Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Zwei Pärchen auf Irrwegen

In “Das Ende ist erst der Anfang”, dem ersten der beiden Neustarts, die wir diese Woche beleuchten, ­glauben zwei leicht skurril anmutende Menschen, dass die Welt alsbald untergehen wird. Dummerweise haben sie ein Handy stibitzt, dass eine heikle Videoaufnahme mit einem wirklichen Gangster enthält, der nun Jagd auf sie machen lässt. In “Keeper” hingegen dreht sich alles um zwei 15-jährige Teenager, die ungeplant ein Kind erwarten.

Esther und Willy sind die Namen des besagten Pärchen, dass mit einem fremden Handy unterwegs ist, um – wie sich im Lauf der Geschichte von “Das Ende ist erst der Anfang” herausstellen soll – noch mal die Tochter von ihr zu sehen: ein Kind, welches Esther, die leicht geistig behindert ist, vor Jahren “weggenommen” worden war. Das Handy haben sie stibitzt, weil ihr heutiger Partner so einen schlechten Orientierungssinn hat, und die Technik des Mobiltelefons ja auch GPS bereit hält… In einem Gespräch der Beiden mit einem nicht minder seltsam anmutenden Typen namens Jesus, erfährt der Zuschauer, dass Esther und Willy davon ausgehen, dass die Welt alsbald untergeht.

Die Landschaft in der sie unterwegs sind, ist jedenfalls schon mal ziemlich unwirklich. Und dass der Gangster, der nach den Beiden, besser gesagt nach seinem Handy suchen lässt, dafür zwei atypische Vertreter ihrer Zunft beauftragt, macht den ganzen Film zu einem teils absurden Drama. Gilou (gespielt von Bouli Lanners, er ist hier auch für die Regie verantwortlich und Kinofans spätestens seit “Louise Hired A Contract Killer” bekannt) und ­Cochise (Albert Dupontel) wirken zwar auch irgendwie verschlagen und sind zunächst auch sehr gewissenhaft bei der Sache, nicht zu verpassen, wann Esther (Aurore Broutin) und Willy (David Murgia) das Handy mit den justitiablen Informationen einschalten (um sie orten und ihnen das Teil wieder wegnehmen zu können), doch alles was sie in der Zwischenzeit miteinander reden, wie sich der eine der Beiden um einen Hund sorgt und vieles Mehr, lässt sie eher wie sehr einsame Cowboys denn ernsthafte Söldner erscheinen. Im Grunde fehlen nur die Pferde, und dabei ist ist es eine belgisch-französische Produktion, die – auch weil das eine oder andere Mal auch Schusswaffen in Gebrauch sind – die Western-Stimnung verbreitet.

Eine Herzattacke spielt in diesem oftmals zwischen wüsten Industriebrachen und alten Lagerhallen angesiedelten Streifen, in dem auch Michael Lonsdale und Max von Sydow einen kleinen aber feinen Auftritt haben, auch eine große Rolle. Und irgendwie liegt es nicht nur daran, dass der bereits erwähnte Jesus (Philippe Rebbot) irgendwan sogar ein Loch in seiner Handfläche hat, durch das er dann bedeutungsvoll blickt, dass man “Das Ende ist erst der Anfang” außer als Road-Movie auch als einen in gewisser Weise religiösen Film bezeichnen könnte. In jedem Fall ist es eine äußerst sehenswerte Produktion.

“Keeper” – wenn Kinder Kinder kriegen, war schon oft Thema im Kino: hier ist es jedoch derart unaufgeregt inszeniert, so überdurchschnittlich gespielt und so anrührend wie selten zuvor.

Mélanie (Galatea Bellugi) und Maxime (Kacey Mottet Klein, zuletzt zu sehen in “Mit siebzehn“) sind beide 15 Jahre alt, und gehen sehr liebevoll miteinander um. Beide kommen aus Elternhäusern, wo sich die Eltern mit der Zeit getrennt haben, bzw. sie offebar gar aus einer Beziehung, wo der Kindsvater ihre Mutter (Laetitia Dosch) früh hat sitzen lassen. Nun erwarten sie selber Nachwuchs. Nicht geplant. Natürlich. Und der Junge kommt zunächst gar nicht klar, mit der Vorstellung, nun Vater werden zu können. Insgeheim wohl auch, weil ihm seine mögliche Karriere als Fußballtorwart – ein wirklich großer Verein hat ihn gerade sogar zu einer Auswahltrainingswoche der Junioren eingeladen – bisher eigentlich wichtiger als alles Andere war.

Die Arbeit von Regiedebutant Guillaume Senez ist glücklicherweise kaum in die Schublade klassischer Problemfilm einordenbar. Auch steht zumeist nicht die junge Schwangere im Mittelpunkt des Geschehens, sondern ihre Umwelt, und wie diese sie wahrnimmt. Und auch als die jeweiligen Erziehungsberechtigten des jungen Glücks Wind von deren Sache bekommen, geht es im Grunde nicht zuvörderst um die Frage Abtreiben oder Nicht. Sondern um “das Wie” – wie die Interkationen untereinander ablaufen. Wer wen und dessen Bedürfnisse, Hoffnungen und Sorgen wirklich ernst nimmt. Ein großartiger kleiner Film. Und ein weiterer Beleg, dass Ursula Meier, die den Hauptdarsteller hier bereits 2008 in “Home” besetzte (und dann auch in “Winterdieb” – beides tolle Filme übrigens!) einen richtigen Riecher hatte: Kacey Mottet Klein ist auf dem besten Weg sich als erfreulich wandelbarer Charakter-Darsteller im europäischen Kinobetrieb zu etablieren.

 



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