Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Schuldeneintreiben in der Wüste

Zwei Freunde sind als Mitarbeiter eines Inkasso-Unternehmens ständig auf Achse. Sie schrecken bei ihren Aufträgen auch nicht vor fragwürdigen Methoden zurück. Doch als sie nebenbei auch noch den Transport eines gefesselten Mannes übernehmen sollen, steht alsbald alles auf dem Kopf. „Déserts – Für eine Handvoll Dirham“  (Kinostart 28.06.2024) ist ein marokkanisches Drama mit komödiantischen bis hin zu “Western”-Elementen und unser Filmtipp der Woche.

Irgendwo im kargen Süden Marokkos stehen Mehdi (Fehd Benchemsi) und Hamid (Abdelhadi Taleb) an einem abgerockten Renault und versuchen eine Landkarte zu lesen, bis der Wind sie ihnen aus der Hand reißt. Die Gegend, in der sie herum fahren könnte gefühlt genauso gut auf dem Mond liegen: alles hier wirkt unwirklich und vor allem unwirtlich. Die Dörfer die dann irgendwann auftauchen sind an Felsen gebaut. Hier sollen die beiden Freunde, die auch Kollegen sind, für ein offenkundig besonders windiges Inkassobüro bei sprichwörtlich ärmsten Teufeln Schulden eintreiben. Alle von diesen beiden Männern Heimgesuchten sind erkennbar bitterarm, mit dem geliehenen Geld haben sie beispielsweise für ihnen Nahestehende eine Hochzeit ausgerichtet, Medizin gekauft – zurückzahlen können sie jetzt und auch in absehbarer Zeit nicht. Aber Mehdi und Hamid finden trotzdem immer etwas, was man versilbern kann und wirtschaften dabei nicht selten in die eigene Tasche. Und koste es den Schuldnern ihr letztes Hemd oder fallweise auch ihren letzten Teppich.

Da sie entsprechend keine großen Erfolge bei ihrer Chefin vorweisen können, sprach diese ihnen gerade die bevorstehende Kündigung aus, sollte nicht noch ein Wunder geschehen. Als sie vor diesem Hintergrund an einer Tankstelle einen gefesselten Mann auf dem Rücksitz eines Motorrades entdecken , stimmen die der Bitte des Fahrers zu, den entflohenen Häftling in den Knast zurückzubringen… Alsbald steht alles auf dem Kopf.

„Déserts – Für eine Handvoll Dirham“ heißt das Roadmovie des marokkanischen Regisseurs Faouzi Bensaïdi, der nicht nur hinter sondern in der Rolle als verschuldeter Lebensmittelhändler auch vor der Kamera steht. Sein elliptischer Film verfügt über zahllose skurrile Momente, ist humorvoll und melancholisch zugleich erzählt. Mit ganz wenigen, minimalistischen Szenen, die insbesondere auch von der Ausstattung leben, wird nicht nur das Duo nebst der Chefin, sondern die Inkasso-Szene an sich in ihrem Aberwitz entlarvt. Dazu gesellen sich die tragikomischen Lebenswirklichkeiten der beiden Protagonisten an sich: etwa wenn sie mit frisch “verdientem” Geld beschließen ihre in die Jahre gekommene Karre in einer Werkstatt zu einem Cabrio umwandeln zu lassen und es durch eine Änderung des Wetters im nächsten Moment bereuen.

Mit „Deserts“ meine er, so der Regisseur, sowohl die geografische Wüste als auch Wüsten in den Menschen selbst. Der gut zweistündige Film ist zwar für “europäische Sehgewohnheiten” etwas langatmig, aber entlohnt nicht nur einmal mit tatsächlich ziemlich unerwarteten Wendungen und recht mystischen Überraschungen. Zwischendurch etwa erzählt Bensaïdi („Mille mois“, 2003, „WWW – What a Wonderful World“, 2006, „Mort à vendre“, 2011, „Volubilis“, 2017) auch eine ganz besondere Liebesgeschichte, die kaum etwas mit dem Hauptplot zu tun hat und die komplett ohne Worte auskommt. Und zu all dem bekommt der Zuschauer hier vor allem eine Menge politischen und sozialen Subtext aufgetischt und auch visuell mehr als Überdurchschnittliches geboten. Was in Anbetracht der stellenweisen kargen Landschaften und der weitverbreiteten Armut in Marokko gar nicht so leicht in betörende Bilder zu gießen war.



Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *