Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Von Bürgermeistern und anderen Banditen in Berlin

Die_Stadt_als_BeuteDokumentarfilmer Andreas Wilcke untersucht seit Jahren den Wandel der Einwohnerstruktur in Berlins Kern. So entstand bereits 2014 ein ziemlich guter Beitrag (“Wem gehört die Stadt”) mit seiner Beteiligung für die ARD. In seinem Kinodebut nun beleuchtet er von allen Seiten: begleitet Immobilienmakler und Kaufinteressenten in Goldgräberstimmung, zeigt aber auch perverse Politiker und Anwohner, die offenbar systematisch rausgewohnt werden sollen sowie – besonders eindrucksvoll – Investmentbanker und Artverwandte, die darlegen, wie leicht ehemaliger staatlicher Wohnungsbestand privatisiert und mit ein paar billigen Aufhübschungen zu Reibach werden konnte. Wodurch auch Menschen mit mittlerem Einkommen nach und nach an den Rand gedrängt werden – in dem Fall in die wirtschaftlich besonders prekären, sprichwörtlich grauen Ecken der bundesdeutschen Hauptstadt. Und Wilcke berichtet unter anderem auch einen Fall, wo eine Mieterin dulden muss, dass ihr von einem Tag auf den anderen unvermittelt das Bad- sowie das Küchenfenster zugemauert und der Ratschlag erteilt wurde, bei Bedarf eine Abluftleitung quer durch’s Schlafzimmer zu legen – tatsächlich durch eine Lücke im Gesetz gedeckt, wenn ein und dem selben Vermieter zwei aneinandergrenzende Bauten gehören. Kurzum: “Die Stadt als Beute” zeigt sehr viel und erstaunlich nüchtern von der gemeinhin verharmlosend “sozialer Wandel” getauften Zumutung, dass (auch) Berlins einst urbanste Ecken dank Immobilienhaien zum Reservat für (neu)reiche Möchtegerns verkommen, die am liebsten am – vorzugseise nebenbei ihre Schuhe putzenden – Concierge vorbei oder gar direkt mit ihrem Luxusschlitten in einen zum Penthouse fahrenden Aufzug steigen möchten, um dann zwar die Möglichkeit zu haben, ab und an das noch zu Recht legendäre Abend- und Nachtleben der Stadt auszukosten, ansonsten aber mit dem “Pöbel” nicht in Berührung kommen zu müssen.

Dank dieser 82 Minuten müsste auch der Letzte kapieren, dass die Politik längst vor dem Markt kapituliert, ja schlimmer noch, dass sie sich gemein gemacht hat – nicht zufällig landen schließlich viele Volksvertreter teils gar inmitten einer Legislaturperiode bei Unternehmen, über die sie zuvor oft soviel Gnade denn Recht walten ließen. Aber auch ohne solche naheliegenden Gedankenspiele: Es schaudert einen als Mensch mit wenigstens Restbeständen an Empathie zwangsläufig an zahllosen Stellen dieser Doku. Etwa wenn einflussreiche Gestalten rotzfrech grinsend rhetorisch fragen dürfen, ob ein Hartz-IV-Empfänger wirklich am Potsdamer Platz wohnen müsse, und dabei vermeintliche Sozialromantiker, die aber eben keineswegs 1A-Lagen zum 5€-Quadratmeterpreis fordern würden, verhöhnen. Diese Sequenz mit Thilo Freiherr von Stechow (im Lauf der Jahre die der Film umfasst u.a. Vorstandsmitglied der GSW – die Abkürzung steht angeblich -!- für “Gemeinnütziges Siedlungswerk”) hat offenbar auch die Kritikerin des “Neuen Deustschland” ein Stück weit beeindruckt, wenngleich sie augenfälligerweise schon formal darauf verzichtet, den Sack beim Namen zu nennen. Dass die Autorin in einer vorgeblich “sozialistischen” Tageszeitung dann aber ihrerseits rhetorisch fragen muss, “ob es nicht auch nachvollziehbar (ist), dass jemand, der sein Geld in Wohneigentum anlegt, damit auch Geld verdienen will”, scheint an Tragikomik kaum mehr zu überbieten. Doch jene “Caroline M. Buck” schafft es, indem sie im gleichen Text beim “ND” (statt beispielsweise daran zu gemahnen, dass es in Berlin 1990 noch 350.000 Sozialwohnungen gab, von denen heute nurmehr 120.000 übrig sind!) dieser in Wahrheit unbedingt sehenswerten Doku vorwirft, nicht zu unterstreichen, dass “nicht immer alles gleich Spekulation ist und Raubtierkapitalismus, was zu steigenden Mietpreisen führt, dass Abriss, Neubau und vor allem Sanierung im Einzelfall nicht nur zu Gewinnoptimierung, sondern auch zu einer teils zu begrüßenden Steigerung der Wohn- und Lebensqualität” verhelfe. Als ob Wilcke in “Die Stadt als Beute” auch nur ansatzweise ein Problem damit hätte, dass insbesondere auch nach der Wende viele wirklich äußerst schlichte Wohnungen – teils mit Außenklos – im Osten der Stadt zeitgemäß gemacht wurden. Dagegen hat(te) natürlich kein klar denkender Mensch etwas. Nur ist es eben ein Unterschied, ob tatsächlich notwendige Investionskosten (die im Idealfall aber rein durch staatliche Förderprogramme zu bestreiten gewesen wären) moderat – also bestenfalls in kleinen Etappen – auch auf Mieter umgelegt werden oder ob alteingesessene Bewohner zu Hunderttausenden quasi vertrieben werden!

Der unverblümte Wunsch der Finanzelite der BRD ist eben leider tatsächlich, dass niemand gegen ihr Gebahren aufmuckt und sie immer öfter frohlocken können: “Querulantischer Altmieter zieht endlich aus.” Ein Satz der bei einer der im Film eingefangenen Businesspräsentationen besonders schmissig über die Lippen kommt. Willfährige Richter, die notfalls auch Zwangsräumungen, die dann perverserweise mit massenhaft rabiater Polizei durchgedrückt werden, absegnen, wissen diese Leute ja bereits nicht nur in Einzelfällen auf ihrer Seite. Letztgenannte Berufsinstanz bleibt in der ‘Stadt als Beute’ leider hinter den Kulissen – der einzige Schwachpunkt dieser Leinwandarbeit! Allein wie Andreas Wilcke die Worthülsen des ehemaligen (Party-Biest Wowereit, der eine Riesenschuld an der Goldgräberstimmung der aus allen möglichen Ecken der Welt herbeigerauschten Miethaie hat) und des aktuell Regierenden Bürgermeisters (Michael Müller, vormals Senator für Stadtentwicklung – dem ressort welches in Sachen soziales Bauen eigentlich…) entlarvt – beide übrigens Teil der so genannten SPD, die sich im aktuellen Regionalwahlkampf der Hauptstadt nicht entblödet “Berlin bleibt bezahlbar” zu plakatieren – ist in der dabei einhergehenden Beiläufigkeit schlichtweg beachtlich.



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