Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Möchtegernkritik an einem Möchtegernschlichter

Der Titel zu der Doku über einen so genannten Entschädigungsspezialisten klingt viel versprechend: “Playing God” porträtiert den Anwalt Kenneth Feinberg, der unter anderem nach “9/11” von Regierungen, von Richtern oder Unternehmen gerufen wird, um ihnen das Leid vom Hals zu halten und an ihrer Stelle mit Hinterbliebenen oder Geschädigten zu sprechen.

Dass es für Feinberg völlig normal ist, dass das eine Menschenleben weitaus wertvoller ist, als das andere – daraus zumindest macht der Film der Professorin für “Dokumentarfilm in den Bereichen Kino, Fernsehen, Kunst und digitale Medien” an der Hochschule für Fernsehen und Film München und Mitbegründerin des Internationalen Frauenfilmfestivals “Feminale”, Karin Jurschick (“Krieg & Spiele”, “Danach hätte es schön sein müssen”) keinen Hehl. Aber über weite Strecken, nicht zuletzt perfiderweise mittels O-Tönen von Frau und Bruder, zeigt die Doku diesen Mann keinesfalls als Zyniker, doppelzüngigen Maulhelden oder gar Lobbyisten von Unternehmen wie BP, der er offenkundig ist, sondern als durchaus engagierten Zeitgenossen, der halt einfach nur trotz seiner Prominenz nicht zaubern kann und zumindest einiges für die Mehrheit von hier und da Betroffenen aus Rechtsstreitigkeiten herausholt.

Und so ist es dann eben, dass die Witwe eines toten Feuerwehrmanns monetär weniger zu erwarten hat als Hinterbliebene eines am gleichen geschichtsträchtigen Tags in New York um’s Leben gekommenen Börsenmaklers. Denn für Feinberg zählt gemeinhin, was ein Verblichener in seinem Leben voraussichtlich noch hätte verdienen können – danach bemisst sich dann die Ausgleichszahlung. Nur allzu selten blitzt in “Playing God” die dreiste Arbeitsweise des Anwalts ungeschminkt auf. Und das wo die Regisseurin vorgeblich anderthalb Jahre rund um diesen Mann und mit ihm gearbeitet hat. Und so sind die wenigen interessanten Szenen die, wenn der “Gutachter” Menschen mit schweren gesundheitlichen Schäden nach einer Ölpest vor ihrer Haustür zuquatscht, dass diese doch über die Ursachen ihrer Leiden gar nicht so sicher sein könnten. Dass er als Mentor auftritt, pseudogewissenhaft Dinge zu untersuchen vorgibt, gleichzeitig aber von dem Konzern, der mit dem “schwarzen Gold” seine Milliarden verdient, bezahlt wird, negiert er, so weit wie möglich.

Jurschick dankt ihrem Protagonisten ausgiebig im Abspann – gewichtige Fragen hat sie ihm offenbar keine Einzige gestellt. Zumindest gibt es in ihrem Film dazu keinerlei Indiz. Stattdessen zeigt sie den Herrn, wie er klassischer Musik lauscht oder nach vermeintlich schwerster Arbeit – etwa den gezeigten Town-Hall-Meetings – die Füße hochlegt und doch noch salbungsvoll sein Pseudoengagement herunterbetet. Kein Wunder, dass obskurste Medien (unter anderem solche, die es ernsthaft schaffen, bei einem “Firmennamen”, der aus zwei Buchstaben besteht, einen Dreher hinzubekommen: “wie der Ölmulti PB”) dann das Gefühl haben, einen “charismatischen Anwalt” zu erleben, dem es “von großer Bedeutung zu sein (scheine), seine Entscheidungen transparent zu machen”.

Von Transparenz indes keine Spur! Er ist keineswegs ein Mann, der zu den persönlichen Schicksalen und Wirtschaftsinteressen, die regelmäßigh in unserer globalisierten Welt fulminant aufeinander treffen, “mit Geld Gerechtigkeit herzustellen versucht”. Jeder, der sich mit der Realität beschäftigt, muss erkennen, dass Figuren wie der eitle “Special-Master” Feinberg, der offenbar mit jeder politischen US-Größe zu kuscheln vermag, einzig dazu da sind, den Mächtigen hier und da Strafen und schlechte Presse zu ersparen, so gut es eben geht. Statt diese Type von der ersten Minute an zu entschlüsseln, auch die generelle Systematik von Gerichtsarbeit in Entschädigungsfragen zu kritisieren, kratzt “Playing God” bestenfalls an der Oberfläche, hinterfragt eigentlich nur die Problematik, warum Hinterbliebene nicht gleichwertig Schmerzensgelder erhalten, sondern eben wie angedeutet am potentiell “versäumten” Einkommen der Verstorbenen oder Versehrten gemessen werden. Dass auch alles, was der Mann, der – wie im Film verwurstete Archivaufnahmen belegen – schon vor Jahrzenten wenig Haare auf dem Kopf hatte, tut, in geltendem Recht verankert ist, macht die gesamte Thematik umso bitterer. Aber eine Systemfrage oder ein Aufdecken von Pseudodemokratie und Hinterzimmer-Richtereien darf man in diesem überdies extrem langatmigen Streifen aber eben leider nicht erwarten. Wenn sogar die erzkonservative Welt festhält, dass sich die Dokumentarfilmerin “von dem System und seiner perversen Logik (hat) einfangen lassen”, dürften nicht nur Menschen mit sozial-gesellschaftlicher Empathie wissen, wie unnötig es ist, hierfür ein Kinoticket zu lösen.



2 thoughts on “Möchtegernkritik an einem Möchtegernschlichter”

    • danke wolf – danke für die blumen. es gefällt uns nicht erst seitdem vor jahren georg schramm dazu “abhandlungen” hielt ausgesprochen, wenn menschen richtigerweise zwischen zorn und wut zu unterscheiden wissen. haben sie die doku gesehen?

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