Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Von Vaterschaftsfragen und verhinderten Verwendungsklagen

Von den diversen Kino-Neustarts dieser Woche erschienen uns in der Theorie drei Filme besonders vielversprechend – aber nur eine der drei folgenden Produktionen ist auch in Wirklichkeit eine runde Sache. Die Kandidaten: 1. die Doku “Café Waldluft”, die den Wandel eines bayerischen Berghotels zu einer Herberge und Heimat für Flüchtlinge zeigt, 2. die belgische Coming-of-Age-Geschichte “Alle Katzen sind grau”, die zugleich ein kleiner Detektivfilm zu sein scheint und 3. “Der schwarze Nazi”, der entfernt an “Heil” (2015 mit u.a. Benno Fürmann) erinnert, jedoch das eigentliche Original darstellt.

der-schwarze-naziFangen wir mit dem letztgenannten Streifen an. Es bietet sich hierzu an, dafür ein klein wenig auszuholen. Denn das Grundgerüst der Geschichte aus der Feder und Produktion der beiden Brüder Tilman und Karl-Friedrich König – ein Afrikaner, dessen weiße, deutsche Freundin von ihm gerade ein Kind erwartet, sieht sich im Alltag persönlich diversen Anfeindungen von glasklarem Nazigesindel und verächtlichen Blicken tumber “besorgter” Bürger ausgsetzt, und erlebt überdies die generell menschenfeindliche Stimmung auch in den Medien, kriegt dann irgendwie eine auf den Kopf, und scheint danach wie ausgewechselt, konkret als ob er persönlich mit markigen Worten gar die NPD rechts überholen wolle, dessen Führungsriege sich den “Ausländer” dann als Feigennblatt in die eigenen Reihen holt – ähnelt frappierend dem zentralen Plot eines Streifens, den Warner Deutschland bereits vergangenes Jahr ins Kino brachte: einem Film von Dietrich Brüggemann, der zuvor inbsbesondere mit “Drei Zimmer, Küche, Bad” und vor allem “Renn, wenn du kannst” bereits rundum gelungene Leinwandwerke abgeliefert hatte. Und auch sein “Heil” wusste weitgehend zu überzeugen, weil Brüggemanns Neonazigeschichte gleichzeitig ein Rundumschlag auch und insbesondere gegen den bundesdeutschen Medienbetrieb, den Verfassungsschutz, der im NSU-Komplex offensichtlich tief verwickelt ist (wie im übrigen wohl auch zahlreiche Polizisten), die Hardliner unter den CDUCSUSPD…- Politikern (die unverständlicherweise anders als AFD- und sonstiges Pack – sic! -, immer noch von viel zu vielen Menschen als Demokraten angesehen, kaum systematisch ob ihrer Menschenfeindlichkeit angeprangert werden) und nicht zuletzt oftmals tatsächlich viel zu vernagelte Antifa-Aktivisten war. Und dabei dennoch bei allem vordergründigen Klamauk und Karikieren sich durchaus sehenswert, eben recht unterhaltsam mit der braunen Brut hierzulande auseinandersetzte.

Von dieser anarchischen Machart ist der nun startende Streifen aus Leipzig, “Der scharze Nazi”, indes leider meilenweit entfernt. Was nicht schlimm wäre, wenn er alternativ richtig ernst und tiefgehend daherkäme. Aber der Kinoneustart – dessen Grundidee von Brüggemann eben offenkundig tatsächlich frech geklaut wurde (es gab von den beiden Königen bereits 2006 einen Kurzfilm zum Sujet, und vor Jahren vor allem eine breit angelegte Fundraisingkampagne, Medienförderungen und nicht zuletzt “Google” wussten früh von den Produktionsplänen – und allein der in jeder Hinsicht schlechte Stil mit dem Brüggemann dem Verdacht begegnete, auch wenn dieser leider primär über die unsäglichste aller im Mainstream zu verortenden “Zeitungen” transportiert wurde – Pressekonferenz hin oder her – lastet leider schwer auf “Heil”, auch wenn er letztlich von offiziellen Plagiatsklagen verschont blieb) – will eben erklärtermaßen vielmehr eine Groteske sein. Die Kampagne zum Film der Königs ist an sich sehenswerter als der Streifen “der schwarze Nazi” selbst: Plakataktionen nicht nur gegen sich mehr oder minder freimütig zu ihrem perversen Weltbild bekennende Neonaziparteien sondern auch gegen die mehrheitlich (ebenfalls) gruseligen bis gar hochgradig brandgefährlichen und menschenfeindlichen (Pe)-gida-Gestalten und “Art”-verwandtes, haben durchaus augenzwinkernden Charakter, zumindest etwas Esprit. Doch auf der Leinwand verpufft der intendierte Anspruch weitgehend. Ein paar nette Szenen gibt es aber immerhin. Etwa wenn der Kongolese Sikumoya (der auf der Leinwand letztlich zum Integrationsbeauftragten der NPD, pardon! der NPO wird) in Sachsen irgendwelchen mehr oder minder grenzdebil erscheinenden Glatzen erklärt, dass Adolph Hitler als krimineller Ausländer unbedingt ausgewiesen gehört hätte seinerzeit. Oder wenn “der Afrikaner” mit durchaus einschüchterndem Auftritt unterstreicht, dass auch heute unter seinen neuen Kameraden hier vieles herumturnt, was den Ansprüchen an ein Law-and-Order-Deutschland nicht wirklich Genüge tut. Ansonsten nimmt der Film kaum Fahrt auf, wirkt vor allem auch handwerklich extrem heruntergeleihert – farb- und zahnlos. Und wenn man dann als Rezipient oder Kritiker von den Machern erzählt bekommt, die Produktion werfe brennende Fragen wie “Was ist eigentlich Deutsch?” oder “Was verstehen wir unter Integration?” auf, kann man eigentlich nur mehr sagen: hättet ihr geschwiegen, es wäre besser gewesen. Dann könnte man nämlich noch wohlwollend urteilen, eine kleine Produktion, die es wohl gut meint, aber halt in Budget- oder sonstigen Fragen etwas zu beschränkt war.

cafe-waldluft-plakatDie Doku “Cafe Waldluft”

Dass man unter ähnlichen Bedingungen großes im kleinen leisten, noch dazu betont unaufgeregt bleiben kann, und letztlich viel mehr über die Doppelzüngigkeit, den Alltagsrassismus gar der so genannten “Mitte der Gesellschaft” aussagen und leise anklagen aber auch Hoffnung geben kann, beweist eine Doku, die ihrerseits primär, fast zu bescheiden damit wirbt, “den Wandel eines bayerischen Berghotels zu einer Herberge und Heimat für Flüchtlinge” zu zeigen. Doch “Cafe Waldluft” – an dieser Stelle sei es nun verraten: es ist aus Sicht der kulturkueche-Redaktion der “Film der Woche” – ist erfreulicherweise viel mehr! Durch Zufallsbegegnungen mit dem seit Jahrzehnten angestammten Personal des besagten Berghotels wird gar nachvollziehbar, warum viele “Ossis” noch heute so – wenn nicht fakltisch oder zumindest latent gewaltbereit, davon scheint die Köchin im Film glücklicherweise meilenweit entfernt – zumindest engstirnig erscheinen, wenn es um das Thema Migration geht. Konkret um Asylbewerber, die hier ihr Leben zwischen Hoffen und Bangen und Warten auf behördliche Entscheidungen fristen und es dabei in vielerlei Hinsicht bisher weitaus besser getroffen haben, als viele andere Refugees die hierzulande um Anerkennung bitten. Denn sie sind nicht eingepfercht in irgendwelche Turnhallen, haben kein latent fremdenfeindliches Wachpersonal um ihre oftmals unwirklichen sonstigen Massenunterkünfte und hoffnungsvollerweise auch keinen Brandanschlag von ekelerregenden Menschenfeinden zu befürchten. Sie sind hier vielmehr eben in idyllischer Landschaft bei einer sehr sympathischen und sehr realitätsbewussten Hotelbetreiberin untergebracht, die die letzten Jahre allein von ihren “normalen” Übernachtungstouristen und Cafe-Gästen wirtschaftlich augenscheinlich nicht mehr überleben konnte.

Man erfährt in der Arbeit von Regisseur Matthias Koßmehl sehr viel zum Thema Asyl, zwischen den Zeilen auch eine Menge darüber, was Menschen auf sich nehmen müssen, die vor Krieg, Terror, Gewalt oder auch nur aus bitterster wirtschaftlicher Not und oder vor drohenden Naturkatastrophen fliehen. Man ahnt, auch wenn besonders feiste Politiker- und Medienvertreter und erst recht der erkennbar tiefbraune Mob keine unmittelbare Rolle spielen, welche Bürde allein schon ein schlecht aufgezogener “Integrationskurs” sein kann, vor allem was Rassismus und Vorurteile in Hilfesuchenden anrichtet. Denn auch das “weiße/deutsche” Wohlstandspublikum, das ansonsten im Cafe verkehrt und mit Sätzen a la “Wenn man in den Urlaub fährt, möchte man eigentlich die heile Welt” jongliert, oder in der Hotelumgebung lebt und dazu am Stammtisch über die neuen Gäste “debattiert”, hat nicht selten grobe Anflüge von Alltagsrassismen oder schmieriger Gönenrhaftigkeit parat, die gar nicht so böse gemeint sein müssen – aber eben eine rieisge Distanziertheit belegen. Da können die Flüchtlinge sich ehrlichen Herzens noch so sehr bemühen – etwa bei Autokorsos zu Siegen der deutschen Mannschaft bei sportlichen Großereignissen schwarz-rot-goldene-Fahnen schwenken: vor allem die Hilfesuchenden, die nicht zufällig mit einer Mitarbeit in Hotel und Gastronomie liegäugeln, werden in einer Gegend voller Kirchtürme und Bauernhöfe – über allem thront der mächtige Watzmann – in einer im doppelten Wortsinn Perspektivlosigkeit leben, für das Grand der “Einheimischen” leider nie so richtig dazugehören. Und wenn man dann Flora Kurz, die Hausherrin des ehemaligen Ausflugshotels „Café Waldluft“ erzählen hört “Wir haben Anrufe bekommen, die nicht gerade gut waren“, sagt das viel mehr über das heutige Deutschland aus, als es der vorgenannte Film “Der schwarze Nazi” wahrscheinlich auch mit einem zehnfachen Budget vermocht hätte.

Ebenfalls neu im Kino: Alle Katzen sind grau

alle-Katzen-sind-grau-PlakatDie 15jährige Dorothy wächst mit ihrer kleinen Schwester in einem wie man gemeinhin so sagt gutbürgerlichen belgischen Haushalt auf: Der Vater Arzt, die Mutter Anne Maklerin. Sie selbst wirkt sehr still, ernst, meist in sich gekehrt. Sie ahnt offenkundig, dass sie einen anderen biologischen Vater hat, als ihre Schwester, fühlt sich weniger geliebt und akzeptiert – offen darüber gesprochen wird in der Familie nicht. Es ist wohl viele Jahre her, dass Dorothy vergeblich versucht hat Licht ins Dunkel zu bringen. Nun nimmt sie einen neuen Anlauf – abder die Beziehung mit der Mutter bleibt wie ein Tanz auf rohen Eiern, wenn es darum geht, warum es keine Babybilder mit ihr und dem ihr “bekannten” Vater gibt. Anne versucht erst zu ignorieren und reagiert schließlich sehr gereizt – mit allerdings sehr durchsichtigen Ausflüchten, die in Wahrheit Lügen sind.

Ein scheinbarer Zufall ließ Dorothy just in diesen Tagen die Bekanntschaft mit Privatdetektiv Paul machen – kurzerhand, wenngleich selber nicht ganz ehrlich agierend, engagiert sie ihn nun quasi vom Fleck weg, um endlich herauszukriegen, wer sie zeugte und warum sie jenen Mann anscheinend nicht kennen soll bzw. warum sich dieser vermeintlich seit vielen Jahren überhaupt nicht um sie schert. Was die Teenagerin nicht weiß, ist, dass Paul glaubt, in ihr seine Tochter gefunden zu haben. Er hatte eine kurze Affäre mit Dorothys Mutter bei einer Betriebsfeier: Anne droht ihm mit Strafanzeigen, falls er ihre Tochter einweihen sollte. Und so fühlt sich Paul gleichzeitig glücklich, aber auch in einer Zwickmühle, als das Mädchen unvermittelt vor seiner Tür steht und ihn bittet, ihren leiblichen Vater zu finden.

In dem belgisch-französischen Film “Alle Katzen sind grau” erzählt Savina Dellicour davon, dass man die unangenehmen Dinge, die geschehen sind, nicht ewig totschweigen kann, dass deren Aufdeckung für alle Beteiligten zwar sehr schmerzhaft sein kann, aber in gewisser Weise wohl auch immer eine Erleichterung und vor allem die Möglichkeit eines Neuanfangs, hier etwa in der Beziehung Mutter-Tochter, bietet. In dieser Dreiecksgeschichte spielt als einziger Laie Manon Capelle die Rolle der zu sich selbst gleichaltrigen Dorothy – ebenbürtig an der Seite von Bouli Lanners, den man untere anderem aus Aaltra kennen sollte und der hierzulande kaum bekannten Anne Coesens. Die Schauspielleistungen und die vielen schönen bzw. gut gemeinten Ansätze der Produktion können letztlich aber leider nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Drehbuch an zahlreichen Stellen sehr konstruiert daherkommt. Freunde des europäischen Films werden den Besuch aber keinesfalls bereuen müssen, in einigen Wochen aber wohl auch kaum noch groß an die grauen Katzen denken, wenn es darum geht, auf das erste Kinohlabjahr zurückzudenken.



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