Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Oh Boy ohne Alles

Filme über die “Generation Praktikum” – über Menschen mit vermeintlich sehr ähnlichen Erfahrungen, Sorgen und Wünschen gab es die vergangenen Jahre so manche. Nun kommt “Einmal bitte alles” von einer in puncto Langfilm Regiedebütantin, ein Film, der in München angesiedelt ist und bereits im Titel den Schluss nahelegt, dass potentielle Berufsstarter heutzutage zuviel vom Leben erwarten würden?

Trotz jahrzehntelanger Meldungen zur Überalterung unserer Gesellschaft: Dem Statistischen Bundesamt zufolge zählen rund 22 Prozent der Gesamtbevölkerung und rund 20 Prozent der Arbeitskräfte zur sogenannten “Generation Y” – jener Bevölkerungskohorte, die im Zeitraum von etwa 1985 bis irgendwann kurz nach 2000 geboren wurde. Im englischen wird das “Y” bekanntlich why ausgesprochen – insofern war der Begriff eigentlich mal geprägt von dem Gedanken, dass es sich bei der “Generation Y” um eine handelt, bei der das Hinterfragen (why = warum) charakteristisch sei. In “Einmal bitte alles” jedenfalls wird eher wenig hinterfragt – zumndest nichts Grundsätzliches. Sieht man mal davon ab, dass ein Typ der – selbst gemessen an den ohnedies irren Preisverhältnissen des Wohnungsmarkts der bayerischen Landeshauptstadt – Zimmer seiner Wohnung nur sehr überteuert untervermietet, unter anderem um das teure Futter seines Geckos zu refinanzieren, in zwei Szenen Lieder mit seiner Band probt, die entfernt die Auswüchse der Globalisierung streifen.

Versprochen wird vom Verleih ansonsten eine “bittersüße Komödie”. Wir haben das leider erst nach der Sichtung des Films gelesen, waren neugierig geworden, weil in einer anderen Beschreibung zu “Einmal bitte alles” davon die Rede war, dass die Hauptfigur an einer Graphic Novel zu F. Scott Fitzgeralds “Die Schönen und Verdammten” arbeite und selber in München bei dem Versuch finanziell auf die Beine bzw. in einem vernünftigen Job unter-zu-kommen, an stromlinienförmiger werdenen Altersgenossen verzweifle.

Konkret geht es um die 27-jährige Isi, die – so “der Filmverleih” – “in einer ordentlichen Quarter-Life-Crisis” feststeckt, während “der Rest der Welt zu veganen Erwachsenen mit perfekten Lebensentwürfen” mutiert. Und tatsächlich erlebt man denn auf der Leinwand besagte junge Frau, die offenbar zwar fertig mit der Uni wurde, aber irgendwie noch nicht ganz im Leben angekommen ist: Isi (Luise Heyer) wohnt mit ihrer besten Freundin Lotte (Jytte-Merle Böhrnsen) zusammen und ist ansonsten wohl schon seit Jahren Praktikantin in einer Agentur, die eigentlich ihrer Berufung entspricht, sich aber keine Spur für ihre ambitionierten Zeichnungen sondern fast ausschließlich für frischen Kaffee interessiert – die Chefin kennt nach all der Zeit noch nicht mal ihren Namen. Zu allem Übel muß Isi nun auch noch temporär aus der WG raus, weil ihre Zimmerdecke nach einem Schimmelvorfall eingestürzt ist. So landet sie bei dem bereits erwähnten Nachwuchsmusiker mit dem ungewöhnlichen Haustier.

Allein der Arbeitsplatz von Isi birgt in der Theorie ausreichend Stoff, dass auch eine Komödie über die sogenannten Millenials anspruchsvolle, zumindest tragikomische Momente ausleben könnte. Doch das Langfilmdebüt der HFF-Absolventin Helena Hufnagel, die ihre Vita damit schmückt Creative Writing bei Doris Dörrie und Fernsehjournalismus bei Dieter Kronzucker erlernt zu haben, zeigt lieber ausgiebig zunächst das sehr laute Sexleben von Lotte und schließlich nicht minder umfangreich die zutiefst banale Situation, dass zwei vermeintliche Busenfreundinnen plötzlich gar nicht mehr so viel gemeinsam machen, wenn eben bei der einen Job, Mann und Kind ins Spiel kommen und bei der anderen es eben nicht läuft, so wie es bei Isi eben nicht läuft. Zu allem Übel werden in diesem Streifen Sätze a la “Ich bin 27. Mein Gott! Drei Jahre noch – und ich bin jemand, den Leute im Grundstudium als Mensch mittleren Alters bezeichnen” so bedeutungsschwanger heruntergeleihert, dass man die erste halbe Stunde noch die Hoffnung hat, dass dann wenigstens die zeichnende Protagonistin, wenn schon nicht die Ausbeutewelt von heute einen auf den Deckel kriegt und Isi wirklich aufwacht aus ihrem Selbstmitleid. Denn wirkliche Probleme, außer dass sie noch keinen guten Job fand, hat sie eigentlich keine.

Wer “Oh Boy” kennt und allein zwei-drei Punkte auf einer Zehner-Erwartungshaltungsskala an einen Film zum nominell eigentlich sehr ähnlichen Thema abzieht – weil “Einmal alles bitte” nicht in Berlin spielt und es vielleicht schwerer ist, in München so schön zu scheitern, wie es Tom Schilling in dem Streifen von Jan-Ole Gerster durchleidet – wird, wenn er Kinofilme nicht beruflich sehen “muss”, wahrscheinlich spätestens nach zwanzig Minuten entnervt oder zumindest zutiefst gelangweilt das Kino verlassen und – wenn keine DVD/BluRay zu Hause steht – sich mittels irgendeines Streaming-Diensts versuchen, mit der vollen Dosis Niko die jüngste Filmerfahrung auszulöschen.

Aber auch wer den wunderbaren Schwarz-Weiß-Streifen über die Orientierungs- und Perspektivlosigkeit der sogenannten Generation Y nicht kennt, aber auch von einer Komödie, zumal wenn sie denn nominell gesellschaftlich relevante Themen aufgreift, zumindest einen Funken Esprit oder auch “nur” ein gerüttelt Maß an Authentizität erwartet, wird am Ende von Helena Hufnagels Film dennoch nur zu einem Schluss kommen können: selten wurde das unterstellte Lebensgefühl einer ganzen Generation schlimmer banalisiert als hier. Einzig ein paar halbkritische Einsichten, dass der Alltag mehr als Abhängen bei Facebook und Youtube sein sollte und ein paar immerhin leidlich lustige Seitenhiebe auf – Isis WG-Freundin Lotte wird im Verlauf des Films wie angedeutet eine Festanstellung finden, und die ist just in diesem Bereich angesiedelt – die unterstellten Bigotterien hipper Vegan-Magazin-Autorinnen machen keinen abendfüllenden Film aus. Der Rest des Streifens ist bestenfalls selbstverliebt und oder klamaukig.

 



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