Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Kleine Morde in der Familie

18 Jahre lang spielte er im beliebten ZDF-Krimi “Der Alte” den Oberkommissar Axel Richter, ehe er wie sein Serienkollege Markus Böttcher im vorletzten Jahr jüngeren Schauspielern weichen sollte. Mit “Weiber! – Schwestern teilen. Alles.” legt der aber eben in Wahrheit keineswegs zum alten Eisen zu zählende Pierre Sanoussi-Bliss seinen zweiten Spielfilm vor. Eine bitterböse Geschichte über Gewalt in der Ehe und Leihmutterschaft.

Es geht konkret um drei recht ungleiche Schwestern – verkörpert von Winnie Böwe, Floriane Daniel und Astrid Ann Pollmann – zwei Männer, den offensichtlich schlagwütigen Kerl der einen und den potentiellen Lover der anderen Beiden (Matthias Freihof), ein weißes Kaninchen sowie um die Mutter des Trios (Margit Bendokat). Der 55-jährige Sanoussi-Bliss, der hier gleichzeitig als Regisseur, Produzent und Drehbuchautor verantwortlich zeichnet, hat ebenfalls einen Auftritt.  Wenngleich einen sehr kurzen. Und zugleich einen, bei dem er kein Wort sagt.

Dabei ist seine Stimme eine besonders charmante und markante. Aber schweigen sollte der Sohn eines guineischen Diplomaten und einer damals in Ostdeutschland lebenden Lehrerin, bereits in dem DDR-Homofilm “Coming Out” (1989), in dem er Opfer rassistischer U-Bahn-Schläger wurde. Ehe er dann zum TV-Krimi-Darsteller wurde, hatte der Absolvent der Berliner “Ernst Busch” Schauspielschule 1994 einen viel beachteten Auftritt in Doris Dörries preisgekrönter Komödie “Keiner liebt mich”. Schwul (“In meinem Fall ist es eher die Hautfarbe, die Castern und Besetzern im Weg steht. Die ist sichtbar.”), schwarz – und Ossi. Drei vermeintliche Randgruppen in einer. Und das erstgenannte Themenfeld war auch ein zentraler Schwerpunkt in seinem ersten abendfüllenden Kinofilm “Zurück auf Los!” – ein Streifen der wie ihn noch nicht kennt, unbedingt nachholen sollte. Denn der war sogar noch einen Ticken sehenswerter als die aktuelle Produktion, die aber keineswegs den Vergleich mit den besseren der deutschen Produktionen des aktuellen Kinojahrgangs scheuen muss! Einzig: “Weiber! Schwestern teilen. Alles.” ist ein wenig langatmig und an manchen Stellen zu vorhersehbar geraten.

Aber allein schon die Lust am Agieren der gesamten Schauspielerriege, so manche süße Kameraspielerei und schließlich die große Kunst insbesondere Emanzipatorisches und Queeres derart konsequent und gleichwohl beiläufig wirkend an zahllosen Stellen leuchten zu lassen, so dass es ein Film mit Botschaft und trotzdem einer für ein breites Publikum wurde, ist bemerkenswert. Ebenso das Durchhaltevermögen von Sanoussi-Bliss: erst klagte er ob seiner völlig überraschenden, offensichtlich einem Verjüngungswahn geschuldeten “Abberufung” aus dem Krimi-Team gegen die beim ZDF für den Alten zuständige Produktionsgesellschaft*  – letztlich zwar vergeblich, aber wer hat sich aus seiner Branche schon jemals bis vor’s Bundesarbeitsgericht gewagt (“Das wird mir jetzt wohl mein Leben lang im Weg stehen. Ganz sicher stehe ich auf einer schwarzen Liste für Schauspieler.”). Dann startete er die Arbeit an seinen Weibern – ohne jedwede (halb)staatliche Filmförderung. Das Ganze wurde einzig über Crowdfunding finanziert!

Was wiederum Folgen hatte, den Streifen überhaupt in zumindest einige Programmkinos zu bringen. Sanoussi-Bliss: “Es war gar nicht so einfach in Deutschland einen engagierten Verleih zu finden, wenn man nicht in diverse Fördertöpfe gegriffen hat…” Nun hat er einen, und so fehlen nur noch viele engagierte Lichtspielhäuser, die ihrem Publikum eine mal böse, mal fast verträumte, in jedem Fallziemlich unkonventionelle Geschichte gönnen, die neben kleinen Morden in der Familie (laut dem Macher wurde er dabei primär von Sabine Rückerts Buch “Tote haben keine Lobby” inspiriert) auch von dem hierzulande gemeinhin tabuisierten Thema Leihmutterschaft erzählt.

*[in der ursprünglichen Artikelfassung schrieben wir klagte gegen das ZDF respektive…gegen die zuständige Produktionsgesellschaft, was etwas missverständlich war und aufgrund eines Kommentars – siehe unten – von Pierre Sanoussi-Bliss von uns gerne korrigiert wurde]



2 thoughts on “Kleine Morde in der Familie”

  • Vielen Dank für den schönen Artikel! Echt mal! Aber ich muss etwas berichtigen, auch wenn das seit 3 Jahren schwer aus Journalistenhirnen herauszukriegen scheint, weil es als (falsche) Schlagzeile so schön griffig klingt und alle irgendwie voneinander abschreiben… Ich habe NIE das ZDF verklagt. Auch NIE gegen meinen Rauschmiss. Wie soll das gehen? Umbesetzt zu werden gehört zum Berufsbild des Schauspielers und kein Richter ließe so eine Klage überhaupt zu. Es ging lediglich darum, rückwirkend durchversichert zu werden, da wir zwar einen Rahmenvertrag für das komplette Jahr hatten, d.h. das ganze Jahr zur Verfügung stehen mussten, aber letztlich trotzdem nur pro einzelne Folge eingestellt und danach wieder entlassen wurden. Ich habe also 18 Jahre lang mit Kettenverträgen gedreht. Das Gericht sagt nun, das ist rechtens. Kunstfreiheit über Menschenwürde, sozusagen. Ich habe das akzeptiert. Ich wiederhole mich, das hatte nichts mit dem ZDF, sondern nur mit der Produktionsfirma zu tun. Man kann sich nicht in Rollen hineinklagen. Da wär ganz schön was los im Lande…

    • Lieber Pierre Sanoussi-Bliss – bitte entschuldigen Sie die Ungenauigkeit. Wir werden es im Text noch deutlicher konkretisieren. Viel Erfolg für Ihre “Weiber” quer durch die dt. Kinolandschaft landauf/landab 😉 – die kulturküche-Redaktion

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