Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

CD-Kritik: Schüttelreime im Kinderbergwerk

Rainald Grebe kommt sprichwörtlich viel rum auf seiner neuen CD “Das Elfenbeinkonzert” – schon der Opener “Junge” entführt unter anderem nach Bagdad und in den Bahrain. Doch am Ende sagt er am Meisten über die Bundesrepublik im Jahr 2017 aus.

grebeZwischendurch gibt es immer wieder eine Stimme aus dem Off, die verlautet, was andere Kunden, denen dieser oder jener Song gefiel, auch noch gekauft hätten oder wie lange der nachfolgende Track dauern wird. In Zeiten, in denen egal ob bei Facebook oder Amazon, penetrant eingeschätzt und zum Geldausgeben oder Datenschleudern angeregt wird und Tageszeitungen in ihren Onlineangeboten über ihren Artikel eine “Lesedauer” ausweisen, ein nettet Seitenhieb. Und ein neben dem Albumtitel selbst dezenter “Hinweis”, dass es sich bei Grebes neuester CD einmal mehr nicht um ein klassisches Studioalbum handelt, sondern um einen umfangreichen Ausschnitt seines aktuellen Konzertprogramms. Entsprechend sind auch diverse Zuschauerreaktionen sowie einige “Plauderstücke” als eigenständige Tracks enthalten – inklusive “Geheiminformationen” über das In-und-Out des an Künstler gerichteten e-Mail-Verteilers des Goethe-Instituts und dessen unterschiedliche Besoldungsgründe, aber auch profaneren Späßchen mit Stammtechniker Franz Schumacher, die mitunter immerhin am Rande einen ernsten Kern streifen, etwa wenn es um die Rationalisierung geht, dass “Computer” Jobs übernehmen, die heute noch von Menschen ausgeführt werden. Hörenswerter als solche Intermezzi sind aber natürlich die Musikstücke. Nicht alle, aber doch erfreulich viele. Etwa eines, das zahllose Gegenüberstellungen zwischen Morgen-und Abendland vollzieht, und letztlich wenig larmoyant daran erinnert, dass es bei den “Vätern (sic!) unseres Grundgesetzes” mit den Frauenrechten (auch) noch nicht sonderlich weit her war; oder jenes, das Assoziationen der digitalen Abhängigkeit mit einer Reise auf der Titanic weckt (vom verunsicherten Steckdosenblick über die tägliche Portion Horrormeldungen – in einem Satz: volle Kraft voraus in die Nebelbank); und auch das launige Lied über das mitunter tragikomische Unwesen des so genannten Stadtmarketings in eigentlich austauschbaren Orten, die auf ihrem KFZ-Nummernschild völlig zu Recht durch mindestens zwei, wenn nicht eben gar drei Buchstaben repräsentiert werden.

Etwas zu präsent in der Gesamtschau ist hingegen das Themenfeld Rap und Reime geraten – das unter anderem vom einst “sauberen” Endreim in der Bronx erzählt und teils sehr bemühte Schüttelreim-Tänzchen vollzieht. Dafür ist allen voran Track Nummer 11 ein ganz exquisiter und unserer Meinung nach Grebes aktuell Bester, wenn es darum geht, dass er die Schwachstellen der Republik beleuchtet: Kinderbergwerk heißt er, und zeigt, dass die Justins und Leonies heutzutage systematischer denn je auf ihre Rollenbilder und für den Konsumwahn vorbereitet werden – und nebenbei auch für Heidi Klums nächsten Menschenzoo. Und wenn man dann noch weiß, dass die größte alljährliche Branchenschau rund um Produkte für Kleinkinder und Heranwachsende – die Internationale Spielwarenmesse in Nürnberg – just vor wenigen Wochen sich nicht entblödete formal “Girl Power” als eines der zentralsten Trendthemen auszurufen, in Wahrheit aber nicht nur Lego mit strikt zielgruppengetrennten friends- und technics-Welten operiert, sondern die Messemacher selbst beweisen, wie aberitzig sie sind, strahlt der Song nochmal so hell: Geworben wurde auf der Webseite und in den PR-Verlautbarungen der Spielwarenmesse allen Ernstes mit Sätzen wie „Ärztin, Künstlerin, Ingenieurin – nichts ist mehr unmöglich.“ Gerrit Hencke, ein Kollege der Schweriner Volkszeitung brachte es auf den Punkt: “Als wären die 50er Jahre erst gestern zu Ende gegangen, entdeckt die Industrie in ihrer Gier, dass Mädchen vielleicht noch andere Interessen haben könnten als Puppen und Schminken. Wo ist das blaue Frisierset für Jungs wo draufsteht: ‘Friseur werden – nichts ist mehr unmöglich’?” Bei Rainald Grebe, der in “Kinderbergwerk” erfreulicherweise auch explizit die bereits erwähnten Lego-Spielewelten brandmarkt, gibt es übrigens neben rosa und blau aber noch zwei weitere Farben: nämlich schwarz und grau. Wer nicht ahnt, was es mit diesen wohl auf sich hat, läuft wohl noch einen Ticken zu optimistisch durch diese Welt. Der aufmerksame Genuss eines Elfenbeinkonzerts (Grebe ist am 15.11. live in Erlagen – namentlich im Redoutensaal) könnte das übrigens schleichend ändern.



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