Mit “Belladonna of Sadness” kommt ein Animationsfilm in die deutschen Kinos, der eigentlich bereits mehr als 40 Jahre auf dem Buckel hat, aus Japan stammt, teilweise aus abgefilmten, künstlerisch hochwertigen Standbildern besteht, unter anderem einen sexuellen Missbrauch thematisiert und vor allem in jeder Hinsicht schlicht außergewöhnlich ist.
Normalerweise sollte man das Ende eines Films in einer Kritik ja nicht vorwegnehmen. Aber wenn wir “verraten”, dass in der letzten Einstellung der frisch restaurierten, nach diversen Zensurmaßnahmen und dann noch Insolvenz des Produktionsstudios lange als unwiederbringbar verschollen geltenden, enorm kunstvollen “Belladonna of Sadness” (1973) nun ein heute im Louvre in Paris hängendes Gemälde von Eugène Delacroix’ aufblitzt, “Die Freiheit führt das Volk” (also eine Art Halbgöttin mit der drapeau tricolore inmitten von Leichen zu sehen ist), wissen Sie einerseits wenig bis nichts über die eigentliche Filmhandlung. Und andererseits ahnen Sie doch zumindest, dass in der über weite Strecken im Grunde recht unbewegten Animation, die an vielen Stellen aber psychodelische Farben und irrwitzige Soundgewänder zum Besten gibt – trotz des eigentlich asiatischen Herkunftslands – Frankreich eine heimliche Hauptrolle spielt. Inspiriert sei Eiichi Yamamoto* seinerzeit von Abhandlungen über “Hexenwahn”gewesen (insb. Jules Michelets “La Sorcière”) – speziell auch von der Geschichte der Jeanne d’Arc (Jungfrau von Orléans). Am Anfang steht bei ihm jedenfalls die Liebe von Jean und Jeanne, zwei frisch verheirateten jungen Leuten in einem unbenannten Fürstenreich im Mittelalter. Weil Jean die vom Herrscher willkürlich festgesetzte Heiratsabgabe nicht aufbringen kann, macht der Fürst vom “Recht der ersten Nacht” Gebrauch – mit ihm fällt sein halber Hofstaat über Jeanne her. Die am Zeichentisch geschaffenen Bilder für der Hauptfigur erste Pain gehen, so abstrakt gehalten sie auch sind, regelrecht unter die Haut. Das selbe gilt für vieles was danach kommt und sich unter anderem um die Rebellion eines Volkes gegen die Unterdrückung durch Feudalismus und Kirche dreht. Auch der Teufel höchstpersönlich hat in der weitgehend aus der Sicht einer engagierten Frau erzählten, oftmals surrealen Bilderfolge eine gewichtige Rolle – anfangs noch in Gestalt eines sehr verschmusten Mini-Phallus.
Wie gesagt: es ist kein Animationsfilm im klassischen Sinn – teilweise sind es gar nur Kohlezeichnungen über die eine Kamera entlangfärt um dann im nächsten Bildschnitt wieder in einem Meer von Farben oder in der Pop-Art zu landen. Im Zusammenspiel wirkt das Ganze unweigerlich wie eine Achterbahnfahrt. Kurzweilig ist die Tragödie der Belladonna dabei zwar nicht gerade, aber es gibt auch keine unnötigen Längen, wenn im Weiteren unter anderem die Themen Empfängnisverhüten, der Ausbruch der Pest und Geldverleihen zu humanen Bedingungen gestriffen werden. Vielmehr schlicht ein unbedingt entdeckenswertes Meer an beklemmend intensiven Bildern, die nebenher auch ein sehr herausforndes Suchspiel für vielfältig interessierte Kunstliebhaber sein könnten. Denn all die aufgegriffenen Stile, all die Verbeugungen vor großen Meeistern sind für laien bei einmaligem Ansehen kaum identifizierbar.
* auch wenn Anke Leweke vom ohnedies oftmals aberwitzigen “Deutschlandradio Kultur” meint, dass “Im Reich der Sinne”-Macher Nagisa Oshima verantwortlich sei, ist dies nicht der Fall – unklar bleibt bei ihr auch, warum sie bei den Handlungen in “belladonna” von “sogenannte(n) gute(n) Taten” schreibt, wenn sie über Jeanne erzählt.