Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Immer nur Machterhalt

Filmtipp der Woche: Eine Doku, die trotz einer viel zu bemühten Rahmenhandlung unbestreitbar – und vor allem leicht nachvollziehbar – darlegt, dass die Rufe nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen alles andere als weltfremd sind. Nebenbei liefert „Free Lunch Society“ eine ordentliche Portion Geschichtsunterricht inklusive einem Wiedersehen mit Reagen, Nixon und Rumsfeld. Wer es nicht weiss, mag es kaum glauben: zwei dieser drei Herren hätten das BGE zumindest in den Staaten vielleicht schon vor Jahrzehnten Realität werden lassen wollen.

Die Idee, dass jeder Mensch jeden Monat einen bestimmten Betrag auf’s Konto bekommt, ist nicht neu. Und sie wurde auch schon vor langer Zeit erfolgreich praktiziert. In einer vom österreichischen Filmemacher Christian Tod für diese Doku passenderweise verwursteten Simpsons-Folge kommt Homer an einen Schlagbaum: Ein Beamter gibt ihm ohne Umschweife, scheinbar grundlos, ein dickes Geldbündel in die Hand – willkommen in Alaska! Und tatsächlich – dort werden in der Realität bereits seit dem Jahre 1976 Teile der Ölmilliarden umverteilt – jeder Einwohner bekommt jeden Herbst auf’s Neue eine Dividende aus dem Fond der Umwelt-Frevler ausgeschüttet, die von den Vorkommen in der Region profitieren und einen kleinen Teil ihrer Gewinne im Gegenzug für die Schürfrechte zurückzahlen müssen.

Für die Bürger entstand so eine Art – allerdings eher bescheidenes (knapp 2.000 € jährlich) – Grundeinkommen aus dem “Alaska Permanent Fund”. Aber wenn man weiß, was allein in der Bundesrepublik an Transferleistungen hin- und hergereicht, was eine Transaktionssteuer birngen könnte oder auch nur, wie teuer ein Beamtenapparat ist, der in den so genannten Jobcentern offenbar primär dafür da ist, finanziell Bedürftige zu gängeln (worunter unseres Erachtens auch bereits zählen muss, wenn staatliche Arbeitsvermittler Menschen nötigen, sich in die Fänge von Zeitarbeitsfirmen zu begeben), braucht kein Mathematikstudium, um zu erahnen, dass mit dem entsprechenden politischen Willen ein wirklich bedingungsloses Finazminimum für jeden Einwohner Deutschlands keine Milchmädchenrechnung sein muss, sondern relativ einfach schon in weniger als 36 Monaten Realität sein könnte. Die Entscheidung, nicht mehr diese oder jene Stelle annehmen zu müssen, um nicht auf der Straße zu landen, wäre nur einer von vielen Vorteilen. Das gängige Vorurteil von Gegnern eines BGE, dass die Empfänger nur mehr auf der faulen Haut liegen würden, zerlegt die insgesamt kurzweilig gestaltete Doku mit prominenten Studien und Fallbeispielen, ohne die internatonal prominentesten Fürsprecher wie Facebook-Zuckerberg, Tesla-Chef Musk und Ebay-Gründer Omidyar bemühen zu müssen. Vielmehr plaudert ein Verwalter einer großen staatlichen Lotteriegesellschaft aus dem Nähkästchen, der zahllose Renten-Millionäre persönlich kennt, und weiss, dass die meisten, denen unverhofft Geld in monatlichen Raten zufließt, obwohl sie eben nicht mehr malochen müssten, weiterhin viel Zeit für klassische Arbeiten aufbringen. Noch eindrücklicher sind in der Doku aufbereitete Studien, die sich direkt mit der Idee eines BGE beschäftigten und den gleichen Effekt nachweisen. Lediglich zwei Prozent der Menschen, die vom Staat allmonatlich die Basiskosten für ein bescheidenes Leben ausgeglichen bekommen würden, kämen auf den Gedanken, wirklich nie wieder einen Finger zu rühren. Die überwiegende Mehrheit der Zweibeiner wüsste wohl schlichtweg fortan sinnvolleres in seinem Leben zu leisten, als sprichwörtliche Drecksarbeiten zu verrichten, die ohnedies zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig einbringen.

Die seit knapp zwanzig Jahren rasant zunehmende soziale Ungleichheit, die mit noch weiterer Fortschreitung von Digitalisierung und Automatisierung noch weiter wachsende Arbeitslosigkeit (die heute schon weitaus größer ist, als die allmonatlichen staatlichen Statistiken Glauben machen wollen: beispielsweise werden Hartz-IV-Empfänger, die älter als 58 Jahre sind, Menschen, die Weiterbildungs- oder Sprachkurse belegen, die an Bewerbungstrainings teilnehmen oder 1-Euro-Jobs aufgebrummt bekommen haben, nicht mehr mitgezählt) – nur Dumme sowie Naive und natürlich die profitierenden Macht-“Eliten” können so tun, als ob die Menschheit nicht dringend Modelle wie das bedingungslose Grundeinkommen brauchen, wenn man nicht eine Verslammung einer Gesellschaft in Kauf nehmen will.

Von dem Horrorszenario bürgerkriegsähnlicher Klassenkämpfe deutet die Doku bestenfalls an. Aber Christian Tods Film macht klar: Die Trennung von Arbeit und Geld bzw. Gehalt macht ein vollständiges Umdenken unserer Gesellschaft nötig, aber auch möglich. Schade nur, dass “Free Lunch Society” sich in die Idee verstiegen hat, aktuelle Gesprächspartner, Zeitzeugen und sonstiges zum Thema in eine Art Rahmenhandlung einzubauen, die ganz am Anfang und ganz am Ende von Ausschnitten mit “Captain Picard” aus der TV-Serie “Raumschiff Enterprise” flankiert werden: die Off-Stimme, die auf eine Szene daraus, die das mit dem Geld als überwunden erklärt, Bezug nimmt, tut so, als ob sie für wen auch immer “live” im Jahre 2400 irgendetwas über Entwicklungen berichtet, die rund 300 Jahre zurückliegen. Dieser “Kunstgriff” wirkt generell aufgesetzt und in der dritten, vierten Sequenz auch ärgerlich. Denn der Rest, der in Deutschland auch mit dem Untertitel “Komm komm Grundeinkommen” beworbene Streifen ist ansonsten absolut sehenswert. Er steht eindeutig auf der Seite der BGE-Befürworter, ist aber vergleichsweise kaum agitatorisch, sondern durchaus journalistisch unterwegs und vor allem durchweg faktenkundig. Zudem wütet der Film nicht blind-links (!) nur gegen konservative Gegner dieser Idee, sondern kritisiert auch die Haltung vieler Gewerkschaften, die einzig zum eigenen Machterhalt nicht auf der Seite der Bürger kämpfen. Denn darum geht es allen Kreisen – nicht nur den oberen Zentausend (den “Großgrundbesitzern”) und denen, die ihnen den Rücken freizuhalten haben (Politik und Medien) – die sich gezielt gegen ein Grundeinkommen stark machen: Arbeit und Einkommen dürfen um Gottes Willen nicht entkoppelt werden – am Ende hätten die Menschen ja die Freiheit, das nicht tun zu müssen, was sie im Sinne derer tun sollten.

Das Team von “Free Lunch Society” sprach für diese wunderbar ambitionierte Arbeit, die auch tatsächlich gut auf der großen Leinwand funktioniert, also nicht nur altbacken TV-Reportagemäßig erscheint, unter anderem ausgiebig mit dm-Gründer Götz Werner, zeigt grundversorgte Dörfer in Namibia und zahlreiche profunde historische Aufnahmen, mit Erinnerungen an zukunftsweisende Ideen eines Martin Luther King, Entlarvendes von Warren Buffett und so abstrus anmutende Geschichten wie der, dass ausgerechnet der zu Recht für vieles andere bis heute stark kritisierte ehemalige US-Präsident Nixon in den 1970er Jahren unter Federführung des späteren Kriegsverbrechers Donald Rumsfeld prüfen ließ, ob unter der Zahlung eines bedingungslosen Grundeinkommens die Arbeitseinstellung leiden würde. Das Ergebnis war eindeutig positiv – nein, die Moral würde nicht sinken! Im Gegenteil. Aber der damalige Gouverneur Kaliforniens, ihr republinkanischer “Parteifreund” Ronald Reagan, blockierte das Vorhaben und setzte stattdessen die so genannte, bis heute auch bei vielen Pseudo-Liberalen in Europa beliebte “Trickle-down”-Ökonomie durch. Marktfundamentalismus ist lange gezielt vorbereitet, wirkliche Freiheit der Massen ebenso systematisch unterbunden worden.

Wenn dann vor diesem Hintergrund selbst zu einem arglosen Film die eine oder andere deutsche Zeitung keift, weil es Christian Tod im Verlauf der Doku wagt, nebenbei auch Erich Fromm mit “Demokratie ist manipulierte Zustimmung” zu zitieren und dabei auch die gesamte Propaganda-Maschinerie abzuwatschen, outen sich jene dafür verantwortliche “Journalisten” unfreiwillig wessen Agenda sie verfolgen. Dass “selbst” das “Neue Deutschland” bei dem Sujet Grundeinkommen, die Erbsenzähler betreibt, “kritisch” anzumerken, dass es doch nicht gut sei, wenn “der Milliardär dieselbe Summe ausgezahlt bekommt wie der Mann von der Müllabfuhr” ist dahingehend nur tragikomisch. Als ob die paar Tausender im Jahr, die für Geldsäcke mit ihren Steuerschlupflöchern und gefühlt durchschnittlich zehn Villen und siebzehn Fabriken verschleudert würden, systemrelevante Schädigungen darstellen können. Ein Scheinargument von inzwischen selbst zu Systemlingen gewordenen Typen, die sich links nennen, aber auch schon nicht mehr sozial denken wollen oder können. Denn, dass der Film insbesondere auch eine Lanze für die bereits erwähnte Transaktionssteuer bricht, wird von “nd”-Autor Jürgen Kiontke gleichzeitig dreisterweise unter den Teppich gekehrt.

Das einzige Argument, wenn sich denn jene Angst bewahrheiten würde, gegen ein BGE kann eigentlich nur lauten, dass es ein riesiger Lohnkostenzuschuss für Unternehmer sein könnte, wenn diese die Gehälter mit dem Argument, jeder hätte ja schon (beispielsweise) monatlich 1000 Euro, entsprechend kürzen würden. Doch eine wirkliche radikale neue Gesellschaftsstruktur könnte auch einer solchen – theoretischen – Entwicklung den Riegel vorschieben. Ganz nebenbei fände ja – wenn man eben nicht mehr um jeden Preis malochen muss – perspektivisch ohnedies ein Wettbewerb um die Arbeitnehmer statt. Und vor allem – man kann es unseres Erachtens zu diesem Sujet nicht oft genug erwähnen:  ohne einen drohenden Arbeitsplatzverlust haben “die da oben” keine relevante Kontrolle mehr über die Massen – individuelle Entfaltungsmöglichkeiten könnten endlich wieder zu blühen beginnen.



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