitz-Kongress gewinnen soll, will lieber von den Vorzügen von Schönheitsoperationen referieren statt über das, was sie betont abfällig als “Opfergeschwätz” tituliert. Und als sie endlich doch für einen historischen Vortrag bereit scheint, taucht ein Vertreter von Mercedes Benz auf, der jene Schoa-Überlebende (Sigrid Marquardt) auf der Bühne am liebsten mit dem Symbol seiner Marke ausgestattet sehen würde. Erwartbar, dass das einem regelmäßig oberlehrerhaftem und oft auch menschenfeindlichem Medium wie dem (engst mit der keinen Deut besseren “Zeit” verbandelten) “Tagesspiegel” missfällt. Aber es stimmt eben keineswegs, dass – wie dessen Autor Andreas Busche kackdreist behauptet – man sich wundern müsse, “welche hanebüchenen Konstruktionen (Regisseur) Chris Kraus, der auch das Drehbuch schrieb, in Kauf nimmt, um noch den geschmacklosesten Holocaust-Witz mitzunehmen”, wundern muss vielmehr, bzw. fragen sollte man sich, was gewisse “Journalisten” wohl in Wahrheit umtreibt.

Denn auch wenn es mitunter (gezielt) zotig zugeht, etwa zwischen Toto und dem Typ der vermeintlich auf seinem Posten sitzt, Geschmackloses über oder Witzeleien zu den unfassbaren Verbrechen Deutschlands vor und während des Zweiten Weltkriegs gibt es hier glücklicherweise gar nicht! Es ist gleichwohl unbeschreiblich, wie es dieser anspruchsvollen Screwball-Komödie gelingt, die diversen schweren Themen und Erinnerungen mit unaufgesetzt wirkenden und trotzdem aberwitzigen Dialogen zu brechen. Eine schwarze Komödie würden wir “Die Blumen von gestern” im Übrigen nicht nennen – erst recht nicht von Satire sprechen wollen. Es ist einfach ein rundum gelungener, also unbedingt sehenswerter Streifen: Regisseur Kraus (bekannt durch “Poll”, er selbst sagt zu seinem neuen Kinostart “ein Film über Schmerz, der ohne Pathos auskommt”.) macht sich einerseits über die Verlogenheit deutscher Erinnerungskultur lustig (in beiläufigen Szenen werden zudem etwa auch dumpfe Burschenschaftler abgestraft) und regt vielleicht andererseits auch dazu an (insb. wenn man in der eigenen Sippe noch Anverwandte hat, die in den 1930er und 40er-Jahren schon dem Kindesalter entwachsen waren), in der eigenen Familie manche Sprachlosigkeit zu durchbrechen.

Ein Hut, ein Rad, ein Film


Der zweite Film, den wir diese Woche im Vorfeld vielversprechend und daher berichtenswert fanden dreht sich um Mark und Antonia. Er kommt offenbar aus Hamburg, sie aus Kanada – nun sind sie in Paris, der Stadt der Verliebten. Sie verständigen sich weitgehend auf Englisch, er kann ein paar Brocken Französisch, sie ein bisschen Deutsch – doch eine gemeinsame Sprache sprechen sie (vor allem in metaphorischer Hinsicht) nicht wirklich. Das merkt man auf Schritt und Tritt, ob beim Boutiquenbummel oder im Anschluss einer besuchten Kinovorstellung. Insbesondere er bringt es auch immer wieder explizit zum Ausdruck, dass er von dieser oder jener Situation genervt ist – insbesondere als sie, die im übrigen gerne Hüte trägt, ihm ein Fahrrad schenkt.

“The Bicycle” ist ein Film, so unnötig wie das derzeitige Lobgehudel (btw: der Spiegel entblödet sich nicht einmal die wie die veranschlagte Bauzeit extrem aus dem Ruder gelaufenen Baukosten in einer Aufmachergeschichte klein zu reden) auf die elitäre Elbphilharmonie. Dieser zugegeben etwas bemühte Vergleich rührt wahrscheinlich nicht zuletzt daher, dass Regisseur Arne Körner und auch sein Hauptdarsteller Akin Sipal (“Ich mag Frauen, die keinen Stress machen.”) sowohl in der Leinwandarbeit selbst als auch beim üblichen “Drumherum” so betont auf norddeutsch unterkühlt setzen. Das funktionierte in beispielsweise vielen Filmen von Fatih Akin wunderbar, aber hier hat eben jemand offenbar Nichts zu erzählen, als dass eine Beziehung, erst recht eine bei der das Feuer der Liebe wohl die meiste Zeit im Jahr über tausende Kilometer Entfernung am Lodern gehalten werden muss, über kurz oder lang scheitern kann. Von einem wann auch immer existenten Gefühl des Verliebtseins oder gar einer ernsthaften Liebe zwischen Mark und Antonia indes erfährt man im Grunde gar nichts, sondern nur davon, dass sie sich jetzt im Hier und Jetzt nurmehr nerven. Wobei das mit dem Hier und Jetzt auch nicht so ganz stimmt. Denn alsbald wird klar, dass die neben den Parismomenten immer wieder eingeschnittene und auch den Filmauftakt bildende Radtour (die anscheinend kein bisschen anstregend ist – schönen Gruß an die Maske) von ihm just Richtung Paris irgendwann im Nachgang der finalen Trennung der Beiden stattfindet.

Wenn man betont nett zu diesem extrem langatmigen Streifen sein will, nennt man ihn eine “Anti-Romanze”, wenn man völlig zu Unrecht loben will (wie der uns trotzdem in guter Erinnerung befindliche Kollege Michael Wopperer) schwurbelt man wohl “wunderbares Gegengift zu all den zielgerichteten Liebesgeschichten” und oder behauptet bezeichnenderweise ohne jedwede weitere Begründung, dass es angeblich gar einer der “gute(n) Filme” sei, einer mit einem geschickt verpackten Lerneffekt? Vielleicht wenn man 13-jährigen das erste große-Verliebtsein nüchtern/pseudosubtil zerreden mag, kann dieser Gedanke Sinn machen. Nach dem Motto, die zwei da auf der Leinwand waren bestimmt auch mal in rosaroten Träumen verfangen – sonst wären sie ja kaum ausgerechnet in Paris gelandet. Aber (Fern)Beziehungen enden eben oftmals mit einer großen Ernüchterung. Whow. Sonst noch was? Ach ja, es gab in dieser Geschichte wohl keine festgeschriebenen Dialoge. Auch das kann einer Filmidee manchmal gut tun – Betonung auf kann. Aber da die beiden Protagonisten hier zumindest auch in der Improvisation nichts anderes als Langeweile versprühen, rettet dieser “Kunstkniff” leider auch nicht mehr vor dem Prädikat: Zeitverschwendung!



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