Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Tierische Qualitätsunterschiede bei Neustarts vom 06.07.2023

Gleich drei Filme, die formal und inhaltlich kaum unterschiedlicher sein könnten, auch wenn sie sich allesamt  zumindest dem Titel nach (auch) um Tiere drehen, haben wir uns aus den Neustarts der Woche für Sie herausgepickt: “Griechenland oder der laufende Huhn”, “Die kleine Spinne Lilly Webster” und “Miraculous: Ladybug & Cat Noir – Der Film”.

Zunächst nach Griechenland – Der Enddreißiger Johannes (Thomas Stipsits) ist offenbar schon zeitlebens extrem konfliktscheu und bemüht es jedem Recht zu machen. Nicht nur deshalb halten ihn alle in seiner Familie – die dominante Mutter, der geschäftige Vater, die ehrgeizige Verlobte – für einen, der unfähig ist, richtig anzupacken, also schlicht und einfach für einen Versager. Eines Tages erfährt er eher zufällig (die Alten wollten einen Brief vor ihm zunächst geheim halten), dass er die „Frucht“ eines Flirts seiner Mutter mit einem deutschen Hippie in Griechenland ist: dieser, sein leiblicher Vater ist dort nun verstorben, das Begräbnis und das Erbe soll Johannes regeln. Hals über Kopf reist er in den Süden, ohne natürlich zu ahnen, dass er alsbald von einem Beamten und einer modernen Bäuerin, die ihn für ihre sehr gegensätzlichen Interessen gewinnen wollen, mit Lügen und Täuschungen manipuliert wird. Als dann auch noch seine bisherige Familie auf der Insel herumgeistert, wird das Chaos schier unüberschaubar.

Griechenland oder der laufende Huhn“ von den beiden Regisseurinnen, Claudia Jüptner-Jonstorff und Eva Spreitzhofer, ist eine betont leicht verdauliche österreichische Komödie mit vorhersehbarem Ende (dass der vermeintliche Looser sich zumindest ein Stück weit emanzipiert), zu vielen Kalauern und Passagen über gealterte Anbeter freier Liebe (die einem höchstens ein müdes Lächeln entlocken können), aber schönen Bildern und einem schauspielerisch überdurchschnittlich agierenden Thomas Stipsits, der in seiner Heimat auch als Kabarettist bekannt ist. Einzig: das Bissige oder gar Bösartige vieler anderer Produktionen aus der Alpenrepublik darf man hier wirklich nicht erwarten – dann ist Johannes Selbstfindungsreise ein immerhin kurzweiliger Spaß. Erst recht für alle die gerne ob ihres Fernwehgefühls Filme schauen.

Spinnen mit immerhin vier Augen – Die Slowakisch-tschechische Produktion der Zeichentrickfilmerin Katarína Kerekesová ist erkennbar in erster Linie für kleinste Zuschauer gedacht. Sie erzählt die Geschichte von Lilly, die mit ihrer Familie im Maschinenraum eines Aufzugs lebt und innerhalb von 66 Minuten so einige Abenteuer erlebt: sie ist ein aufgewecktes Spinnenmädchen, aber nicht wirklich frech. Doch mit der Zeit wagt sie sich, was die Älteren nicht so sehr mögen, alleine in den Hof, wo ja die gefährlichen Zweibeiner herumlaufen. Ebenso beherzt beschützt sie Mottenbabys oder passt beispielsweise mit einer ihrer Freundinnen in einer Fliegenfarm auf das Essen für die Familien auf. Zumindest versucht sie es, denn ohne zu viel zu spoilern, einige Fliegen werden davon fliegen, weil Lilly auch bei der Arbeit den Spaß nicht zu kurzkommen lassen will.

Im Grunde kann man den kurzweiligen Film um das blaue Spinnenmädchen auch als lose Verbindung einiger Miniepisoden betrachten – denn vieles was Lilly erlebt, etwa wenn sie einen Drachen steigen lassen will, ist pointiert und vor allem liebevoll und sogar in manchen Details ein wenig überraschend in jeweils wenige Minuten zusammengebastelt.

Technisch gesehen ist „Die kleine Spinne Lilly Webster“ eine hübsche Kombination von realen Aufnahmen der Menschenwelt inklusive Hinterhöfen und herumtollender Kinder und einer am Computer entstandenen Animation über die durchweg vieräugigen Krabbler. Was theoretisch wie das Setting aus der Serie und den Filmen “Minuscule” (“Die Winzlinge”) klingt, ist hier doch eine ganz eigene Schöpfung. Der Kontrast aus comicartigen Bildern und realer Welt wird bewusst nicht verwaschen, auch wenn es natürlich zu manch kleiner Begegnung beider Lebenswirklichkeiten kommen wird. Inhaltlich geht es um die gesamte Klaviatur die Themenfelder wie Freundschaft, Neugier, Tierliebe oder Toleranz so hergeben. Gemessen an der primären Zielgruppe sind Lillys Abenteuer eine über alle Maßen charmante Produktion…

Der Reinfall der Woche – …und damit das exakte Gegenteil vom mit enormen PR- und Werbeaufwand ins Kino gebrachten, aber mit austauschbarsten 08/15-CGI-Designs, ebenso belanglosen wie schmalzigen Liedern (Mike Singer und Sarah Engels geben sich hier wiederholt die Ehre) und zu allem Überfluss mit hochnotpeinlichen Product-Placements für einen “deutschen” Autobauer vollgepfropften “Miraculous: Ladybug & Cat Noir – Der Film” von Regisseur und Co-Autor Jeremy Zag: Alles, aber wirklich alles was der Einsatz eines  Schmetterlings-Kwami zu Tage fördern wird, ist von der ersten Sekunde an vorhersehbar. Und das, was die anfangs betont zarten Annäherungsversuche zwischen den beiden Protagonisten angeht, wird überdies nicht nur extrem konventionell, sondern tatsächlich leicht schmierig erzählt. Das zentrale Element der langatmigen und mit vielen Plattitüden aufwartenden Geschichte: Nur zusammen können die beiden Teenager Wunder bewirken. Marinette Dupain-Chengs – das Mädchen wird unvermittelt durch den Erhalt von speziellen Ohrringen mit Superkräften “gesegnet” und kann diese aber mit allergeringsten Anlaufschwierigkeiten punktgenau und weitestgehend zielführend einsetzen; auch der Junge Adrien Agreste, der für sich selbst genauso überraschend nun immer öfter zur Katze mutiert, weiß nahezu instinktiv wie man sich dem nur zufällig böse gewordenen Bösen in Paris effektiv in den Weg stellt, wenn “Ladybug” in seiner Nähe ist.

Der Freundeskreis von ihr ist zumindest am Anfang der Geschichte sehr überschaubar, was auch ein wenig mit Marinettes extremer Tollpatschigkeit zusammenhängt; bei “Cat Noir” ist die Mutter gestorben und der Vater seither nicht nur physisch kaum anwesend. Und obwohl beide, wenn das “Schicksal” sie in ihre stets wie geleckt wirkenden tierischen Kostüme zaubert – abgesehen von Katzenöhrchen bei ihm – keinerlei Veränderungen an ihrem eigentlichen Körper, an ihren Gesichtern, Haarfarben oder Stimmlagen erfahren, erkennen sie sich wenige Stunden nach ihren Einsätzen, also wieder in den Alltag der Schule zurückgeworfen, auch dann ohne Fummel nicht wieder, wenn sie dort mit der Zeit genauso intensiv miteinander quasseln wie noch in der Nacht davor nach ihrem jüngsten Kampf gegen “Hawk Moth”.

Formal wie inhaltlich ist dieser Musicalfilm, der Comic-Action und Coming-of-Age gleichzeitig sein will, eine einzige Enttäuschung mit einer wenige Minuten (wir kommen gleich darauf zurück) dauernden Ausnahme: womit für die sonstige Abhandlung über recht biedere Superhelden eine vierjährige Vorbereitungszeit und dem Vernehmen nach 80 Millionen Euro Produktionskosten verbraten wurden, kann man beim besten Willen in Anbetracht von lauwarmen Pups-Witzen und dem zigfach heruntergebeteten, tatsächlich nur halben Talmud-Mantra „Wer ein Menschenleben rettet, dem wird es angerechnet, als würde er die ganze Welt retten” nicht nachvollziehen, erst recht, wenn man weiß, wie der jeweilige zeitliche, personelle und finanzielle Aufwand insbesondere bei Pixar- oder gar Ghibli-Produktionen am jeweiligen Ende zumindest zuverlässig was die Atmosphäre angeht, auf den Leinwänden jeweils zu glänzen weiß. Von Fragen der Figurentiefe, der Originalität einer Erzählung und Überraschungsmomenten – die man beim Mensch gewordenen Marienkäferchen vergeblich sucht – ganz zu schweigen.

Genau, wir wollten ja noch kurz auf die einzig lohnende Passage in diesen ansonsten langweilenden 105 Minuten eingehen: diese spielt auf einem Jahrmarkt. Dort tauchen zwei neue Figuren in der Geschichte auf, sie könnten spätestens bei ihrem Wandel, den sie durchlaufen, gut und gern auch Teil einer Ghibli- oder einer anderen asiatischen Produktion sein. Diese Zwei sind sowohl was die optische “Zeichnung” als auch ihre Gefährlichkeit angeht durchweg gelungen. Dass es dann aber ausgerechnet ihre Sequenz ist, die “kino.de”-Kollegin Kristina Kielblock zu einem mehrfachen, dieser Film ist “aber nicht für kleine Kinder” geeignet Hinweis trieb, ist nebenbei bemerkt mal wieder bezeichnend für den Teil des deutschen Journalismus, der die pseudo-woke Welle reitet. Weil sich vielleicht eines von 10.000-ten Kindern erschrecken könnte, wenn hier auf einem Cartoon-Jahrmarkt des Jahres 2023 aber weit weniger als in einem 1980er Ghostbusters-Streifen aus dem Ruder läuft, muss man aber wohl schon froh sein, dass (noch?) keine Petition gestartet wird, die das FSK-0-Siegel aufzuheben fordert.

 

 



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