Das 33. Filmfest München (25. Juni bis 4. Juli 2015) präsentiert im aktuellen Jahrgang insgesamt 179 aktuelle Filme aus 54 Ländern, die alle als Deutschlandpremiere laufen, 39 davon feiern hier ihre Weltpremiere und acht weitere ihre internationale bzw. europäische Premiere.
Allein in der Kategorie CineMasters, dem inoffiziellen Aushängeschild des Festivals, konkurrieren zwölf internationale Filme um den mit 50.000 Euro dotierten Hauptpreis – u.a. Streifen von Abel Ferrara, Joachim Trier, Brigitte Sy, Arnaud Desplechin und Kiyhoshi Kurosawa. Miguel Gomes hat mit seiner Trilogie “Arabian Nights” sogar eine Mehrfachchance. Alle drei Teile nehmen an diesem Wettbewerb teil, der nicht nur in diesem Punkt irritiert, sondern auch hinsichtlich der qualitativ wie quantitativ höchst unterschiedlichen Auswahl der “Programmierung” – sprich der Kinoauawahl und der Häufigkeit der Vorstellungen – dieser Beiträge. So läuft Kurosawas vielversprechende “Journey To The Shore” genau einmal, und das noch zu einer werktäglichen Unzeit (29. Juni, 22 Uhr, AudimaxX) während etwa die bereits in Cannes ausgezeichnete Kolonialismusgeschichte von Ciro Guerra (“El Abrazo De La Serpiente”) gleich drei Mal in München gezeigt wird (28.06., 19:30 Uhr, HFF Kino 1; 30.06., 14:30 Uhr, Münchner Freiheit 3; 04.07., 11 Uhr, City 2).
Aber die wahren Highlights schlummern bei solchen Festival ja ohnedies gemeinhin in den Nebensektoren. Doch von dem was wir vorab sichten können herrscht in diesem Jahrgang nicht nur Licht sondern leider auch viel Schatten. Einer der ärgerlichsten Filme die wir die letzten Jahre überhaupt gesehen haben ist auch dabei: “Mollath”. Wer dessen reale Leidensgeschichte kennt, muss den Streifen als Schlag ins Gesicht empfinden – nicht nur weil die Bande des perversen Richters zum neuen Lebenspartner von Mollaths Exfrau und zu deren Schwarzgeldverschiebereien gar nicht oder kaum in der bezeichnenderweise vom BR mitproduzierten Geschichte vorkommen.
Inhaltlich gelungen, jedoch formal und dramaturgisch letztlich nicht überzeugend ist hingegen “Alki, Alki” von Kritikerliebling Axel Ranisch (“Dicke Mädchen”, “Ich fühl’ mich Disco”): der Kunstgriff die Alkoholabhängigkeit der Hauptfigur durch einen kaum von seiner Seite weichenden, gar direkt mit ihm interagierenden Schauspieler für den Zuschauer erlebbar zu machen ist nur einige Minuten lang tragfähig. Immerhin retten originelle Musikeinlagen und ein spielwütiger Heiko Pinkowski den Film vor dem Prädikat Antitipp.
Ähnlich zwiespältig empfanden wir übrigens “Staatsdiener”, der Studenten an der Polizeischule und während ihres Praktikums auf Streife in Sachsen-Anhalt begleitet. Während es eben nicht mehr “nur” in den USA sondern auch hierzulande immer öfter zu Ekzessen von einzelnen Uniformierten aber auch von ganzen EInsatztruppen gegen einzelne Bürger oder friedliche Demonstranten kommt tut der Streifen weitgehend so, als sei Polizeialltag primär so etwas wie private Streitereien etwa zwischen Eheleuten zu schlichten oder gar Betrunkenen auf der Straße zu helfen. Richtig positiv sind an der Doku lediglich jene Momente in denen eine der Portaitierten problematisiert, dass insbesondere bei Einsätzen der Bereitschaftspolizei bei Fußballspielen schon mal “Kontakt-Grenzen” überschritten werden. Aber es bleibt im Grunde bei Andeutungen, auch wenn es darum geht, dass betroffene Bürger oftmals kaum herausfinden können wer gegen sie übergriffig wurde, weil eine Krähe der anderen bekanntlich kein Auge aushackt und Namensschilder für Uniformeirte, ja nicht einmal offen getragene Dienstnummern bundesweiter Standart sind.
Aber keine Sorge, es schlummern sicher ganz viele rundum sehenswerte Perlen im Münchner Filmfest-Programm, die wir die kommenden Tage bis zur Festivalmitte für Sie entdecken und dann hier separat vorstellen wollen. Zwei konnten wir bereits ausmachen und empfehlen einen Besuch nachdrücklich:
kulturkueche.de Tipp 1: “Heil” von Dietrich Brüggemann (“3 Zimmer/Küche/Bad”) eine aberwitzige Geschichte in Zeiten verhinderter NSU-Aufklärung, bei der nicht “nur” Neonazis in der ostdeutschen Provinz, sondern auch Medien, Verfassungsschutz und sogar die Antifa ihr Fett abkriegen und Benno Fürmann endlich mal beweist, dass er mehr als zwei,drei Gesten drauf hat – Jacob Matschenz ist ohnedies immer herausragend. Vorführungen: 28.06.2015, 19:30 Uhr, ARRI Kino – Filmteam anwesend!; 30.06.2015, 14:30 Uhr, Münchner Freiheit 4 – nach dem Film: Q&A mit Regisseur Dietrich Brüggemann; 02.07.2015, 22:30 Uhr, Gasteig Carl-Orff-Saal)
kulturkueche.de Tipp 2: Die verschmitzte kirgisische Produktion “Taxi & Telephone” von Ernest Abdyjaparov. Menschen warten an oder in einem Sammeltaxi auf eine bezahlbare Fahrt von A nach B, die jedoch erst dann starten soll wenn sich wenigstens vier zahlende Passagiere eingefunden oder jemand bereit erklärt hat, den Fahrpreis für die fehlenden Gäste zusätzlich zum eigenen zu stemmen. Tragikomisch sind dabei die mittels Split-Screen-Einsatz stattfindenden Telefonate zwischen wartenden Mitfahrwilligen und deren Partnern oder vermeintlichen Freunden – eine kleine aber feine Gesellschaftsstudie in schwarz-weiß mit phasenweise köstlichstem Humor: 26.06., 17:30 Uhr Rio 2; 30.06., 22:30 Uhr, Rio 2 – nach dem Film: Q&A mit Regisseur Ernest Abdyjaparov und Produzent Hans-Erich Viet; 01.07., 16:30 Uhr, Münchner Freiheit 4 – nach dem Film: Q&A mit Regisseur Ernest Abdyjaparov und Produzent Hans-Erich Viet
