Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Virtuelle Auferstehungen

In ihrer Doku „Eternal you – Vom Ende der Endlichkeit“ (D-Start 20.06.2024) beleuchten Hans Block und Moritz Riesewieck den sich rasant verbreitenden Trend, verstorbene Familienangehörige in Bots oder Avatare  verwandeln zu lassen, um mit ihnen interagieren zu können: Der Zuschauer erlebt neben findigen Geschäftemachern, Menschen, die mit KI-Ideen zwischen himmelhochjauchzend und persönlicher Hölle pendeln dürfen.

Christi hat einen alles andere überlagernden Wunsch: sie will wissen, ob es ihrem verstorbenen besten Freund gut geht. Da sie sehr gläubig ist, möchte sie ihn “im Himmel” wähnen. Nun chattet sie mit seinem digitalen Double, das sie von einer Firma aus möglichst vielen seiner persönlichen, hinterlassenen Daten hat erschaffen lassen . Er sei in der Hölle gelandet, verkündet die “KI”, er geistere oft hier und da bei fremden Leuten herum und werde bald auch sie verfolgen. Verstört klappt Christi ihren Laptop zu. Es ist kein Sci-Fi-Plot den die Zuschauer hier aufgetischt bekommen. Christi gibt es wirklich, wie auch Jang Ji-Sung, eine weitere Protagonistin dieser im übertragenen Sinne tatsächlich oft gespenstisch wirkenden Doku, deren siebenjährige Tochter verstorben ist. Sie habe sich nicht von ihr verabschieden können, das verfolge sie bis in den Schlaf bekundet Jang Ji-Sung und man kann beim Kinobesuch kaum anders als ihr die Daumen zu drücken, dass sie – weil sie ja offensichtlich ebenfalls die Hilfe einer anderen Firma mit “Künstliche Intelligenz”-Angeboten für Hinterbliebene nutzen wird – alsbald einen inneren Frieden wiederfindet. Denn in ihren Träumen, so erzählt die Mutter weiter, streite die Kleine immer mit ihr. Die Koreanerin ließ gezielt einen Avatar, der ausschließlich freundlich und liebenswürdig klingen darf, von ihrer Tochter erschaffen. In einem mit virtueller Technik ausgestatteten TV-Studio teilt sie ihre so persönliche Geschichte und zahllose Zuschauer, nicht nur im asiatischen Raum, sahen ihr über die Schulter, als sie mit Spezialbrille und High-Tech-Handschuhen versucht ein Hologramm zu berühren…

Eigentlich wollten sich die Filmemacher, Hans Block und Moritz Riesewieck (bekannt insb. für “The Cleaners” – ebenfalls eine Doku: über philippinische “Content-Moderatoren”, die für Facebook und Co. verstörende Inhalte in den sozialen Netzwerken löschen sollen) für ihre Produktion die eigentlich „Eternal ME“ heißen sollte, mit dem Wunsch mancher Menschen beschäftigen, quasi unsterblich zu werden. Während der 2018 begonnenen Recherchearbeit entdeckten sie jedoch mehr Hinterbliebenen, die ihre Verstorbenen nicht gehen lassen wollten. Und so wandelte sich das Konzept – portraitiert werden in der nun zu bestaunenden Kino-Doku Menschen die einen Menschen verloren haben und ihre Beweggründe sich an Tec-Firmen zu wenden.

Block und Riesewieck möchten mit ihrer profunden Abhandlung über Bild- und Textgeneratoren, die mit Hilfe von Technik Verstorbene in der digitalen Welt neu zum Leben erwecken, eine Debatte eröffnen darüber, „wie weit KI vordringen soll in unser aller Leben – vor und nach dem Tod“, welche psychologischen und ethischen Folgen das Ganze für die Gesellschaft haben kann. Entsprechend lassen sie neben Software-Entwicklern auch Ethiker und Psychologen zu Wort kommen, ohne selbst wertend zu sein, was es bedeutet, den Tod  ein Stück weit auszuhebeln. Die Startups zu diesem Sujet – manche wirken wie Gestalten die eine Art Séance 2.0 erschaffen wollen –  schießen jedenfalls weltweit aus dem Boden, auch Amazon oder Microsoft etwa, mischen kräftig mit beim Geschäfte machen mit um Tod.

“Eternal You – Vom Ende der Endlichkeit” zeigt eindringlich wie die meisten Anbieter jede Verantwortlichkeit für etwaige  psychologische Folgen bei den Nutzern ihrer augenscheinlich süchtig machenden Produkte wegwischen oder zumindest klein reden und erörtert nebenher auch die Frage, wem eigentlich die durch Interaktionen zwischen Trauernden und dem Produkt neu geschaffenen Daten und Gedanken gehören. Klar wird nämlich auch, dass die Anwender oft bereit sind, Unsummen für eine Fortsetzung der virtuellen Begegnungen mit den  „Wiederbelebten“  auszugeben – gemeinhin die Angst mitschwingt, wenn man das Abo der Dienstleistung beenden würde, seinen geliebten Menschen, der ja schon im realen Leben starb, ein zweites Mal zu töten. Es ist nicht unsere Aufgabe da zu sitzen und den Leuten zu sagen ‘Denk dran, das ist alles nur eine Illusion. Ich bin nicht real’, lassen die Dokumentarfilmer einen Vertreter einer KI-Firma zu Wort kommen.

Im Subtext ihres anspruchsvollen aber gleichwohl kurzweiligen Streifens geht es so auch ganz generell darum, ob die moderne Technik nicht alsbald die bisher verbreitete Trauerkultur, die weltweit und auch je nach Religion auf dem ersten Blick oft recht unterschiedlich erscheint, aber doch abstrahiert ziemlich viele Ähnlichkeiten aufweist, völlig verschwinden lassen wird. Angerissen wird auch die Frage, was in den Köpfen der nachwachsenden Generation passiert, wenn etwa deren Eltern die Adaption des Opas mit Informationen füttern, die überhaupt nicht wahrheitsgetreu sein müssen, die Technik dann aber eben mit den Enkelkindern interagiert. In Neuseeland etwa experimentiert die Firma Soul Machines schon länger mit „digitalen Menschen“, die nicht nur die Stimme und Persönlichkeit von Verstorbenen imitieren, sondern auch weitgehend wie diese aussehen, sich autonom entwickeln – mit einem virtuellen Nervensystem weiterlernen, ggf. gezielt frühere soziale und politische Ansichten “weiter”entwickeln, an Ereignissen die erst nach ihrem Tod eintraten neu abwägen. Ein Mitbegründer eines Anbieters nutzte gar sein eigenes Baby gleich wenige Tage nach dessen Geburt als Vorbild für digitale Klone potentieller Kunden und behauptet, sein virtuelles Gehirn sende digitale Hormone aus. Nicht nur “dank” solcher Stimmen ist nach knapp 90 Minuten klar, die sprichwörtliche Büchse der Pandora wird nie mehr zuzumachen sein.

 



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