Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Eine allmähliche Auslöschung

“They are taking our home. What will we do?” – der Dokumentarfilm der am 14. November 2024 in Deutschland startet, ist keine sieben Minuten alt, da ist aus den unheilvollen Andeutungen des palästinensischen Aktivisten Basels Adra und den ersten besorgniserregenden Bildern – fremde Fahrzeuge bilden einen Umlagerungsring um ein Gebiet, in dem recht einfach wirkende Häuser stehen – Gewissheit geworden. Die ersten Bulldozer zerstören erbarmungslos Existenzen. Nicht bloß die ohnedies bescheidenen Behausungen. Sie fördern Vertreibung. Und zwar mit Ansage. Immerhin: hier gibt es keine Bombenteppiche gegen unschuldige Zivilisten – Kranke, Alte, Frauen und Kinder werden nicht unmittelbar mit dem Tod bedroht. Anders als in Gaza – wo dies keineswegs “erst” seit Oktober 2023 hunderttausendfach “passierte”.

Wenige Schnittbilder später sieht man in “No Other Land” eine Familie, die ein wenig von ihrem Hab und Gut retten konnte, sich behelfsweise in einem Zelt “einrichten”. Und man sieht, dass durch den Blitzeinsatz illegaler Landräuber (die vom westlichen Mainstream oft verharmlosend “Siedler” oder Armee der einzigen Demokratie im Nahen Osten tituliert werden) von “Israel” offiziell allen Ernstes weiterer Platz für “Trainingsplätze” des verbrecherischen “IDF” geschaffen werden soll. Sogar die Schafe der Gegend wurden dafür von jetzt auf gleich obdachlos.

Es ist 2019. Einer der primären Handlungsorte der Doku heißt Masafer Yatta – er liegt südlich von Hebron im Westjordanland. Hier betritt  auch ein israelischer Journalist die Szene: Yuval Abraham. Ein Mensch mit großer Empathie. Er und Basel – und die Zuschauer mit ihnen –  erleben Kinder, die wollen, dass es trotz dieses radikalen Einschnitts durch die Bulldozer erst einmal so normal wie möglich weiter geht: sie drängen in die Schule gehen zu können. Und sie setzen sich durch. An anderer Stelle legt ein zivil gekleideter Israeli mit North-Face-Jacke und Sonnenbrille mit orange glänzenden Gläsern eine “Demolition Order 1455” unter einen Stein, damit sie nicht wegweht. Zugestellt – und das nächste Haus ist dem Abriss geweiht. Für die Worte der regulären Bewohner, denen damit nicht “nur” ihr Land gestohlen werden soll, sondern auch allen in der Umgebung klar gemacht wird: rennt weg, rennt ganz weit weg – hier haben nur noch wir das Sagen, hat dieser Kerl, haben die ihn begleitenden, als solche erkennbaren Soldaten kein Ohr und erst recht keinen Funken Mitgefühl. Im Gegenteil! Es gibt die glasklare Ansage, wer jetzt nicht “freiwillig” das Weite sucht, werde verhaftet!

Das was wir hier bisher anreißen ist nur ein Teil dessen, was “No Other Land” allein schon in seinen ersten 20 Minuten vermittelt. Apartheid ist ein fast noch zu harmloses Wort für all den unfassbaren Machtmissbrauch der – aktuell gedeckelt vom Netanjahu-Regime – seit Jahrzehnten inzwischen Generationen von Palästinensern zugemutet wird und im Film nur in Schlaglichtern angedeutet wird.

Die weiteren 75 Minuten zeigen noch viel mehr von dem perversen und gewaltsamen Irrsinn. Doch was passiert dann zu einem solch gewichtigen Film in Deutschland? Das “Hauptstadtportal Berlin”s (Eigenwerbung: das “breite, praxisorientierte Informations- und Service-Angebot für Berliner Bürger”) – für das in letzter Konsequenz der dortige Senat verantwortlich zeichnet – gab sich feist entrüstet. Auf der Website stand zeitweise, “der Film des palästinensisch-israelischen Teams weist ‘antisemitische Tendenzen’ auf.”

Zurück zur Doku selbst: In einer der folgenden Sequenzen stellt Basel den israelischen Journalisten einem anderen vertriebenen Palästinenser vor, der sogleich fragt, ob es denn ein interessiertes Publikum in Israel für dieses Themenfeld gebe: “Honestly,not many – i hope this will chance” antwortet Basels Freund Yuval Abraham. Ein paar Filmminuten später: Ein Mann namens Harun, der zögerlich aufbegehrt, auf dass andere Menschen von den schmerzbefreiten israelischen Soldaten nicht auch noch ein Generator gestohlen wird, erntet lebensgefährliche Gewehrkugeln (der besonders perfide Berliner “Tagesspiegel” umschreibt so etwas dann mit Gerangel). Insgesamt erlebt man auf der einen Seite Palästinenser die entweder spätestens jetzt jede Hoffnung verloren haben oder sich noch in Galgenhumor flüchten, und auf der anderen “Seite” einige halbwegs sachlich auftretende israelische Soldaten (wobei man nicht weiß, wie auch diese wenigen agieren würden, wären sie nicht im Bilde, dass Kameras auf sie gerichtet sind), aber mehrheitlich gänzlich anders, nämlich extrem ungeniert agierende IDF-ler.

Diese und andere oft aber auch militärisch gekleidete Landräuber schwitzen aus jeder Pore ihrer Münder und Augen Willkür und Verachtung für “die Muslime”. Offenbar ohne auch nur den Ansatz von Skrupel greifen sie sogar gezielt absolut wehrlose Greise auf Krücken an.  “No Other Land” zeigt aber nicht “nur” Verbrechen gegen jedwede Menschlichkeit und wie die Opfer sich im Kleinen versuchen direkt vor Ort dagegen zu wehren oder sich international Gehör zu verschaffen, sondern in häufig eingestreuten Sequenzern mal sogar heitere, mal zweckoptimistische aber öfter tiefgründige Gespräche zwischen den beiden Aktivisten – zwischen zwei Menschen, die sich im Grund sehr ähnlich sind. Mit dem gravierenden Unterschied: nur einer von Beiden kann sich frei und spontan bewegen; der Andere rennt sprichwörtlich ständig gegen Mauern, wird zur Einschüchterung – wie auch sein Vater das seit Jahrzehnten mehrfach an seinem eigenen Leib erleben musste – auch mal für ein paar Tage inhaftiert. Einschüchterung aus allen Rohren.

Irgendwo im Film blitzt auch die Erinnerung auf, dass in der Gegend von Masafer Yatta auch mal einer wie Tony Blair vorbei geschaut hat: für 7 Minuten. Besonders ergreifend hingegen eine Szene, in der die Mutter des – wir haben es oben erwähnt: Stichwort Generator –  angeschossenen Harun den x-ten Journalisten in ihre Notbehausung lässt und insgeheim weiß, dass es auch, wenn man es bis hin zum Kameramann gut mit ihr und ihrem ans Bett gefesselten Sohn meint, sich nichts mehr zum Guten wenden wird. Nicht für Harun der alsbald seinen Verletzungen erliegen wird, nicht für die von Israel gekappten Wasserleitungen, nicht für die gezielt dem Erdboden gleich gemachten Schulen. Ob an dieser oder an anderer Stelle an der noch Palästinenser leben: jede Woche wird mindestens ein palästinensisches Haus platt gemacht und oder eine Familie vertrieben; von den genozidalen und oder Kollektivbestrafungen gleichkommenden Verbrechen an den Menschen in Gaza und Libanon ganz zu schweigen.

Etwas, dass offenkundig unter anderem “Filmkritikerinnen” der “Süddeutschen” nicht so richtig nachvollziehen wollen oder können. Sie schmieren lieber von “hysterische(m) Selbstmitleid” bzw. unterstelltem “Narzissmus der angeblichen Palästinenser-Freunde”. Immerhin weist aber auch sogar diese Münchner Postille den totalen Offenbarungseid des oben zitierten Hauptstadtportals zurück: Antisemitismus – immerhin – erkennen auch die SZ-“Journalisten”, namentlich Autorin “Sonja Zekri” nicht: jener Anwurf sei “grob falsch”. Wir von kulturkueche.de ergänzen: das ist er meistens, wenn es um irgendeine künstlerische Arbeit geht, die sich mit “Nahost” beschäftigt. Aber es wird leider nicht das Letzte Mal gewesen sein, dass von Springerstiefelpresse, Tagesspiegel, DIG, Grünen, Blaubraunen, den C-Parteien und anderen Hetzern und Verleumdern und Gedankenpolizisten und Polizistinnen dieser perfide Move versucht und – noch bedauerlicher – von zumindest punktuellem Erfolg gekrönt – wird.

Ein offenbar schmerzbefreits Kino in Aachen lässt dieser Tage verlauten (mittels eines Sven Ollig), dass man eine fest eingeplante Filmreihe rund um Palästina gecancelt habe, weil einem Aktivisten im Raum NRW als zu radikal erscheinen: “Palästina Solidarität Aachen” trete Werte mit Füßen, bediene – da ist er wieder, der nicht erst seit Gil Ofarim so unfassbar oft entwertete Begriff – “antisemitische bis hin zu holocaustrelativierende Narrative in Kombination mit radikal islamischen Tendenzen”. “No Other Land” werde aber gleichwohl in Aachen laufen, jedoch ohne, dass der Zuschauer sich am Ende selbstständig eine Meinung zu der von Theaterleiter Ollig nun “kontrovers” geframten Doku bilden kann. Die Vorführungen würden nun nämlich “mit einem Dialogpartner stattfinden, der mit den Werten des Apollo Kinos einhergeht”.

Wir schlagen – es würde zu dem zwischen den Zeilen mitschwingenden Brainwash-Ansinnen des Herrn Ollig passen – vor, falls beispielsweise der heuchlerische Philipp Peyman Engel keine Zeit und oder keine Lust hat, ladet in Aachen doch jemand von “epd Film” ein! Das liest sich auf dem Papier sogar unabhängiger als ein Vertreter zionistischer Kampfpresse. Eine Sabine Horst etwa könnte dann ihre Krokodilstränen, dass Israel als “Apartheid”-Staat denunziert (sic!) würde, nicht mehr nur online oder im Print freien Lauf lassen. Wer “No Other Land” gesehen hat und das noch immer negiert: so blind kann niemand sein, der sich Journalist nennt. Insofern muss es sich um eine weitere bewusst handelnde Schreibtischtäterin handeln. Kriegsverbrechen einer Besatzungsmacht, eine ethnische Säuberung sind nicht nur in und um Masafer Yatta so augenfällig, dass man ihr und anderen Schreiberlingen lapidare Zuschreibungen wie “Konflikt” oder Sätze a la “Die Lage ist kompliziert” einfach niemals mehr verzeihen darf.

 



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