Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Liebe oder Verantwortung

In seinem Film “Die Geschwister” erzählt Regisseur Jan Krüger die Geschichte eines Immobilienverwalters, der einem Pärchen, das sich nach außen als Bruder und Schwester ausgibt, illegal eine Wohnung verschafft. Und er verstrickt sich in eine Liebesbeziehung mit einem der Beiden, woran deren Schicksalsgemeinschaft zu zerbrechen droht.

geschwister_kinoThies (Vladimir Burlakov) arbeitet für eine Berliner Immobilienverwaltung, steht bei Wohnungsbesichtigungen regelmäßig zahllosen Interessenten direkt gegenüber. Das Spiel ist klar: ohne Schufa, ohne Bürgschaft oder ohne vernünftigen Gehaltsnachweis geht hier gar nichts. Thies funktioniert als Rädchen im Getriebe, schützt die Pfründe seines Arbeitgebers. Im Privaten ist er ein Einzelgänger, obwohl vermeintlich normal-bis-gut-Verdiener, wohnt er selbst in einer sehr karg eingerichteten Miniwohnung; in seiner Freizeit geht er häufig joggen und hilft ansonsten anscheinend in nahezu jeder freien Minute unentgeltlich bei einem befreundeten Trödelhändler mit. Sein Gleichgewicht gerät gehörig ins Wanken, als er bei einer Besichtigung von einem Pärchen angesprochen wird, das sich als Geschwister ausgibt. Beide – Bruno (Julius Nitschkoff) und Sonja (Iirina Potapenko) – haben keine der notwendigen Unterlagen, entsprechend eigentlich nur die Chance auf eine klare Absage. Als Thies am nächsten Tag beim Joggen von Bruno aufgelauert und mit einem recht unzweindeutigen sexuellen Angebot überrascht wird, fühlt er sich nicht wirklich überrumpelt. Die Beiden kommen zusammen und Thies organisiert kurz danach eine leerstehende Wohnung aus dem Bestand der Immobilienverwaltung für Bruno und Sonja, die eben keine Geschwister sind: Sonja kommt aus Belarus, arbeitete bis zu ihrem Rausschmiss bei Brunos Eltern in Polen. Wohl auch deshalb fühlt sich Bruno für sie, die keine gültigen Papiere für einen EU-Aufenthalt besitzt, seit Jahren wie ein “echter großer Bruder” verantwortlich. Rasch wird klar: die neue Konstellation – Thies nimmt sprichwörtlich viel Raum ein – kann nicht von Dauer sein.

Das Grimmsche Märchen “Brüderchen und Schwesterchen”, in dem sich die Schwester liebevoll um den in ein Rehkalb verwandelten Bruder kümmert und ihn auch dann nicht alleine lassen will, als ein Prinz sie in sein Schloss mitnehmen möchte, soll Regisseur Jan Krüger (“Unterwegs”, “Rückenwind”, “Auf der Suche”) für seinen vierten Spielfilm “Die Geschwister” als Inspiration gedient haben: Zwar mit anderer Geschlechterrollenaufteilung und einer heiß begehrten Wohnung statt einem Schloss, aber auch hier eine Schicksalsgemeinschaft von zwei Menschen, die an einer Liebesbeziehung zu zerbrechen droht. Aber es ist genau diese Pseudogeschichte vom Brüderchen und Schwesterchen im realen Berlin mit seinem in der Tat hart umkämpften Wohnungsmarkt, mit notgedrungen in der Illegalität lebenden Migranten auf der Suche nach einer Bleibe und ihre Ängste vor polizeilicher Entdeckung, die diese wichtigen Themen hier als Etikettenschwindel erscheinen lassen. Da hilft es auch nicht, dass die Schauspielerleistungen durchweg solide sind. Weder dem unmenschlichen Mietsystem wird ernsthaft auf den Zahn gefühlt, noch erfährt man Brauchbares zu einer Nebenfigur, die regelmäßig für “Illegale” versucht eine Bleibe zu organisieren, geschweige denn etwas Nachhaltiges zu den Alltagssorgen vom Wohnungsmarktwahnsinn Betroffener. Dafür nehmen die Liebesszenen zwischen den beiden Männern extrem viel Raum ein. Der ganze Film macht den Eindruck, als sehe man eine Porno mit alibimäßig eingeflochtener Handlung, bloß dass letztlich auch noch der Porno selbst gar keiner ist, sondern nur ein bedeutungsschwangerer Softsexstreifen. Bezeichnend dass der alles andere als auch nur annäherend soziale “Tagesspiegel” ausgerechnet bei einer solchen Ansammlung von Oberflächlichkeiten “von der Liebe in den Zeiten des neuen Raubtierkapitalismus” schwadroniert und eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ebenjenem in “Die Geschwister” wittert, die Kritiker Julius Heinrichs aber selbst in dieser homöopathischen Dosierung den Kamm schwellen lässt. Schön wäre es gewesen, wenn es diese Auseinandersetzung mit den nicht nur in der bundesdeutschen Hauptstadt wildernden Goldgräbern hier gäbe. Betonung auf wäre.



Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *