Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Journalisten im Wolfsgewand

Archivartikel aus dem Jahr 2006 –

Deutsche Medienvertreter beerdigten bei einer Pressekonferenz der Macher des Films “Tal der Wölfe” die Ansprüche an fairen Journalismus. Irgendwie aber auch passend für eine Zeit, in der “Hass-Reden” von Herrn Stoiber unter den Tisch gekehrt werden.

“Was ist eigentlich die Aufgabe eines Moderators?” Auf diese wirklich simple Frage vermochte Andreas Schneider (RBB Fernsehen, einst Reporter und Pressefotograf bei der “Berliner Morgenpost”) unmittelbar nach seinem “Auftritt” als nominell ebensolch ein Moderator im Rahmen einer Pressekonferenz zum “Tal der Wölfe” nicht so Recht Antwort zu geben. Dass es Bahadir Özdener und Raci Sasmaz, ihres Zeichens Drehbuchautor und Produzent des fraglichen Kinofilms, zuvor rund eineinhalb Stunden ähnlich gegangen ist – wobei die an sie von so genannten Journalisten gerichteten Fragen teils in übelster Verhörmethodenmanier, fast immer mit belehrendem oder gar beleidigendem Unterton verfasst waren und inhaltlich weitaus komplexere Antworten bedurft hätten, für die die meisten der versammelten Medienvertreter ohnedies keine Geduld mitgebracht zu haben schienen – hatte ihn weniger wortkarg auf dem Podium sitzen lassen. Im Gegenteil: Immer wieder zog er die in der Tat allerdings nicht vollends erhellenden und teils auch ausweichenden Antworten der Repräsentanten der nach all den “hitzigen Kontroversen und Debatten” hierzulande zur “Information aus erster Hand” einladenden Produktionsfirma “Pana Film” ins Lächerliche, stachelte die ohnedies nicht um eine faire Auseinandersetzung mit einem handwerklich bestenfalls eher durchschnittlichen Actionfilm bemühten Kollegen noch an, Stoff für die impliziten Zensurforderungen von Bayerns Ministerpräsident Stoiber zu Tage zu fördern. Denn der Film selbst rechtfertigt diese trotz einer recht plump karikierenden und wohl völlig fiktionalen Darstellung eines in irakischen US-Foltergefängnissen tätigen Arztes jüdischen Glaubens nicht im Geringsten. Erst recht nicht, wenn man sich hierzulande weiter darauf berufen will, dass “Muslime” einen faktischen Tabubruch gegen den zentralsten Grundkonsens “ihrer Welt”, der sich verbittet ein Bild vom “Propheten” zu machen, im Namen der Presse- und Meinungsfreiheit erdulden müssen. Ebenso wenig, wie man der bis heute teuersten türkischen Leinwandproduktion ernsthaft Anti-Amerikanismus vorwerfen kann oder wie Stoiber laut Netzeitung behauptete, dass hier “Stimmungsmache” gegen “die Kultur und die Werte Europas” stattfinde, geschweige denn, dass “der EU-Kandidat Türkei” hier “klar Position beziehen” muss.

Fakten und Fiktionen – nicht selten im internationalen Actionkino

Denn abgesehen davon, dass vor Wochen noch keine Laute aus der bayerischen Staatskanzlei drangen, dass sich ein Land – etwa “Dänemark” – für bestimmte “künstlerische” Werke – beispielsweise bestimmte Karikaturen – zu entschuldigen hätte (wieso auch? Wenn überhaupt haben sich wohl etwaige “Künstler” für etwaige “Fehlleistungen” und oder “Entgleisungen” zu entschuldigen) oder auch jetzt vom ehemaligen Kanzlerkandidaten oder seinem so genannten Medienminister kein Funken Kritik beispielsweise an US-amerikanischen Serien erhoben wird, die sich mindestens (!) vergleichbarer Stereotypen bedienen (nur eben der in diesen Breiten gängigeren), geht es im “Tal der Wölfe Irak” nicht einmal ansatzweise so dummdreist und blind blutrünstig wie in einem Rambofilm zu. Formal steht ohnedies primär die Kritik an Kriegshandlungen und Besatzungspolitik der USA und seiner Soldaten im Mittelpunkt. Insofern haben Özdener und Sasmaz wohl das Recht bei ihrer gestrigen Pressekonferenz in einem Hotel am Potsdamer Platz (in dem seit Jahren Journalisten zu Terminen geladen werden, ohne dem jeweiligen Veranstalter großspurigen Rahmen vorzuwerfen, unter anderem finden hier alle offiziellen Berlinale-Pressekonferenzen statt) zu behaupten, dass sie einen Antikriegsfilm liefern wollten, wenngleich der Streifen in Wahrheit diese Auszeichnung aufgrund seiner dann doch überwiegenden Actionszenen nicht so ohne weiteres verdient. Erst recht nicht, wenn man an herausragende Produktionen wie Michael Winterbottoms “Road to Guantanamo” denkt, der den Amerikanern allerdings teils die gleichen konkreten Menschenrechtsverletzungen vorwirft (etwa willkürliches Schießen auf LKWs mit Gefangenen und damit sogar wehrlosen “Terrorverdächtigen”), wie diese eben nur authentische, aber halt nicht en detail dokumentarische Produktion.

Klare Absage an den so genannten gewaltbereiten Fundamentalismus

Immerhin aber ist der hierzulande bisher nur mit deutschen Untertiteln zu sehende Film (erst aufgrund des unerwarteten Interesses außerhalb der türkischen Community wird jetzt eine synchronisierte Fassung erstellt) trotz einer als Ausgangspunkt der Handlung fungierenden Racheaktion für eine tatsächlich geschehene Verschleppung türkischer Soldaten durch US-Elitetruppen im Nordirak wirklich stellenweise dergestalt um Frieden und Diskurs und die Unantastbarkeit der Menschenrechte bemüht, dass es selbst Herrn Geißendörfer (“Lindenstraße”) eine helle Freude sein sollte. Die unbestreitbar als größter Held implizierte Rolle des Streifens stellt nämlich ein Suffi-Scheich dar, der jede Rechtfertigung von Gegengewalt, insbesondere Selbstmordattentate – bei denen eben in aller Regel (neben oder gar statt potentiellen oder faktischen Mördern und Tyrannen) unschuldige Menschen sterben – nachdrücklich ablehnt und damit auch zumindest innerhalb des Plots das eine oder andere Blutbad verhindert.

Doch davon sprach bei der Pressekonferenz niemand. Vielleicht auch weil es letztlich zu unbequem wäre, darüber nachzudenken, wieso jene Politiker, die im “Karikaturenstreit” die Fahne der Meinungsfreiheit hochhielten, nun nach Verboten und Zensur rufen. Oder warum hierzulande immer noch zahllose Medien und Politiker nicht aufschreien, bei dem was wirklich im Irak seit Jahren für grausige Verbrechen im Namen der Menschlichkeit passierten – eventuell ja eben doch mit deutscher, nachrichtendienstlicher Unterstützung und vielleicht auch mit Wissen des mittlerweile zum Außenminister aufgestiegenen Herrn Steinmeier. Oder weil man sonst erkennen müsste, wem der so genannte “Kampf der Kulturen”, die jahrelange Panikmache vor der tagtäglich wachsenden Terrorgefahr am meisten nutzt und wer Vorteile aus der Verharmlosung der irakischen Realität hat.


Staatskanzlei will nicht sagen, ob Stoiber weiß, wovon er spricht

Auch wurde in Berlin gestern nicht davon gesprochen, warum die Bayerische Staatskanzlei sich offensichtlich zu fein ist, kritische Medienanfragen zu beantworten. Trotz mehrfacher schriftlicher und telefonischer Nachfragen ist man dort seit nunmehr 10 Tagen nicht bereit, dem die Kulturküche herausgebenden Medienbüro nikorepress (welches auch für diverse Tageszeitungen und landesweite Radiosender arbeitet) auch nur zu beantworten, ob Stoiber oder Sinner wenigstens den Film gesehen haben, über den sie so hart urteilten, dass die Kinokette Cinemaxx in vorauseilendem Gehorsam den Streifen absetzte und die FAZ sich nicht entblödete, zu behaupten, dass doch niemand – auch Stoiber nicht – verlangt hätte, dass “deutsche Polizisten” den Film zu “beschlagnahmen oder seine Aufführung in deutschen Kinos mit den Machtmitteln des Staates [zu] verhindern”. Von Zensur könne also keine Rede sein – vielmehr vom “Bürgersinn der Kinobesitzer”.

Feuilletonchef des Neuen Deutschland will Ordnung und hat viel Durst


Von der Staatskanzlei war übrigens auch keine Stellungnahme zu der Frage zu erhalten, wie man “europäische Werte” zu definieren hätte, warum in Bild-Zeitungsmanier populistisch von “Hass-Film” gesprochen werde oder wie eine Leinwandproduktion, wenn sie denn tatsächlich “gefährlich” wäre, hierzulande Bundesprüfstellen durchlaufen konnte? Doch wie gesagt, all solche Fragen standen für die im Hyatt-Hotel versammelte Journalistenschar nicht auf der Tagesordnung. Für den völlig deplatzierten Moderator Schneider, der sich schon eingangs für seine Tätigkeit auf dem Podium entschuldigen zu müssen glaubte, schon gar nicht. Der RBB-Mann hatte anscheinend noch nicht einmal das nötige Faktenwissen, um das als ersten Beitrag der Fragerunde getarnte dreiste Gepoltere des Feuilletonchefs des Neuen Deutschlands bloß zu stellen, der doch tatsächlich beklagte – weil er vermeintlich keine Einladung zu einer Pressevorstellung erhalten hatte -, dass der Film “in Rambomanier” ins Kino gebracht worden wäre, und so etwas keine “ordentliche” (sik!) Art sei. Für die absolut unbestreitbare Antwort der beiden türkischen Herren, dass es Wochen vor der Diskussion, unmittelbar vor Filmstart sehr wohl eine Vorführung für Journalisten gegeben hätte (insgesamt 600 Einladungen sind für Deutschland im Januar verschickt worden), auch eine Pressekonferenz in Köln ehe hierzulande auch nur der Ansatz an Kritik laut wurde, interessierte sich Hanno Harnisch (ein Mann der sich selbst übrigens nicht einmal zu entschuldigen weiß, wenn in seinen Verantwortungsbereich fallend, persönliche Kontaktdaten von Kollegen auf der Website des “ND” für “jedermann” mit den Artikeln “abgedruckt” werden; und jemand, der freiberuflichen Autoren zumindest in den Jahren 2003 und 2004 regelmäßig ihr Recht auf Ausfallhonorare für “ordentliche” Arbeit absprach und auch deshalb ein wenig an die Selbstherrlichkeit eines Helmut Kohls erinnert und schon zu DDR-Zeiten recht gut bei DT64 im Geschäft war und seinerzeit wohl etwas weniger beharrlich und beherzt Fragen stellte) bezeichnender-weise schon gar nicht mehr. Er quatschte lieber mit einem Kollegen – dass da Menschen gefragt waren, denen man die Fragen erst in deren Muttersprache übersetzen musste, schien ihm zu umständlich, und bat in der Reihe hinter sich – da ihm sein eigener Getränkevorrat schon ausgegangen war, den jeder Journalist vor sich zu stehen hatte, nach einer weiteren Flasche Apfelsaft. Nach dem vierten Freigetränk hat er dann übrigens die Veranstaltung vorzeitig verlassen.

“WIR brauchen Ihre Erklärung nicht”

Ein paar eigentümliche Auftritte anderer Medienvertreter hat er davor aber wohl noch wahrgenommen. Etwa die “Lehrstunde” eines Kollegen vom Stern, der in Oberlehrermanier und Grenzen ziehender Verwendung der Worte “wir” und “hier” nach eigenen Worten die beiden Vertreter der Filmproduktion beruhigen wollte, dass “unsere Art des Journalismus” eben recht beharrlich sein könne, dies daher doch bitte nicht persönlich zu nehmen sei, und man sich doch Mühe geben kann, etwas bündiger zu antworten – etwa mit richtig oder falsch, in jedem Fall auch mal mit einem Wort. Auch eine Frau, die im Namen des Hamburger Abendblatts auftrat und immerhin zugab, dass sie sich von den Filmemachern den Film nicht erklären lassen wollte (“WIR brauchen Ihre Erklärung nicht”), aber ansonsten nur ihre kostbare Zeit zu bedauern wusste und pauschal und damit gnadenlos übertrieben, aburteilte, dass in eineinhalb Stunden nun schon “keine einzige Frage” beantwortet worden wäre, schien beweisen zu müssen, dass ihr ein fairer Umgang mit Gesprächspartnern nicht wirklich am Herzen lag. Denn niemals wurde ein fiktionaler Film, der aber eben nicht nur völlig aus der Luft gegriffene Themen anspricht, hierzulande dermaßen mit Schimpf und Schande versehen, wie dieser. Dass hier alle Rechtfertigungsversuche oder ein sich darauf Berufen, dass es im Film verwurstete Vorwürfe, dass mit Organen von Gefangenen im Irak international Geschäfte gemacht würden, schon vor Jahren gab, aber sich halt schlecht beweisen lassen, wollte ja eh keiner hören. Quellen bitte! Woher wissen Sie das denn? Und vor allem: was hatten eigentlich türkische Militärs im Irak verloren? War DAS nicht (auch) Unrecht? Wenn dann ein Filmemacher antwortet, dass ihn das weniger interessiere, als die Tatsache, dass noch heute tagtäglich zahllose Unschuldige durch den “Einsatz” der USA und anderer Militärs sterben, respektive, dass seines Wissens türkische Soldaten vor den Kriegshandlungen glücklicherweise “nur” einen Beobachterstatus hätten und vor allem selbst die heutige Technik 11 Menschen (so viele Türken waren offiziell im Irak abkommandiert) noch keinen Krieg gegen ein Land führen könnten, wurde auch dies nur als “blumige” Ausflucht gewertet.

Kein Aufschrei bei Stoibers Deutschland den Deutschen Rede

Derzeit verwundert es aber nicht einmal mehr, dass öffentlich eigentlich nur der deutsch-türkische Schriftsteller Feridun Zaimoglu eine kleine Lanze für die weitere Aufführung des “Tal der Wölfe” brach (“Was ist schlecht daran, einen guten Action-Film zu sehen, in dem einmal die Amerikaner die schlechtere Rolle haben?”). Statt sich einen Tag nach einem Auftritt Edmund Stoibers beim bierseligen “Aschermittwoch” seiner Partei auseinanderzusetzen, wird lieber weiter auf einen Film eingedroschen, der eben ein wenig vereinfacht und damit auch Leute die Augen öffnen könnte, die sich sonst eher weniger über George W. Bushs faktischen Kreuzzug sorgen. Am tragisch-komischten übrigens wohl von der “taz” – die meint, ein “Vergleich mit Rambo- und ähnlichen Kalten-Kriegs-Filmen” führe “in die Irre”. Denn “diese waren in eine Systemauseinandersetzung eingebettet, und die ‘bösen’ Russen oder Vietnamesen in solchen Streifen sind in ihrer Eigenschaft als Kommunisten böse, nicht in ihrer ethnischen Identität als Slawen oder Asiaten.” Ah ja! Wirklich passend ist es da, dass jenes Blatt bei besagten jüngsten Ausfällen des bayerischen Ministerpräsidenten offensichtlich dabei war, zumindest unter der Überschrift “Stoiber reitet auf der Merkelwelle heim” dies und das und immerhin auch berichtete, dass er davon schwadronierte, dass für ihn “eine Mitgliedschaft der Türkei in der EU” (weiterhin) nicht in Frage komme, aber eben unter anderem auch gegen eine wohl nicht näher definierte “linke Multikulti-Clique” wetterte und unter anderem auch folgendes lautstark kraftmeierte: “Wer randaliert, fliegt raus, und wer kein Deutsch kann, kommt gar nicht erst rein”; “Jedem muss klar sein: Hier gilt das Grundgesetz und nicht die Scharia” und “Wer nicht Deutsch kann, gehört nicht auf eine deutsche Schule.”

Wäre es nur die taz allein, die dies alles die letzten 3 Tage förmlich unter den Teppich kehrte, es wäre keiner Erwähnung wert. Doch da unter anderem das ARD Nachtmagazin (Mittwoch auf Donnerstag), die 19 Uhr Heute-Nachrichten (Mittwoch Abend) und auch eine Unmenge Tageszeitungen (am Donnerstag) darauf verzichteten, diese analog einer “Hass”-Film-Diskussion nur mehr als “Hass”-Rede zu bezeichnende Hetze, die fatal an wirklich “ganz andere Zeiten” erinnern müsste, zu verurteilen oder zumindest zu dokumentieren, muss man sich um die Medienlandschaft hierzulande wahrlich große Sorgen machen.

Oliver Renn


(© Kulturküche/Redaktionsbüro nikorepress 03.03.2006)

Tal der Wölfe – Irak

im Kino seit 9.2.2006

Länge 125 Min.

Regisseur Serdar Akar



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