Regisseurin Hanna Slak befasst sich in ihrem neuen Spielfilm „Kein Wort“ mit einer allein erziehenden, in ihrem Beruf überaus erfolgreichen Frau, die anscheinend schon seit längerem den Zugang zu ihrem Sohn verloren hat. Während sich der Jugendliche wegen einer Tragödie einigelt, zelebriert seine Mutter förmlich das gemeinsame Schweigen.
Für Dirigentin Nina (Maren Eggert) steht bald ein sehr wichtiges Konzert an. Und so sieht man sie gleich in den ersten Sequenzen am Klavier mit Kopfhörern sitzen, um sich von jedweden Außengeräuschen abzuschirmen. Ihr Sohn Lars beobachtet sie dabei mittels Drohne, lässt das Gerät zu ihr fliegen. Als Nina es entdeckt, kommuniziert sie darüber statt direkt mit Lars zu sprechen. Obwohl jeder dem Jungen ansehen kann, dass er etwas Gewaltiges ausbrütet und durch kleine Bockigkeiten die Aufmerksamkeit seiner Mutter einfordert, scheint diese wirklich alles um sich herum geflissentlich ignorieren zu können, auch dem Gesprächsversuch einer Lehrerin auf dem Schulparkplatz auf dem auch klar ein frisch entstandener Gedenkschrein prangt.
Erst als Lars kurze Zeit später in der Schule bei einem vermeintlichen Reparaturversuch von was auch immer aus dem Fenster fällt oder vielleicht bewusst gesprungen ist, in jedem Fall insbesondere wegen einer Gehirnerschütterung im Krankenhaus eingeliefert wurde, hält Nina inne, verlässt eine unmittelbar bevorstehende Probe, scheint einzusehen, dass sich was in ihrem Umgang mit dem Sohn ändern muss. Auf den Kindesvater ist ohnedies kein Verlass, der Karrieremann taucht zwar kurz im Krankenhaus auf, verschwindet aber für das nächste Meeting noch ehe Lars wieder zu sich kommt. Als die Dirigentin ihrem Sohn sodann anbietet, fürs Wochenende wegzufahren, entscheidet sich der Junge für den bewährten Sommerurlaubsort der Familie irgendwo an der französischen Atlantikküste. Doch aktuell ist Winter, das Wetter grau, das Meer stürmisch, das Ferienhaus kalt und ungemütlich, selbst die Fähre verkehrt nur unregelmäßig. Jeder Versuch über den tragischen Fall, der ihn so mitgenommen hat – ein Mädchen aus Lars’ Schule ist ums Leben gekommen –, zu sprechen, scheitert an Ninas Unfähigkeit zu kommunizieren. Statt Fragen zu stellen, reimt sie sich verschiedenste Antworten zusammen – auch weil Zeitungsberichte tatsächlich sehr schräge Gedanken fördern. Es droht alles zu eskalieren.
Die slowenische Regisseurin Hanna Slak („Blinder Fleck“, 2002; „Teah“, 2007; „The Miner, 2017) schrieb auch das Drehbuch für ihren neuen und ersten deutschsprachigen Spielfilm „Kein Wort“. Neben Maren Eggert (Silberner Bär als die Beste Darstellerin 2021 für „Ich bin dein Mensch“ von Maria Schrader) und ihrem Filmsohn Jona Levin Nicolai (gemessen daran, dass es seine erste Kinofilmrolle ist: eine sehr starke Präsenz auf der Leinwand!) hat hier auch die Musik eine tragende Bedeutung. Es ist die Fünfte Symphonie von Gustav Mahler die, wie schon vor Jahrzehnten bei Luchino Viscontis “Tod in Venedig”, im Mittelpunkt steht. Der österreichische Komponist hatte sich in seinen Werken viel mit dem Tod von Kindern auseinandergesetzt – er verlor Geschwister im Säuglingsalter und später dann auch eines seiner eigenen Kinder. Es sind verschiedene Emotionen, die seine “Fünfte” durchläuft – Regisseurin Hanna Slak erzählt daran entlang ihre Geschichte. So entstehen auf der Insel Belle-Île-en-Mer im nordöstlichen Golf von Biskaya einige wenige starke Momente. Etwa bei einem Gespräch zwischen Nina und Lars Klassenlehrerein, bei dem die Beiden sich recht schnell aber ungelenk auf eine unglückliche Fügung der Ereignisse einigen. Statt ihren Sohn später die Situation beschreiben zu lassen, versucht die Hauptfigur ihm die Worte einfach in den Mund zu legen, als Legitimation dafür, dass man so nicht weiter nachhaken muss – unangenehmes kann Nina nicht gebrauchen, möchte sie doch eigentlich schnellstens zurück zu ihrem Orchester.
Doch das war es leider auch schon mit den Dingen, die man bei “Kein Wort” loben könnte: wer bei dem Plot psychologischen Tiefgang erhofft, wird Schiffbruch an der Kinokasse erleben. Die Mutter-Sohn-Beziehung ist unter’m Strich einfach viel zu reißbrettartig gezeichnet. Das krampfhafte nicht-aussprechen-wollen dringlichster Fragen von Nina wirkt unfreiwillig ungelenk, durchweg aufgesetzt der “Kunstgriff”, dass nahezu jede Situation, bei der ein zumindest oberflächliches Gespräch unausweichlich erscheint, von Anrufen von Ninas Kollegen, wo sie denn stecke, im Keim erstickt wird. Ohne spoilern zu wollen, irgendwann gibt es dann noch ein Unwetter im Film – fortan plätschert endgültig alles nurmehr sinnfrei vor sich hin. Immerhin ist der Großteil des Films da aber auch schon vorbei.