Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Einmal Kanake, immer Kanake

Mit leisen Anleihen aus den “Ermittlungen” zum NSU-Komplex verwebt Regisseur Kanwal Sethi in seinem neuen Spielfilm “Was von der Liebe bleibt” die Unerträglichkeiten des strukturellen Rassismus in Deutschland mit einer Liebesgeschichte: Eine Cafébesitzerin wird unvermittelt ermordet; die Polizei schikaniert die Hinterbliebenen, vor allem den zum Witwer gewordenen Ehemann. In Rückblenden wird auch das Leben des Paares erzählt.

Ilyas (Serkan Kaya) hat türkische Wurzeln, definiert sich aber primär als Berliner. Yasemin (Seyneb Saleh) stammt aus einer kurdischen Familie, sie betont ihre Roots regelmäßig. Obwohl Beide vom Temperament kaum unterschiedlicher sein könnten – er zurückhaltend und eher still, sie extrovertiert und oftmals laut – werden sie ein Paar. Und arbeiten auch zusammen. Gemeinsam führen sie ein Café, mit Heiraten haben sie indes nicht eilig. Auch nicht, als die gemeinsame Tochter Senna (Amira Demirkiran) auf die Welt kommt. Erst nach fünfzehn Jahren geben sie sich das Ja-Wort. In letzter Zeit nun aber schwindet die Harmonie zwischen Ilyas und Yasemin – immer öfter streiten sie sich, reden gar manchmal tagelang fast kein Wort miteinander. Und dann passiert etwas Unvorstellbares: Yasemin wird im Café von Unbekannten ermordet. Die Polizei beginnt äußerst klischeehaft mit ihren Ermittlungen, dabei gelingt es ihr beinahe, die restliche Familie emotional komplett zu zerstören. Denn der Schuldige wird nur im unmittelbaren Umfeld des Opfers gesucht.

Die Initialzündung zu „Was von der Liebe bleibt“ kam dem indisch-deutschen Regisseur und Drehbuchautor Kanwal Sethi („Fernes Land“, 2011 und „Once again – Eine Liebe in Mumbai“, 2018) durch die Beschäftigung mit den so genannten NSU-Morden, bei denen in Deutschland neun Unternehmer mit türkischen und griechischen Wurzeln im Zeitraum 2000-2006 mit stets der selben Waffe erschossen wurden. Im Zuge des Gerichtsprozesses wurde untern anderem der landesweit verbreitete strukturelle Rassismus bei der Polizei deutlich. Jahrelang schikanierten sie die Hinterbliebenen mit Behauptungen die Opfer könnten ein Doppelleben geführt haben und weiteren Unterstellungen, Beschuldigungen, Hausdurchsuchungen – vermeintlich statt Gedanken an rassistisch motivierte Taten zuzulassen. Wobei wir – aber das sprengt hier jeden Rahmen – durchaus der Meinung sind, dass viele Beamte keineswegs “nur” betriebsblind waren, sondern gezielt zu vertuschen suchten.

Zurück zum Film! Auch Serkan Kayas Figur Ilyas muss zusehen, wie seiner Frau posthum diverse Liebhaber angedichtet werden, wodurch er selbst dann aus Sicht mancher Ermittler als potentieller Ehrenmörder in Betracht kommt. Auch wird er im Strang der Geschichte die chronologisch in der Gegenwart verhaftet ist, erleben, dass über Yasemins angebliche politische Aktivitäten zu Gunsten der PKK beziehungsweise über Steuerhinterziehungen spekuliert wird. Seine minderjährige Tochter wird ebenfalls regelmäßig von Polizisten aufgesucht und ausgefragt. Und so nagen mit der Zeit auch zumindest kleine Zweifel in Ilyas, ob das was er von Vater Staat eingeflößt bekommt, vielleicht doch mit der Realität zusammenpassen könnte, obgleich er eigentlich felsenfest sicher ist, dass er die Frau, mit der er seit vielen Jahren zusammen war, wie man so schön aber eben oft leichtfertig sagt, in- und auswendig kannte. Die Zeit vergeht, die kleine Familie kann der Zermürbung nichts mehr entgegen setzen. Ilyas muss lernen, dass seine Selbstdefinition als Berliner der deutschen Gesellschaft keinen Pfifferling wert ist. Er bleibt nicht nur für die Polizeibeamten offenbar ewig ein “Kanake”. Im Film “Was von der Liebe bleibt” geht es aber auch um eine Liebe, die den Tod überlebt, trotz der Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen, die das Paar insbesondere in seinen letzten gemeinsamen Monaten durchlebt hat. Die schier zahllosen Rückblenden die zur Charakterzeichnung und Verdeutlichung der engen Bindung einfließen, gehen dabei sowohl vom “Tonfall” als auch vom Bild her regelrecht organisch in den Erzählvorgang ein, so dass der Zuschauer manchmal mehr als 1-2 Sekunden brauchen dürfte, jeden Zeitsprung direkt als solchen wahrzunehmen. Und noch länger um die präsentierten, ja teils hingeworfen wirkenden Puzzlestücke vor dem geistigen Auge in Einklang zu bringen.

Überhaupt ist der Streifen handwerklich mehr als solide gemacht, insbesondere lobenswert für ein ausgeklügeltes Farbkonzept, dass zwischen normalem Leben und dem was in Polizeistationen abgeht, wechselt. Durchweg überzeugend ist auch das Schauspiel. Überdurchschnittlich gar die Leistung von Serkan Kaya. Aber: Das Thema vom strukturellen Rassismus in der deutschen Gesellschaft, für Kanwal Sethi neben der Liebesgeschichte erklärtermaßen der zentrale Strang, hätte durchaus mehr unterfüttert werden können. So bleibt halt für den Kinogänger ein eher verwaschener Eindruck, dass die handvoll Polizisten und der eine Staatsanwalt denen Ilyas und seine Tochter ausgeliefert sind, eher unfähig oder zumindest eben weniger Regel denn Ausnahme sind. Die Texttafel im Abspann des Films, dass in Deutschland zwischen 1990 – 2022 mindestens 235 Menschen durch Rechtsextremisten ermordet und davon von der Bundesregierung lediglich 113 Tötungsdelikte als politisch rechts motiviert eingestuft worden seien, wirkt im wahrsten Sinne des Wortes ran geklatscht.



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