Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Wortkarge Finnen, ein aus der Zeit gefallener Zoo-Direktor und eine Moorleiche

Neben dem unseres Erachtens Top-Film des Monats November „Wet Sand“ starten diese Woche drei weitere vielversprechende Streifen im Kino: In „Grump“ von Mika Kaurismäki sucht ein alter Grantler nach einem Ersatz für sein liebgewonnenes Auto. Im türkischen „Anatolischer Leopard“ ist ein seltenes Tier aus dem Zoo verschwunden und in Mareike Wegeners „Echo“ hallen sowohl die private als auch die historische Geschichte wieder.

Grump ist wortkarg, er lächelt kaum, ist nie ohne seine voluminöse Wintermütze anzutreffen und ist grundsätzlich mit nichts zufrieden. Der Mann über siebzig lebt alleine in irgendeinem finnischen Dorf. Seine beiden Söhne sind längst erwachsen, verheiratet und leben offenbar schon lange weit weg in Helsinki. Und seitdem die Frau gestorben ist, ist Grump nur sein alter bester Freund, der Nachbar, geblieben. Dieser hilft ihm, bei einem Autohändler irgendwo in Hamburg einen roten Ford Escort Jahrgang 1972 zu finden, nachdem der Alte das baugleiche Modell, welches ihm jahrelang ein treuer Gefährte war bei einem Tagtraum verloren hat. Kurz entschlossen packt Grump seinen Koffer und reist mit einer Menge Bargeld nach Deutschland. Dumm nur, dass er den Zettel mit der Zieladresse im Flughafen verloren hat.

Der Finne Mika Kaurismäki  (67, „Eine Nacht in Helsinki“) hat einmal mehr einen richtig schönen, schwarzhumorigen Film fürs Kino geschaffen, von wirklich allen Beteiligten wunderbar gespielt, mit super gezeichneten Charakteren: Der eine Sohn der “Griesgram “-Hauptfigur hat an der Nachricht zu knabbern, dass seine Frau zum vierten Mal schwanger ist. Der andere verspielt viel Geld und dabei seine Karriere und wird schlussendlich auch von der Frau, die er dazu lange belogen hat, vor die Tür gesetzt. Nachdem Grump (Heikki Kinnunen) in Hamburg aufgrund von Sprachbarrieren zunächst Bekanntschaft mit Damen macht, die im Volksmund genauso genannt werden, wie das gesuchte Ford-Modell passieren so einige Dinge die sich Grump vor Reiseantritt nicht ausmalen wollte. Davon ist zwar spätestens über kurz oder lang immer Mal wieder einiges für den Zuschauer leicht vorhersehbar – aber bei diesem bis zur letzten Minute absolut sehenswerten deutsch-finnischen Roadmovie kommt es auf ganz andere Dinge als einen Spannungsbogen an. Und so wechseln sich skurrile, trockenhumorige aber auch vor Menschlichkeit fast triefende, jedoch immer die Waage zur Kitschfreiheit haltende Szenen ab. Und in einigen davon spielt neben einem Campingbus auch Rosalie Thomass (zuletzt in einer der größten Enttäuschungen des laufenden Kinojahres „Die Känguru-Verschwörung“, hier nun wieder in einem wunderbaren Film) eine große Rolle.


Emre Kayis, der 38jährige türkische Regisseur (sein Abschlussfilm an der Londoner Filmschule 2014, „The Translator“, war als Bester Kurzfilm für den 28. Europäischen Filmpreis nominiert) widmet seinen ersten abendfüllenden Film „Der anatolische Leopard“ ebenfalls einem Menschen, der nicht mehr in die Zeit zu passen scheint und auch nicht mal mehr versucht sich anzudienen. Es ist der Zoo-Direktor Fikret. Ein Mann über 50, geschieden, seine Tochter nimmt ihn kaum wahr. Sein Zoo in Ankara, der älteste in der Türkei, wurde an reiche Araber verkauft. Sie wollen das großflächige Tiergehege offenbar lieber gestern als morgen abwickeln und einen Freizeitpark daraus machen. Für den Bürgermeister ein großartiges Projekt, für Fikret und seine Mitarbeiter eine sehr traurige Angelegenheit. Nur weil eine seltene Spezies den Zoo bewohnt, nämlich der anatolische Leopard, darf aus Tierschutzbestimmungen der Zoo jedoch nicht direkt abgerissen werden. Und so soll die im realen Leben als weitgehend ausgestorben geltende Großkatze, die wohl schon vor über 6000 Jahren in Anatolien und im Kaukasus gejagt wurde, baldmöglichst umziehen. In der Silvesternacht verschwindet der Leopard plötzlich aus seinem geschlossenen Käfig, Überwachungskameras liefern keine direkte Aufklärung. „Der anatolische Leopard“ ist eine im betont ruhigen Tempo erzählte einfühlsame Geschichte über einen Mann, der kurz entschlossen eine große Entscheidung trifft und dabei auf ungeahnte Unterstützung trifft.


In Mareike Wegeners „Echo“ fühlt man sich ebenfalls in der Zeit zurückversetzt, und das vor allem aufgrund der Bildsprache und der teils von einem Rundfunkorchester verantworteten Hintergrundmusik. Die somit zu vermittelnde Botschaft lässt sich auf einen Satz herunterbrechen: Die Vergangenheit ist nicht vergangen, diese sendet vielmehr gezielt Signale an die Menschen in der Gegenwart, etwa in Form einer Moorleiche oder von fast zeitgleich auftauchenden alten, seinerzeit nicht explodierten Bomben aus dem zweiten Weltkrieg. Auch die handelnden Personen haben ihre eigenen Geschichten, die sie nicht in Ruhe lassen. Allen voran die Polizistin Saskia Harder (Valery Tscheplanowa) – sie hat in Afghanistan bei der Ausbildung der örtlichen Sicherheitskräfte eine Bombenexplosion überlebt. Allerdings echot diese weiter in ihr, so sehr sie die Erinnerung auch unterdrücken möchte. Oder der besessene Sammler Lorenz von Hüning, der den Schmerz wegen seiner vor langer Zeit als Kind verlorenen Tochter überspielen möchte…

Wegeners erster abendfüllender Spielfilm „Echo“ ist keine einfache Kost, vor allem weil sie nicht dem heute üblichen, gewohnten Erzählstil ähnelt. Wer sich auf ein etwas überdurchschnittlich verkopftes Kinoerlebnis einstellt, dürfte zumindest nicht enttäuscht werden. Trotzdem will die Produktion einfach viel zu viel, so dass gewichtige Themen nur angerissen werden – insbesondere die Einstiegsgeschichte aus Afghanistan verkommt so letztlich leider nur zu einer Schablone.

 



Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *