Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Wenn eine Komödie zur subtilen Gehirnwäsche wird

Zwei Filme – einer aus Israel, der andere über Nordkorea. Der erste (“Atomic Falafel”) will eine Komödie sein und teilt formal gegen Iran und gegen Israel aus, besser gesagt gegen Militaristen beider Länder. Der andere (“Meine Brüder und Schwestern im Norden”), ein Dokumentarfilm, stammt von einer Frau aus Südkorea und ist erstaunlicherweise meilenweit weniger propagandistisch und vor allem weit weniger bigott als die fiktive Geschichte über einen unmittelbaren Atomkrieg.

AtomicFalafelDie hübsche Witwe Mimi und ihre 15jährige Tochter Nofar verkaufen selbstgemachte Falafel an israelische Soldaten am Rande von deren ständig wechselnden Wüstencamps. Was die Beiden nicht wissen: mit ihrer wenngleich etwas klapprigen, so doch begeistert aufgenommenen Mini-Küche auf Rädern bewegen sie sich regelmäßig über einem geheimen Tunnel-System, in dem einige hochrangige israelische Militärs ein Geheimkommando eingerichtet haben und Pläne für einen Atomwaffenschlag gegen den Iran aushecken, weil dieser – wie man aus gut unterrichteten Kreisen wisse – ihre Heimat in wenigen Tagen ansonsten mit der selben Technik angreifen würde. Es soll sozusagen ein Selbstverteidgungsangriff sein. Dumm nur, dass gerade die internationalen Atomwaffenkontrolleure vor der eigenen Tür stehen…

Im Film ist es im Weiteren dann erst mal so, dass die Tochter der Falafelbäckerin mit ihrem noch platonischen Freund, einem in Liebesdingen unerfahrenen jugendlichen Computerhacker, sowie auch (ausgerechnet) der Deutsche von der Atomenergieagentur IAEA die Pläne frühzeitig aufzudecken bzw. gar zu vereiteln drohen. Obwohl dieses ungleiche Trio der Skriptidee zufolge ohne das Wissen um die vermeintliche Gefahr für Israel ausgestattet ist, kommt es im Handlungsverlauf gut weg – überhaupt müht sich “Atomic Falafel” scheinbar auf einer Ebene zu erzählen, dass, wenn es in beiden Staaten (Iran und Israel) nicht seltsame alte und oder zynische Säcke gäbe, diese ganzen Militärgeschichten wahrscheinlich gar nicht mehr sein müssten. Umso ernüchternder wirkt der unübersehbare Subtext des Ganzen.

Um es gleich unumwunden zu sagen: Es gibt Filme da muss einem das Lachen im Halse stecken bleiben – wenn man nach wenigen Minuten erkennt, wie perfide sie im Grunde sind. Agit-Prop der klassischen Sorte ist eine zahnlose, herzkranke Babykatze (von wegen Tiger!) gegen diese für oberflächliche bzw. politisch schlecht oder gar nicht informierte Kinogänger wirklich subtile Gehirnwäsche darstellende Geschichte. Und das Schlimmste: man kann der Produktion nicht absprechen, dass sie – was ja unbedingt zu begrüßen ist – im Grunde ernsthaft pazifistisch gestimmt ist, und eben sogar auch durchaus ernsthaft wirkende Kritik auch an Israel vermittelt. Aber sie beginnt eben bereits gezielt mit einer dann das Grundgerüst bildenden, gravierenden, feist untergejubelten Lüge der Extrakklasse, wenn sie so tut, als ob im Staat Israel jemals, aktuell und oder auch nur in absehbarer Zeit die Internationale Atomenergieagentur IAEA irgendetwas zu Melden (gehabt) hätte. Anders als etwa im Iran, wo sicher auch vieles nicht astrein lief die vergangenen Jahrzehnte (und wahrscheinlich auch heute noch nicht läuft) gibt es nämlich gar keine Kontrollen auf diesem Gebiet – obgleich es seit Dutzenden Jahren mehr als ein offenes Geheimnis ist, dass in Israel nicht “nur” an Atomwaffen geforscht und geschraubt wird, sondern längst ein gravierendes Atomwaffenarsenal vorhanden ist. Nicht zuletzt durch die Inbetriebnahme des “Kernforschungszentrum” Negev in Dimona Anfang der 1960er Jahre. Kleiner Tipp an Leute, die leichtfertig mit Worten wie Antisemitismus und oder Verschwörungstheorie um sich schmeissen, weil jemand ein (vergleiche nicht nur das Massenmorden in Gaza 2014) unter seiner aktuellen Regierung verbrecherisches System kritisiert bzw. aufruft, kritisch hinzuschauen: mal mit den Aussagen eines Mordechai Vanunu auseinandersetzen! Und dann ein wenig weiter graben! Aber in einem Land wie der BRD, wo die Mainstreammedien seit Jahrzehnten zum Iran und zum Irak auch dann Titelseiten füllen, wenn die Atomenergieagentur IAEA selbst anders als die USA schon mehr oder minder Entwarnung gab (wenn die Diplomatie wirklich an ihre Grenzen stößt bzw. temporär nicht in das eine oder andere Land gelassen wird, sind Berichte hingegen natürlich nachvollziehbar), aber gleichzeitig selten auch nur implizit daran erinnern, welche Nation außer Indien, Pakistan, Südsudan und – nach Austritt – Nordkorea nicht Mitglied des Atomwaffensperrvertrags ist, scheint das fast zuviel verlangt.

Zurück zum Film von Dror Shaul. Dieser erhebt nicht etwa ein namenlos bleibendes Land, sondern ausgerechnet den Iran zum Widersacher in einem dann allerdings teils kindisch dargestellten Konflikt – passend auch zu den neuesten fragwürdigen Kampagnen eines auch in Sachen NSU-Komplex wie ein gekauftes Verlautbarungsorgan des sog. (!) Verfassungsschutzes erscheinenden “Journalisten”, dessen Gesinnungsgenossen man auch daran erkennt, dass sie häufiger “Mullah-Regime” als schlicht “Iran” texten. Auf der Leinwand wird der Handlungsverlauf am Ende übrigens (aber widerum gespielt beiläufig – der Film will ja eben den Eindruck der billigen Propaganda vermeiden) noch aufdecken, dass das, was die israelischen Militärs am Anfang als Gefahr bloß behaupteten und dabei auf den neutralen Zuschauer noch irgendwie schrullig oder böswillig gewirkt haben mögen, durchaus real war: Der Iran – zumindest ein kleiner militärischer Kreis dort – wollte doch tatsächlich den atomaren Erstschlag gegen Israel starten! Vor diesem “künstlerischen” Hintergrund hilft es dann auch nicht, dass die deutsch-israelisch-neoseeländische “Komödie” in Sachen Soundtrack eher die Sprache von Hassan Rohani als von Netanjahu spricht, und schauspielerisch überdurchschnittlich agiert wird.



nordkorea-Meine-Brueder-und-Schwestern-im-NordenOrtswechsel! Wenngleich es auch in dem zweiten Kinoneustart den wir hier beleuchten möchten, um Atomwaffenfragen gehen könnte. Doch statt – am Ende gar auf ebenfalls hinterhältige Weise Klischees zu mehren, baut er gar welche ab: Die aus Südkorea stammende Regisseurin Sung-Hung Cho (“Full Metal Village”, “Endstation der Sehnsüchte”, “Verliebt, Verlobt, Verloren” “11 Freundinnen”) hatte für ihren neuen Dokumentarfilm “Meine Brüder und Schwestern im Norden” die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen, um nach Nordkorea einreisen und dort drehen zu dürfen. Aber auch, um in Seoul bei der Rückkehr nicht verhaftet zu werden. Denn eine Reise nach Nordkorea ohne ausdrückliches Erlaubnis aus Südkorea werde auch in ihrem vermeintlich nicht wie im Norden diktatorisch geführten Heimatland als Staatsverrat angesehen und strengstens geahndet, so die Regisseurin. Sie wollte aber mit ihren eigenen Augen sehen, was in dem kleinen, von der Weltöffentlichkeit abgeschotteten Nordkorea passiert. Denn die Bilder, die gemeinhin über unsere Bildschirme geistern, zeigen fast ausschließlich frenetisch jubelnde Soldaten, die wie Marionetten wirken, Militärparaden mit Parteiführern – und als Kontrast hungrige Menschen, meist Grau in Grau. Die “Nachrichten” im Westen sprechen dazu – wenn sie sich nicht gerade nur lächerlich über den vermeintlich größenwahnsinnigen Kim Jong-un machen, oder zumindest dieses und jenes als besonders “bizarr” darstellen – in wiederum subtil wirkenden Dosen von einer nicht zu unterschätzenden atomaren Bedrohung, und einhergehend damit, dass es noch verschärftere Sanktionen gegen das kommunistische Land im nahen Osten geben müsse.

Sung-Hung Cho hingegen suchte tatsächlich normale Begegnungen mit “durchschnittlichen” Menschen, wobei dem Zuschauer klar sein muss, dass ihr die zu Wort kommenden Protagonisten und -drehorte im Gastland “von oben vorgeschlagen” wurden: Ein Vorzeigeschwimmbad und eine Fußballschule in der Hauptstadt, eine erfolgreiche Kolchose auf dem Land, eine Näherin, ein Maler, eine Offizierin oder ein Bauer. Nichtsdestotrotz schafft es die Filmemacherin diese und andere Gesprächspartner (und auch weitere Menschen im Hintergrund) in oftmals richtig entspannte Dialoge auf Augenhöhe zu verwickeln respektive authentisch wirken zu lassen. Der Film zeigt aber auch immer wieder die in Nordkorea wohl tatsächlich omnipräsenten Plakate mit schlichtesten Durchhalte-Parolen und den Führerkult mit seinen wirklich teils grotesken Zügen. Und auf der anderen Seite dann wieder: fast unberührte wunderbare Landschaften, herzliche Menschen, die unter anderem auf eine Wiedervereinigung mit ihren südlichen Nachbarn hoffen und Spartanisches, was auch in unseren Breiten durchaus eher mit Nachhaltigkeit und Naturschutz als mit purer Armut in Verbindung gebracht würde.

Beiläufig wird der Zuschauer auch damit konfrontiert, dass Nordkoreaner sogar für US-Amerikanische Modemärkte nähen – trotz der ausgerufenen Sanktionen. Nur: die Waren werden unterm Strich als “Made in China” verkauft, in allen drei beteiligten Nationen wohl ein offenes Geheimnis. Unabhängig von Wirtschafts”kreisläufen” scheinen die Arbeitsbedingungen übrigens zwar durchaus straff organisiert, aber keineswegs auch nur annäherend bedenklich wie etwa die Situation in indischen Textilfabriken. Und was den Totalitarismus anbetrifft, so sagte Sung-Hung Cho es in einem Interview, die Erfahrungen beim Dreh zum Film über die Frauen-Fußballnationalmannschaft “11 Freundinnen” 2011 sei ein “super Training für Nordkorea“ gewesen: „Durch den DFB habe ich gelernt, wie ein totalitäres System funktioniert.“ Mit welchen Maßstäben man auch immer an so ein Thema herangeht: unterm Strich ist es eine sehr sehenswerte, weil vor allem unaufgeregt und weitgehend ergebnisoffen agierende Doku.



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