Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Zwischen Perspektivlosigkeit und Bangen

babai“Babai” (Der Vater) erzählt die Geschichte eines Jungen im Vorkriegskosovo, der seinen Vater ausfindig machen will, nachdem dieser ihn allein gelassen hat, in den Westen geflüchtet ist. Eine absolut sehenswerte Geschichte über Familienbande, Zwischenmenschliches, über Verrat und Wut sowie über Flucht und Asyl im Allgemeinen.

Der zehnjährige Nori (Val Maloku) wächst im Kosovo auf. Zeitlich befinden wir uns wohl in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre – der Film verzichtet auf eine exakte Einordnung. Wirkliche Kriegsvorbereitungen, gar Blutvergießen sind zwar streng genommen noch nicht zu erahnen, aber es liegt spürbar etwas in der Luft. Die Wirtschaft ist nahezu komplett zusammengebrochen, die Soldaten mit ihren Gewehren schikanieren die Menschen nach Lust und Laune, und auch in den normalen Familien ist allenthalben eine Stimmung zwischen Zweckoptimismus und totaler Verzweiflung auszumachen. Inmitten dessen lebt Nori mit seinem Vater Gezim (Astrit Kabashi) im Haus von dessen Bruder. Die Mutter des Jungen ist vor wohl nicht allzu langer Zeit abgehauen – Gezim ist nicht bereit, über sie zu sprechen. Vater und Sohn halten sich jedenfalls mit dem Verkauf von Zigaretten mehr schlecht als recht über Wasser – denn in diesen unwirklichen Zeiten muss auch die Stammkundschaft immer öfter anschreiben lassen. Da Nori und Gezim fliegende Händler sind, schwingt überdies auch immer die Gefahr mit, von “Ordnungshütern” oder von Konkurrenten vertrieben oder nachhaltig ausgebremst zu werden.

Gezim will das Land verlassen – Richtung Westen. Allerdings allein, ohne Nori. Und er scheitert jedes mal an dessen Hartnäckigkeit: Nori klammert sich sprichwörtlich an seinen Vater, verhindert jeden Fluchtversuch. Einmal gar indem er sich vor einen mit Gezim fahrenden Bus wirft. Als der Junge daraufhin im Krankenhaus liegt, nutzt sein Vater die Möglichkeit und verschwindet endgültig. Auch wenn noch Onkel und Tanten da sind, die sich scheinbar um ihn kümmern würden, plant der sich allein fühlende Nori voller Wut alsbald seine eigene Flucht, erlebt den auch körperlich gewalttätig ausufernden Egoismus der Erwachsenen und wird selber immer kompromissloser.

Der erste Langspielfilm von Visar Morina, der bereits mit seinen Kurzfilmen zahlreiche Preise bekommen hat und für “Babai” (Der Vater) im vergangenen Sommer völlig zurecht beim Filmfest München abräumte, beruht nach Aussagen des Regisseurs auf selbst Erlebtes beziehungsweise auf Geschichten aus seinem Umfeld. Großes Glück hat er mit seinem jungen Schauspieler Val Maloku, der mit seiner Darstellung eines verratenen Kindes die Erwachsenen förmlich an die Wand spielt. Obwohl die Fluchtgeschichte eben nicht im hier-und-heute spielt, ist sie absolut universell und vor allem unbedingt sehenswert – auch als ein fulminanter Schrei nach Menschlichkeit der ohne jede Pathetik auskommt. Ohne große Worte und lange Dialoge die künstlerische Antwort auf all die mit Schaum vor’m Mund geführte Debatten insbesondere über so genannte Wirtschaftsflüchtlinge. Morina zeichnet eindrucksvoll das Vater-Sohn-Gespann, ein Leben in Angst, in Armut, ohne Perspektive aber voller Träume von einem menschenwürdigen Dasein. Und wie manche auf dem Weg dahin auch ihr Mensch-sein verlieren können. Wo am Anfang des Films noch leichter Humor mitschwingt, sitzt man als Zuschauer zum Schluss nurmehr mit einem großen Klumpen in Hals und Magen vor der Leinwand.



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