Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Vom Prinzessinnenbad in die Karibik

Auf Kuba begegnen drei junge Deutsche nicht nur einem unbekannten Land sondern Menschen, die sie emotional so richtig herausfordern. Eigentlich waren sie auf dem Weg um einen Verschollenen aus ihrem Freundes- bzw. Familienkreis zu suchen: Teils mit Smartphones gedreht, erzählt das Roadmovie „Vamos a la playa“ somit auch eine Reise zu sich selbst.

Wanja (Jakub Gierszal) ist vor geraumer Zeit nach Kuba aufgebrochen, um über Seekühe zu forschen – nun aber haben weder Freunde noch die engste Familie schon länger kein Lebenszeichen. Wirklich Schlimmes vermutet dabei irgendwie niemand, man ist sich sicher, dass der junge Mann sprichwörtlich abgetaucht ist. Aber da es zuhause schlechte Nachrichten gibt, schickt der wohlhabende Vater Wanjas Schwester, Tochter Katharina (Victoria Schulz) und den Kindheitsfreund der Beiden, Benjamin (Leonard Scheicher), in die Karibik, um nach dem verlorenen Sohn zu suchen.

Katharina packt überdies noch ihre Freundin Judith (Maya Unger) mit ein. Zu Dritt also beginnt der Flug nach Kuba – mit recht unterschiedlichen Erwartungen und Nebenbei-Plänen: Wähnend Katharina unverholen nach  einem günstigen Sexabenteuer Ausschau hält und dabei ein mehr als peinliches Gehabe an den Tag legt, gehen die anderen zunächst jedem noch so kleinen Hinweis auf Wanjas Verbleib nach. Doch rasch melden sich auch bei Benjamin die Triebe, offenbar schon länger gehegte Gefühle zu Judith lassen sich nicht mehr unterdrücken, doch diese entdeckt ihrerseits den Tanzlehrer Ignacio für sich. Der wiederum will Kuba eigentlich verlassen. Kurzum: Es gibt bei allen Beteiligten viel emotionales Durcheinander und auch viele kulturelle Fettnäpfchen. Nicht nur, weil das Trio als – dank Wanjas Vater – sogar überdurchschnittlich reiche Touristen einen erkennbaren Sonderstatus haben.

„Vamos a la playa“ heißt das tragikomische Roadmovie von Bettina Blümner, die mit ihrem Langfilmdebüt, der Doku „Prinzessinenbad“ 2008 völlig zu Recht mit dem Deutschen Filmpreis und dem Preis Dialogue en Perspective der Berlinale ausgezeichnet wurde und auch mit dem Nachfolgestreifen, dem Sozialdrama „Scherbenpark“ (2013) zu überzeugen wusste. In ihrer neuen Produktion arbeitet sie nun mit Einstellungen, in denen die Protagonisten sich selbst mit einem Handy filmen. Dadurch bekommt das Ganze einen sehr authentischen Charakter. Seit das Medium Smartphone fester Bestandteil des Alltags ist, filmen ja auch im richtigen Leben gefühlt 90 Prozent aller jungen Menschen sich selbst und die Umgebung, und haben dabei auch kaum Hemmungen, diese Art von behaupteter Selbstreflektion oder eigene Beobachtungen zu Banalitäten einem breitem Publikum mitzuteilen. So wird der Zuschauer auch hier im doppelten Sinne zum Voyeur. Dank auch unter anderem einem sehr gut agierenden Darsteller-Team mit erkennbarer Freude am Improvisieren wartet tatsächlich „eine spontane Reise“, wie die Regisseurin selbst ihren Film bezeichnet: erst das Handtuch ausbreiten, zum Strand rennen, eigene Grenzen erfahren und diese Erfahrungen mit nach Hause nehmen.

Wer, zumal als Filmkritiker, diesem Streifen eine “Unentschlossenheit im Ton, ein Sommer-Sonne-Salsa-Roadmovie oder ein Coming-of-Age-Sozialdrama erzählen zu wollen” vorwirft, wie es der ohnedies schon seit mehr als einem Jahrzehnt in nahezu jeder Hinsicht grottige und in unseren Augen punktuell gar gemeingefährliche Tagesspiegel tut, macht sich in unseren Augen mehr als lächerlich. Denn Ersteres ist bei diesem Film eben nur der äußere Anschein, eine Schablone die nach und nach – zwar mit betont leisen Tönen – aber nachdrücklich zerlegt wird: Klischees werden gar sehr schlau unterlaufen, etwa dass “nur” der weiße Mann sich in aller Welt wie die sprichwörtlich offene Hose aufzuführen vermag, Sextourismus, das zeigte schon Ulrich Seidl eindringlich, ist durchaus auch ein bei Frauen mitunter beliebtes Betätigungsfeld. Und, dass es hier bei Blümners Film eher Vertreter der pseudo-woken, jüngeren Generation und nicht nur ältere Weiber sind, die ihre mitunter koloniale Überheblichkeit schmerzbefreit zeigen, macht es umso sehenswerter. Auch beschönigt „Vamos a la playa“ nicht, dass es Menschen in finanziell “ärmeren” Ländern gibt, die nicht nur dieses Spiel notgedrungen aber durchaus willfährig mitspielen.



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