Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Sehnsüchte und Abgründe

Der Zeichentrickfilm “Have A Nice Day” (im Original “Hao jile”) zeigt rund um eine private “Notlage” eine Menge Gewalt und Korruption, wie sie leider überall auf der Welt vorkommen. Doch weil es sich um eine chinesische Produktion handelt, glauben manche deutsche Medienvertreter, eine wirkliche und vor allem originäre Innensicht speziell jenes immer noch gern als “Reich der Mitte” titulierten Landes zu erhaschen. 

Irgendwo im Süden Chinas sitzt ein junger Mann in einem Internetcafe und schreibt eine Chat-Nachricht an seine Freundin. Er hat jetzt ausreichend Geld zusammen, um eine offenbar vor nicht allzu langer Zeit an ihr verpfuschte Schönheitsoperation im mehr oder minder benachbarten Korea gerade bügeln zu lassen. Dafür hat der Mann einem lokalen Mafiosi gerade eine Tasche mit Geld gestohlen. Im weiteren Verlauf werden weitere Menschen mit teils sehr unterschiedlichen sozialen Hintergründen gezeigt, die alle nur allzu gern in den Besitz dieser einer Million Yuan (umgerechnet rund 130.000 Euro) kommen würden. Und es wird nicht nur einmal Blut fließen.

Man sollte sich im Vorfeld eines Kinobesuchs weder auf das überhebliche Geschreibsel eines Moritz Holfelder (seine Überschrift “…zeigt die Abgründe des kapitalistischen Chinas” sagt eigentlich schon alles; man muss aber vermuten, dass ihm vieleicht tatsächlich nicht bewusst ist, wie auch zB in der Bundesrepublik Tagelöhner darben, wie trostlos auch für viele Menschen außerhalb Chinas das Leben sein kann, wie viele Leute weltweit hin- und her geworfene Spielbälle sind – aber lesen Sie gerne ggf. hier weiter) auf den Seiten des Bayerischen Staatsfunks verlassen, noch auf die Eindrücke des Original-Trailers. Letzterer legt eine Erwartung an Leinwandbilder nahe, die es letztlich überhaupt nicht gibt! Große Buchstabeneinblendungen, die hier als Synchronisation den bunten Blderwelten einen zusätzlichen Charme verleihen, sind in der Kinofassung nämlich Fehlanzeige.

Was die Animationstechnik angeht, hat es der Zuschauer hier oftmals mit ohne Hektik aneinandergereihten, sekundenlang freistehenden Comicbildchen zu tun, die ihre Lebendigkeit dann dadurch erfahren, dass ein Regenfilmchen darüber gelegt wird oder der Sound das Übrige tut. Bewegungsabläufe von Figuren, wo es sie denn überhaupt gibt, fallen indes meist spartanisch aus. Gemeinhin klimpern dann eher mal für eineinhalb Sekunden die Augen oder die Lippen bewegen sich – der Rest bleibt wiederum ziemlich starr. Da hat jede einzelne Filmminute früher Wallace and Gromit Stop-Motion-Produktionen mehr Power als dieser ganze Streifen. Liebe Kulturküche-Leser! Diese Schilderung ist aber keinesfalls dahingehend zu verstehen, dass wir sagen würden, “Have A Nice Day” ist an sich nicht leinwandtauglich. Das ist die animierte Graphic Novel sehr wohl. Insbesondere für Freunde der Popkultur.

Die Produktion ist auch nicht wirklich zu langatmig geraten (die Laufdauer beträgt ohnedies nur schlanke 77 Minuten). Einzig: das Gesamtwerk ist unterm Strich eben vom künstlerischen Standpunkt aus allenfalls Durschschnittsware. Auch der aufgrund der erzählten Rahmenhandlung (die wenigstens über alle Maßen zum Eintauchen in die Charaktere aufgebaut ist) im Gangstermilieu von weiteren Kritikern bemühte “Pulp Fiction” Vergleich ist leider ziemlich übertrieben. Außer es genügt einem, dass Männer ab und an Gedanken zu leckerem Essen austauschen. Denn das geschieht tatsächlich auch in der hier vorliegenden zweiten Regiearbeit des studierten Landschaftsmalers Liu Jian. In jedem Fall ist sein Film aber als astreine Kapitalismuskritik zu deuten.  Und auch ohnedies eine ordentliche Parabel über Sehnsüchte und Abgründe, die mutmaßlich in wirklich jedem Menschen stecken. Donald Trump und der Brexit kommen am Rande übrigens auch vor.



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