Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Es wird wohl der Letzte sein

Eine Familie bereitet ein rauschendes, vielleicht das letzte Geburtstagfest für einen schwerkranken jungen Mann vor. Lila Avilés’ Film „Tótem“ erzählt außer über mexikanische Kultur zuvörderst über Liebe, Zusammenhalt und Schmerz.

Der Film erzählt von einem einzigen Tag, an einem einzigen Ort. Ein Kammerspiel ist “Tótem” dabei aber keineswegs: zwei Schwestern bereiten eine Geburtstagsfeier für ihren jüngeren, aber auch schon richtig erwachsenen Bruder vor, der schwerstkrank wieder im  Haus der Familie wohnt. Auch weitläufige Verwandtschaft ist eingeladen, der Garten wird geschmückt und bestuhlt, das Haus geputzt, Essen gekocht, eine Torte gebacken… Während Tona mit Hilfe einer Pflegerin, die fast zu einem Familienmitglied geworden zu sein scheint, seine letzten Kräfte für den Abend sammelt, sind die Vorbereitungen in vollem Gange – was für den Zuschauer bei Szenenwechseln wie zwei völlig verschiedene Welten wirkt, obgleich das jeweilige Geschehen teils nur wenige Schritte und durch eine Zimmertür getrennt stattfindet.

Mittendrin in beiden “Welten” ist des Malers achtjährige Tochter Sol, die ihren Vater der eigentlich Tonatiuh heißt (ein Name, der in der aztekischen Mytho­logie für den Gott des Feuers, der Sonne, steht) schon einige Tage nicht mehr gesehen hat, weil er ihr nicht mit schmerz-gezeichneten Gesicht und Körperhaltung im Gedächtnis bleiben will. Und so lauert die Kleine auch an diesem Tag wie eine kleine Katze um die Tür zu seinem Zimmer, sucht Möglichkeiten hinein zu gehen, zweifelt nachdrücklich, dass der Papa sie noch lieb habe, wird von der Pflegerin getröstet aber dann auch wiederum zurückgeschickt: sie solle sich bis zum Abend gedulden. Und so dreht Sol kleine Runden im Haus und im Garten…

„Tótem“ ist der zweite abendfüllende Film der mexikanischen Regisseurin Lila Avilés (1982). Ihr Erstling „La camarista“ („Das Zimmermädchen“, 2018) wurde aus ihrer Heimat für den Oscar als Bester Internationaler Film eingereicht und bei vielen Festivals mit Preisen gewürdigt. Ihr neuer Streifen, für den sie auch das Drehbuch verfasst hat, beschreibt einen besonderen Tag in einer Familie, die – unausgesprochen – Abschied von einem ihrer Mitglieder nimmt. Es wird miteinander gezankt, gelacht, geweint. Und vieles durch die Augen des weitgehend stillen Mädchens – herausragend gespielt von Naíma Sentíes – beobachtet. Dies ist der Kniff mit dem verhindert wird, dass das Ganze in oberflächliche Rührseligkeit abdriftet. Es ist ein sehr intensiver Film mit allen Facetten der Gefühle, in dem keine einzige Sekunde aufgesetzt oder falsch erscheint und neben dem nahen Tod der Hauptfigur auch diverse weitere soziale und gesellschaftliche Themen unaufgesetzt angerissen werden. Dazu sorgen noch eine besonders beeindruckende Kameraleistung und neben der Sol-Darstellerin ein auch sonst überdurchschnittlich agierendes Ensemble  bei „Tótem“ für ein nachwirkendes Film-Erlebnis.



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