Thomas und Signe – ein junges Paar in Oslo mit vielen sozialen Kontakten hat erkennbar ein übergroßes Bedürfnis nach Bewunderung. Besonders sie. In der Beziehungskomödie „Sick of Myself“ (Deutschlandstart 23.03.2023) ist die zentrale Frage wer den Wettbewerb im sich gegenseitig überbieten zwischen den Beiden gewinnt und auf welche Kosten das eine oder andere Buhlen um Likes wohl gehen wird?
Während Thomas mit seiner Ausstellung mit (geklauten) Designermöbeln zunehmend erfolgreicher wird, leidet seine Freundin Signe daran, dass sie derzeit nicht im Vordergrund steht. Nicht im gemeinsamen Freundeskreis, nicht bei Social Media, nicht im Licht der Presse. Aber sie hat Fantasie und schafft es dann doch immer wieder die Aufmerksamkeit aller auf sich zu lenken und damit auch ihren bis gerade im Rampenlicht stehenden Partner zu übertrumpfen. Damit das dauerhaft so bleibt, sollen dubiose Pillen helfen, auch oder gerade weil diese merkwürdige Hautirritationen als Nebenwirkung hervorrufen. Signes Plan geht auf: die Ärzte sind ratlos, ihr Umfeld voller Mitgefühl, es erscheint sogar ein großer Artikel über sie. Die Genugtuung ist aber nicht von langer Dauer – der vermeintliche Coup wird langsam aber sicher unkontrollierbar…
„Sick of myself“ ist die erste abendfüllende Produktion des Norwegers Kristoffer Borgli, der mit Kurzfilmen bereits viele Preise eingeheimst hat, in Los Angeles lebt und aktuell seinen zweiten Spielfilm zusammen mit der Produktionsfirma A24 („Midsommar“, „Macbath“) und Nicolas Cage in der Hauptrolle dreht. Die „unromantischste Komödie“, wie der Regisseur seinen grotesken Erstling zum Thema Selbstdestruktion nennt, hatte ihre Premiere 2022 in Cannes und sorgte für breite Aufmerksamkeit. Der krankhafte Drang zum Narzissmus in diesem Film ist nämlich tatsächlich urkomisch geraten, und natürlich auch irgendwie schrecklich anzusehen. Nur gut, dass hier nicht wie bei Unfällen auf Autobahnen Gaffer zur Gefahr werden können.
Es gibt so viele Momente in „Sick of myself“ (Originaltitel: Syk Pike), wo man beim Lachen gleich entsetzt nach Luft schnappen muss. Die satirisch angehauchte Story, die mehr als nur zwischen den Zeilen, aber letztlich unaufdringlich auch die Frage nach dem “Wert des Menschen” in Zeiten von (a)-social-media oder dem Ausverkauf im Kunstbetrieb stellt, wird immer absurder, bleibt aber bis zum Schluss konsequent nachvollziehbar und stellenweise überraschend: Nicht zuletzt dank einer überdurchschnittlichen Kameraarbeit und vor allem der schauspielerischen Leistung von Kristine Kujath Thorp, die vor zwei Jahren mit „Ninjababy“ bekannt wurde, ein rundes Leinwandvergnügen. Die Darstellerin schafft es sich die psychologisch komplexe, etwa auch von Eifersucht und Frustration geprägten Rolle von Signe, die irgendwann mit Geschwüren am ganzen Körper zu kämpfen haben wird, scheinbar mühelos anzueignen. Sie schafft es vortrefflich ihre Figur nicht zu verraten – Signe erscheint keine Sekunde wie eine Karikatur. Gleichwohl ist ihr Charakter eine Meisterin in Lügen, sie muss immer schauspielern, darf nie aus der Rolle fallen. Thorps Leinwandpartner Eirik Sæther alias Thomas ist nicht nur im Film sondern auch im wahren Leben Künstler. Es ist seine allererste Kinoarbeit. Auch seine Figur hat, wie eingangs erwähnt, ein riesiges Geltungsbedürfnis, durchschaut manche Male die Tricks seiner Freundin, fällt aber letztlich doch auf die ganz große Lüge herein.
