Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Alte Wunden und neue Missverständnisse

In „Sprich mit mir“ – Janin Halischs Kinoneustarter hat nichts mit dem gleichnamigen Roman von T. C. Boyle zu tun – fährt eine Mutter mit ihrer erwachsenen Tochter zum Urlaub nach Rügen. Statt unbeschwerten Tagen wartet eher ein Trip in die Vergangenheit: zu lange unausgesprochene Themen stehen zwischen den Beiden. 

Am Anfang der Geschichte steht die knapp 30jährige Karo (Alina Stiegler) vor einer Baustelle und beobachtet einen älteren Mann. Bald weiß man, es ist ihr Vater, der vor Jahren die Familie verlassen hat. Als sie von ihm bemerkt wird, flüchtet Karo. Zurück zu Hause macht ihr Freund Alex für sie offenkundig vollkommen unerwartet mit ihr Schluss. Nicht nur das Intimleben scheint hier nicht zu funktionieren. Karos Mutter Michaela (Barbara Philipp) hat derweil augenscheinlich ebenfalls Stress mit ihrem Liebhaber. Zumindest beschließt sie recht spontan nicht mit ihm sondern mit Karo nach Rügen zu verreisen. Wie in alten Zeiten, nur sie und ihre Tochter. Karo findet den Zeitpunkt nicht günstig, kann der 50-jährigen Friseurin aus Ost-Berlin den Wunsch, der eher wie eine Bevormundung daherkam, aber auch nicht abschlagen. Im Hotel an der Ostsee lernen die Beiden den gerade in Scheidung befindlichen 60ähjrigen Jochen (Peter Lohmeyer) kennen, der zum ersten Mal alleine mit seiner Teenie-Tochter (Pearl Graw) Urlaub macht. Michaela sieht hier die Chance auf einen hemmungslosen Urlaubsflirt, Karo wird derweil eher von einer funktionierenden Vater-Tochter-Beziehung emotional angezogen. Irgendwann reißen bei den beiden Protagonistinnen gut vergraben geglaubte Gefühle, sprich alte Wunden neu auf und das Einzige, was helfen könnte, scheint miteinander zu reden, wozu sowohl Mutter als auch Tochter eher unfähig zu sein scheinen. Ein Zustand der erst durch ein richtig heftiges Ereignis aufgebrochen werden kann…

In Janin Halischs erstem Langfilm, dem mit glaubwürdigen Dialogen, weitgehend überzeugenden Darstellern und nicht gerade wenigen tragikomischen Szenen glänzenden „Sprich mit mir“, geht es somit im Grunde um die Reise zu sich selbst. Die DFFB-Absolventin, die ihre Produktion nachvollziehbarerweise auch als „verspätetes Coming-of-Age-Drama“ betitelt, schrieb auch beim Drehbuch mit und brachte wohl auch Einiges aus ihrer persönlichen Vergangenheit mit: Reisen “mit ihrer Mutter  und verschiedenen Vätern” vermitteln auf der Leinwand ein gutes Gespür für Menschen, die versuchen Lücken aufzufüllen, um sich selbst und anderen Etwas zu beweisen, und ganz generell für die Gefühle einer Generation, die hauptsächlich von Frauen großgezogen wurde. Ihre Film-Karo liebt ihre Mutter Michaela sehr, gleichzeitig muss sie sich sehr oft für sie fremdschämen. Alina Stiegler wurde für diese Hauptrolle auf dem Filmfestival Max Ophüls 2023 mit dem Preis als beste Nachwuchsschauspielerin ausgezeichnet. Zusammen mit den altbewährten Schauspielerkollegen Philipp und Lohmeyer bildet sie ein Trio, bei dem Jochen unfreiwillig als Katalysator fungiert.

 

 

 

 



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