Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Von sich selbst entfremdet

Was es bedeute, in einer “vernetzten Welt” mehr oder minder alleine zu sein, wollte Olivier Assayas anhand der in einem frustrierenden Job gefangenen Maureen in “Personal Shopper” erzählen. In jedem Fall beginnt seine Hauptfigur irgendwann mit anderen Welten zu kommunizieren.

Bereits in seinem letzten Film (“Die Wolken von Sils Maria”) spielte Kristen Stewart ein gewichtige Rolle bei Assayas, und auch schon damals (an der Seite von Juliette Binoche) eine Assistentin. Während 2014 Stewarts Part so angelegt war, dass sie mit ihrer Arbeitgeberin (einer alternden Diva) fast zu einer Person verschmilzt, jobbt ihr Charakter Maureen nun für ein angesagtes Supermodel namens Kira, holt Klamotten in Edelboutiquen ab, pendelt dafür auch regelmäßig zwischen Frankreich und England. Selber anziehen darf sie die Sachen keinesfalls, das hat ihr das unnahbare Promigirl explizit verboten. Dabei würden sich so manche unnützen Wege sparen lassen: schließlich haben beide Frauen eine extrem ähnliche Größe und Figur. Als “Body Double” bzw. “Stand-In”-Aufnahmen, wenn der “Star” nur von hinten oder sonstwie unkennt­lich fotografiert werden muss, darf sie ihre Brötchengeberin indes ab und an ersetzen.

Dass Maureen der Job nicht behagt ist offensichtlich. Sie wirkt teilweise wie ferngesteuert. Am Meisten scheint sie zu frustrieren, dass sie mit ihrer Chefin nie richtig in Verbindung tritt. Aber da ist noch etwas Anderes: die Shopperin versteht sich auch als spirituelles Medium – und jetzt wo ihr (der Zuschauer erfährt es recht schnell) Zwillingsbruder verstorben ist, der auch eine gewisse Gabe bzw. Antenne in diesem Bereich gehabt haben soll, wartet sie auf ein Zeichen. Sowohl für sich (wohl um eine sicherere Ahnung vom Jenseits oder dem-was-auch-immer zu haben) als auch für die Freundin des Verstorbenen: ihre Quasi-Schwägerin will das bisher mit ihrem Bruder bewohnte Haus guten Gewissens verkaufen. Nicht, dass es da am Ende spukt. Oder so ähnlich…

Maureen selbst hat eigentlich auch einen Partner. Doch der ist anscheinend immer irgendwo in der Weltgeschichte unterwegs; die Beziehung läuft jedenfalls per Skype und die Gespräche kreisen darum, dass sie – eigentlich Amerikanerin – ihn bei seinen Einsätzen in den Arabischen Emiraten doch eigentlich besuchen könne, statt in Paris zu veröden.

Mehr über den Inhalt anzudeuten, verbietet sich unseres Erachtens bei diesem Streifen, in dem unter anderem auch Lars Eidinger* mitwirkt (zuletzt famos in “Die Blumen von gestern”, diesmal leider eher eindimensional gezeichnet), von selbst. Es ist letztlich ein sehr modern angelegter Ritt durch diverse Filmgenres. Ein wenig Sozialdrama, ein wenig Krimi, und eine ganz eigene Art Geistergeschichte. Formal auch eine sehr wohl verpackte Kritik an “moderner” Kommunikationsform – namentlich der permanenten Beschäftigung mit dem Smartphone und daran anknüpfend eine Auseinandersetzung mit der Entfremdung an sich sowie mit scheinbarer Nähe zu ebensolchen Freunden. Man könnte auch sagen, der Film ist insgeheim ein eindringlicher Appel sich zu erinnern, wie wichtig es ist, mit anderen Menschen direkt zu sprechen. Dabei macht “Personal Shopper” viel richtig, vor allem die Bildsprache ist sehr gelungen. Und Stewart (bekannt auch aus den sinnlosen “Twilight”-Filmen) agiert schlichtweg herausragend. Trotzdem ist der Film selbst leider kein herausragender Wurf geworden. Was vielleicht auch irgendwie daran liegt, dass der Streifen in dem erstaunlicherweise nicht mal “Das Hobellied” (in einer Interpretation von Marlene Dietrich) oder kurze Abhandlungen über Hilma af Klimt (einer 1944 gestorbenen, spiritistischen Malerin) und Victor Hugo deplatziert wirken, die Chance vertan hat, ernsthaft Kritik an der oberflächlichen und zynischen Modeindustrie zu streuen: bis auf dann aber leider ziemlich aufgesetzt wirkende, wenige Sätze wie “Ich mag keine Magazine. Sie verkaufen den Leuten Scheiße.” ist da Nichts. Gleichwohl wird klar, dass die Geschichte mit einem anderen Arbeitsplatz erzählt, wahrscheinlich gar nicht funktioniert hätte. Überdurchschnittlich ist der Streifen allemal – insbesondere eben in filmästhetischer Hinsicht .


* “Die Welt” (die online seit geraumer Zeit ernsthaft damit wirbt, wie schnell man ihren jeweiligen Wortmüll gemeinhin durchlesen kann – in dem Fall vermeintlich “4 Minuten”), besser gesagt deren Autor Tilman Krause möchte sich in einer Kritik zu desem Film offenbar als menschenverachtende Modepolizei outen: neben anderen dummdreist anmutenden Überheblichkeiten heißt es, dass Eidinger “hier mal gescheitelt und geleckt” (das stimmt formal) glücklicherweise nicht seinen “üblichen Penner-Look” präsentiere. Noch arroganter wirkt da nurmehr, dass – man muss diesen Streifen keineswegs mögen, der Zugang ist nicht gerade leicht – Hans-Ulrich Pönack vom Staatsfunk Deutschlandradio Worte wie “Sehnsuchtsgeplärre” textet, was wohl viel über eine generelle Sicht auf Mitmenschen aussagt.



1 thought on “Von sich selbst entfremdet”

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *