Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Fremdgehen im Quadrat

Das Hinterfragen von gesellschaftlichen Rollenmustern war schon in “Das Floß!” ihr Thema – inklusive der Frage nach Lust und Frust innerhalb der Beziehungen von Paaren irgendwo in den Dreißigern. Letzteres treibt Regisseurin Julia C. Kaiser in “Die Hannas” nun erneut an.

Ihre Freunde Lisa und Florian (Anne Ratte-Polle, Christian Natter) zollen Anna und Hans zu Beginn des Films Respekt: die Beiden seien “das einzige Paar, das es schafft, im Kompromiss glücklich zu sein.” Für manch einen mögen solche Worte weniger nach einem Lob, sondern eher nach der Umschreibung einer ziemlich halbgaren Beziehung klingen, aber es ist von den Abendessensgästen der “Hannas” tatsächlich liebvevoll gemeint, und wird von den in der Wahrnehmung ihrer Umwelt somit auch sprachlich zur Einheit verschmolzenen Anna (Anna König) und Hans (Till Butterbach) auch so wahrgenommen.

Die titelgebenden Protagonisten werden dem Zuschauer in der Folge ansonsten auch in intimer Zweisamkeit als eher behäbig, leicht kindisch vorgeführt – auch nach offenbar weit mehr als zehn Jahren Beziehung fressen sie sich einander sprichwörtlich aus der Hand. Wohlgenährt sind sie ohnedies. Und auch sonst eher passiv. Ganz anders: die zwei Schwestern Kim (Julia Becker) und Nico (Ines Marie Westernströer), die einerseits Hans und andererseits Anna in unterschiedlichen Situationen und ohne, dass es irgendwer des Quartetts geplant oder darauf angelegt hätte, begegnen und die Gefühlswelten der Hannas gewaltig auf den Kopf stellen werden. Nebenbei wird klar, dass eine der Schwestern in der Kindheit vom eigenen Vater missbraucht wurde. Außer dass sie mit dem Verbrecher nichts zu tun haben will, hat Nico glücklicherweise keinen größeren Schaden davon genommen. Dass sie ihren eigenen Sohn lieber im Heim als bei sich großwerden lässt, habe mehr damit zu tun, dass die Beiden ansonsten einfach allzuoft aneinandergeraten würden. Obwohl sie sich – was mit diversen Szenen belegt wird – eigentlich ganz gut verstehen, wenn sie sich nur aperiodisch sehen.

Im Vordergrund stehen aber die beiden Fremdgehgeschichten. Über lange Strecken ahnen weder Anna noch Hans, dass sie nicht die einzigen wohl erstmals Untreuen in ihrer Langzeitbeziehung sind, geschweige denn, dass sie – jede/r für sich – in Schwestern verguckt haben. Wie diese neuen Bande geknüpft und gesfestigt werden, ist schlicht großartig inszeniert – zu durchweg tollen Schauspielleistungen kommt noch eine überdurchschnittliche Kameraleistung (Dominik Berg zeichnet für teils extreme Bildaus­schnitte verantwortlich) und ein moderner, aber unaufdringlicher Soundtrack. Mit der üblichen deutschen Liebeskomödienkost hat dieser Streifen glücklicherweise Null Komma Nichts gemein. Und so wirken sogar weder dezente SM-Phantasien (zwischen Hans und Fitnesstrainerin Kim) noch ein Todesfall oder Queer-Liebeleien am Arbeitsplatz der Physiotherapeutin und Masseurin Anna in diesem “Berlin-Film” einer in Baden-Württemberg ausgebildeten, gebürtigen Münchnerin irgendwie aufgesetzt.



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